Internet-Statement 2001-30

Mazedonien und die Nicht-Souveränität des deutschen Bundestages

Es gibt in diesem Land durchaus eine breite Neigung, die Teilnahme am Mazedonienkrieg abzulehnen, aufgrund der gesamten Erfahrungen während des Jugoslawienkrieges, aufgrund der Enthüllungen über die UCK sowie aufgrund der Tatsache, daß die frühere Propaganda der NATO, alles habe nur an dem Präsidenten Milosevic gelegen, durch die reale Entwicklung vollkommen widerlegt ist. Hinzu kommt, daß es in diesem Einsatz gefährlich werden kann und, mehr noch, es wahrscheinlich Opfer geben wird. Und kaum daß feststand, daß eine gewisse Opposition in der Regierungspartei sich entwickelt hat, die möglicherweise deren Mehrheit blockiert, begann von der Medienseite her eine Kampagne des Inhalts: die Bundesrepublik kann sich gar nicht entziehen. In Koordination mit dem Beschluß der NATO erklärten die Medien: ihr habt zwar eine Mehrheit dagegen, aber es wird eine Mehrheit dafür geben, weil die NATO das so sagt, und weil ihr Bündnisverpflichtungen habt; und alsbald meldet sich auch irgendeine andere Partei bzw. Teile anderer Parteien, springen der Regierung bei und erklären sich für die sog. Bündnistreue. Da laufen die Kanäle unter der Hand, und es wird für die entsprechende Entscheidung gesorgt.

Ist diesen Leuten eigentlich klar, daß auf diese Weise vor der ganzen Öffentlichkeit mehr oder weniger direkt dargestellt wird, daß der deutsche Bundestag gar keine Souveränität hat, sondern das zu tun hat, was die NATO ihm vorgibt? Ebenso trifft die NATO selbst ihre militärischen Entscheidungen über die Kontingente ohne überhaupt die Entscheidung des Bundestages abzuwarten.

Könnte die internationale öffentliche Meinung diesem Land wirklich einen Vorwurf daraus machen, wenn das Parlament beschließt: wir nehmen nicht teil? Es gibt viele Gründe nicht teilzunehmen, z.B. die frühere unwahrhaftige Kriegsrechtfertigung. Niemand kann irgendein europäisches Land darauf verpflichten, die Folgen der unverantwortlichen Förderung von Gangstern wie der UCK durch die NATO jetzt weiter zu tragen. Das Parlament steht von daher unter keinem Druck, Bündnisverpflichtungen einzuhalten. Wenn Deutschland beschließt, daran nicht teilzunehmen, könnte kein einziges Land den Finger erheben und sagen, dies sei treubrüchig, charakterlos oder eine Form von Opportunismus. Es wäre vielmehr gerade das Gegenteil, wenn dieses Land ein kleines Stückchen Selbständigkeit zeigen würde, wenn es erklärt: es nimmt an dieser Mission nicht teil.

Daß der angebliche Auftrag zum Waffeneinsammeln ein lächerlicher Vorwand für eine massive dauerhafte Stationierung der NATO in Mazedonien ist, ist inzwischen von so vielen Seiten behandelt worden, daß wir hier nicht mehr darauf eingehen müssen. Die NATO selbst läßt durchaus durchblicken, daß das nicht ihr letztes Wort ist. Wo aber ist nun in den entscheidenen Massenmedien wie dem Fernsehen die Frage zu finden, worum es der NATO wirklich geht? Und wo wird im Bundestag diese Frage wirklich erörtert werden, ohne die es für die Entscheidung über den Kriegseinsatz keine Grundlage gibt? In einer Reihe von Zeitungen wird über die strategischen Hintergründe dieses Mazedonien-Einsatzes diskutiert. Dabei geht es um die Absicherung ihres Einflusses in Jugoslawien, bis hin zu strategischen Auseinandersetzungen mit Rußland, bis zur Inbesitznahme des Kaukasuses und darüber hinaus.Wahrscheinlich wird es in Deutschland in den nächsten Tagen kaum einen anderen Ort politischer Diskussion geben, wo man so wenig über die wirklich essentiellen Frage dieses Militäreinsatzes diskutiert, wie in diesem Parlament

Die CDU/CSU wird durch die Regierung und die Medien massiv bearbeitet, um zu erreichen, daß ihre Abgeordneten der Kriegsteilnahme doch noch zustimmen, nachdem sie das zunächst ausgeschlossen hatte. Diese Parteien haben von vornherein ihre Ablehnung begründet mit zweifelhaften Punkten wie ungenügender Finanzierung und mangelnder militärischer Vorbereitung, eine Begründung, die es zulassen würde, jeder Zeit sogar zur verschärften Forderung nach Kriegsteilnahme zu schwenken. Von Schäuble und Lamers kam sogar die Forderung, die formelle Entscheidungsgewalt des Parlaments überhaupt abzuschaffen, damit die Regierung in Zukunft möglichst hindernisfrei noch größere Kriegsentscheidungen fällen kann. Allerdings wurde von einigen CDU-Vertretern bemängelt, daß der Auftrag in Mazedonien "unklar" sei.

Warum ist die Entscheidung der CDU/CSU in pcto. Ablehnung trotzdem wichtig?

Weil man ernsthaft damit rechnet, daß es diesmal zu Verlusten auch bei der Bundeswehr kommen wird. Bezeichnend ist dafür, daß die USA sich vorsichtshalber aus dem Kontingent heraushalten, denn sie wollen nicht in die Verlegenheit kommen, daß Verluste bei ihren Soldaten durch einen Konflikt entstehen, den sie maßgeblich selbst gefördert haben, und möglicherweise sogar auch durch UCK-Kräfte verursacht wird, die von ihnen selbst instruiert werden. Wenn in Deutschland die Bundesregierung und die FDP die Entscheidung alleine tragen, dann stehen sie dann am Pranger. Man will daher erreichen, daß auch die CDU dann ihre Treueerklärung abgeben muß: wir konnten ja alle nichts anderes tun, wir waren ja aufgrund des Bündnisses gezwungen, und deswegen müssen wir jetzt die Kriegstoten in Kauf nehmen. Wenn aber die CDU nicht mitmacht, dann ist die Basis dieses ganzen Vorgehens geschwächt, und es könnte sich für die Parteien, die das getragen haben, auch bei Wahlen rächen.

Das Land wäre doch vom Wahnsinn getroffen, wenn es, nachdem selbst dieses bürgerliche System jahrzehntelang zurecht erklärt hat, daß wir an dem NATO-Kriegsbündnis nur teilhaben wollen im Sinne einer Gesamtverteidigung dieser Staaten, jetzt bei der ersten besten Gelegenheit als primitiver Stachel des imperialistischen Vorgehens agieren wollten, aus dem die europäischen Staaten selbst absolut keinen Gewinn ziehen. Wir sind dabei vorwiegend nur die Haudegen von anderen.

Die ganzen Vorgänge zeigen mit außergewöhnlicher Deutlichkeit, daß die Bundesrepublik durch tausend Fäden von anderswoher dirigiert wird und im Grunde das zu tun hat, was das internationale Kapital einschließlich des eigenen sagt, und unser Parteiensystem funktioniert ganz entsprechend so, daß wenn in einer Partei eine Opposition aufkommt und keine Mehrheit mehr existiert, eben eine andere Partei herangezogen wird, die die Mehrheit beschafft. Das ist das Schauspiel, das sich hier abgespielt hat.

Selbstredend hat die Grüne Partei gezeigt, daß sie am rigorosesten unter der gegenwärtigen Politik der USA steht und sie unterstützt. Opposition kommt noch aus den Reihen der Sozialdemokraten, nicht aus denen der Grünen, wo es faktisch keine gibt, mit Ausnahme des Feigenblattes Ströbele.

Die Medienhetze, wie sie sich an dieser Frage wieder entfaltet hat, für die der Bundestag gar nicht zählt, sondern die NATO-Vorgabe als der Maßstab für das Land ausgegeben wird, bildet ein Musterbeispiel zur Erkenntnis der Machtstrukturen dieses Staates. Über Jahrzehnte hinweg hat die alliierte Diktatur ihre Leute in den Medien stationiert und dort gehalten, und bis zum heutigen Tage sind die Medien, gerade die ARD und das ZDF, aber auch die übrigen, die beflissenen Lakaien dieser amerikanischen imperialistischen Politik. Dabei werden auch die Souveränitätsinteressen dieses Landes ohne mit der Wimper zu zucken verletzt, werden noch nicht einmal in Worten berührt.

Redaktion Neue Einheit

26.August 2001

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