Internet-Statement 2003-30

 

Mit dem Aussetzen des Streiks bei ZF ist die Gefahr gegeben, daß der Streik auch insgesamt zum Abbruch kommt


Der Ruf nach der Einschaltung von Klaus Zwickel kommt nicht überraschend. Mit allen Mitteln versucht man den Streik in den neuen Bundesländern abzuwürgen. Mit dem Aussetzen des Streiks bei ZF Brandenburg ist die Gefahr gegeben, daß der Streik auch insgesamt zum Abbruch kommt. Der Druck, der den Streikenden entgegenschlägt, kann allerdings nicht überraschen. In einem Artikel etwa der Zeitung "Die Welt", die eine offene Sprache in dieser Hinsicht pflegt, heißt es heute am 25.6.:

"Dem Streik geht die Luft aus. Erst sah es so aus, als ob der Arbeitskampf um die 35-Stunden-Woche im Osten noch Wochen dauern könnte, dann hat sich IG-Metall-Chef Klaus Zwickel eingeschaltet. Jetzt könnte es eine schnelle Einigung geben."

Klaus Zwickel wird von der "Welt" als eine Art kleine Wunderwaffe gesehen, er ist aber nur ein Mann, der eng in den Rahmen der Herrschenden eingebettet ist, ein Mann, der auf das Wort hört, das die Banken und Vorstandsetagen der großen Unternehmen sagen, und dazugehört, wenn es darauf ankommt. Es ist die Struktur in den Gewerkschaften selbst, die jetzt große Schwierigkeiten bewirkt.

In einem anderen Satz heißt es: "Der designierte IG-Metall-Vorsitzende Jürgen Peters sagte, er sei ‚beunruhigt und verblüfft', daß sich in dem Arbeitskampf die öffentliche Meinung so einseitig auf die Seite der Arbeitgeber geschlagen habe." Das wird aber auch im weiteren immer so sein, denn dieses Kapital will hier die Herabsenkung der Lebenskosten letztlich aller Lohnabhängigen, gleichgültig, ob sie vielleicht zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch verhältnismäßig exklusive Löhne im Weltmaßstab haben. In einer Zeit, in der das geplant ist, paßt es dem Kapital nicht, in der entgegengesetzten Richtung etwas anzunehmen, nämlich die selbstverständliche Angleichung der Löhne und der Arbeitszeitbedingungen in den neuen und den alten Bundesländern. Wenn der Trend in der Gegenrichtung gehen soll, soll das nicht zugelassen werden.


Bei allen Aktionen, die die Gewerkschaften hier und im Kommenden machen werden, wird man mit solch einer Konstellation unter Druck gesetzt werden, bestehend aus einer Hetze der Medien in ihrer Gesamtheit und der gesamten Parteienlandschaft, die durch den Bankrott, den sie herbeigeführt haben, sich insgesamt diskreditiert hat. Es fallen radikale Worte, wie es z.B. in der "Welt" hieß: "Deppen der IG-Metall ab nach Kuba!", und ähnliche Sprüche, mit denen im Grunde jede Form von Opposition heruntergemacht wird. Das ist ganz der Stil der Bundesrepublik, wie wir ihn kennen. Immer wenn es darauf ankommt, ist es so. Und die IG-Metall wie überhaupt alle Gewerkschaften kommen unweigerlich in einen Konflikt, weil sie auf der einen Seite mit eben diesem staatlichen Apparat verquickt sind, und auf der anderen Seite doch irgendwie den sozialen Kampf führen wollen. Deswegen müssen innerhalb der Gewerkschaften einige wichtige Entscheidungen herbeigeführt werden, und die müssen lauten, wenn man überhaupt weiterexistieren will, daß man sich diesem Druck stellen will.

Es kommt auch zu Handlungen, die an den öffentlichen Pranger gehören.

Über bayrische Gewerkschaftsvertreter und andere Angehörige der gehobenen Betriebsratsteile großer Automobilkonzerne ist öffentlich bekundet worden, daß man den Arbeitnehmern in den neuen Bundesländern nicht die gleichen Rechte zugestehen will, die man selber hat. Hat man selber die 35-Stunden-Woche, will man die gleichen Bedingungen den Betrieben in den neuen Bundesländern nicht zugestehen. Das ist Arbeiteraristokratismus in des Wortes elementarstem Sinn. Es ist nicht nur unsolidarisch, sondern zeugt auch von einer Abgehobenheit, von einer Nähe zu den hiesigen Unternehmensetagen und den politischen Kräften, die sich diskreditiert haben, die auf die Urheber dieser Äußerungen noch zurückschlagen wird. Wenn jetzt der Kampf in den neuen Bundesländern abgewürgt wird, braucht niemand sich zu wundern, wenn morgen entsprechende Verschlechterungen in den alten Bundesländern durchgesetzt werden.


Deshalb ist etwas ganz Anderes gefragt. Gefragt sind diejenigen IG-Metall-Funktionsträger im Westen, die sehr wohl die Notwendigkeit der Unterstützung für die Kollegen in Ostdeutschland sehen, die aber nicht zu Wort kommen und denen in der Presse auch keine Foren gegeben werden. Es ist jetzt an der Zeit, daß sie sich melden und sagen: Nein, umgekehrt, es muß unterstützt werden, was die Kollegen in den neuen Bundesländern machen.

Die Anpassung in dieser einfachen Frage der 35-Stunden-Woche ist es mit Sicherheit nicht, die die Erpressung über den Punkt Standort verursacht. Das kommt sowieso, denn die Löhne in Tschechien oder notfalls in der Ukraine oder Indonesien sind sowieso viel niedriger, egal, ob hier eine 35-Stunden-Woche existiert oder nicht. Hier liegt das prinzipielle Problem: daß die Arbeiter auf diesen Kontinenten einer rücksichtslosen Diktatur unterliegen, hinter der das gleiche Kapital steckt, das hier auf formale Demokratie (noch) macht.


RedNE –ks
25.6.03

 

www.neue-einheit.com