Internet Statement 2004-32

 

 

„Existenzgeld für alle“ und „Bedingungsloses Grundeinkommen für alle“ – „entkoppelt“ von der Arbeit ?!

 

Über den Charakter dieser Forderungen, wie sie von einigen erhoben werden

 

Bestimmte Forderungen, die in den Protesten gegen den Sozialkahlschlag auftauchen und von einigen sogar noch besonders unterstrichen werden, haben herzlich wenig damit zu tun, daß man sich damit erfolgreich gegen den Sozialkahlschlag und soziale Entrechtungen zur Wehr setzen könnte. Und schon gar nicht können diese Forderungen den Anspruch einer gesellschaftlichen Perspektive erheben, wie das von manchem ihrer Vertreter behauptet wird.

 

Hinter den Forderungen „Existenzgeld für Alle“, Bedingungsloses Grundeinkommen für alle“ und auch „Ausreichende Grundsicherung für alle Erwerbslosen - ohne Bedürftigkeitsprüfung!“ stehen Vorstellungen einer sog. ‚radikalen Umverteilung von oben nach unten’. [1] Wobei an manchen davon durchaus etwas dran ist, das man diskutieren könnte, z.B. da, wo für Alleinerziehende, Kinder und Jugendliche eine ökonomische Absicherung gewährleistet werden soll, oder da, wo der bürokratische Apparat eine Einschränkung erfährt. Nicht zu übersehen aber ist, daß damit verbunden auch die Forde­rung nach einem Einkommen entkoppelt von der Arbeit erhoben wird, eine Forderung, die als ein individueller Rechtsanspruch eingeführt werden soll. Das aber ist der Kern der Sache und ist nicht zu akzeptieren. Das hat einen gänzlich anderen Charakter als die Interessen und Vorstellungen der Masse der Menschen, die vom Sozialkahlschlag betroffen sind, die sich dagegen wehren wollen und die dage­gen protestiert haben. Das trägt Zersetzung und Spaltung in die jetzige soziale Bewegung.

 

Diese Forderungen knüpfen durchaus erst einmal an einem berechtigten Anliegen an, nämlich ange­sichts der die  Existenz von vielen Menschen bedrohenden ökonomischen Verwerfungen, die hier betrieben werden, nicht in völlige Mittellosigkeit und Armut zu fallen und dann auch noch um so mehr staatlicher Willkür ausgesetzt zu sein.

Und es ist auch so, daß man in Anbetracht der hohen Entwicklung der Produktivkräfte feststellen kann, daß von daher eine Grundsicherung durchaus gewährleistet werden kann, so daß hier wirklich niemand in Armut und Mittellosigkeit leben muß. Ebenso selbstverständlich ist es auch, daß man dafür eintreten muß, daß Menschen, die ihre Arbeit verlieren, oder Jugendliche, Schüler, Studenten, die erst gar keine bekommen, daß alte oder kranke Menschen, Alleinerziehende nicht in die Armut fallen. Daß dafür Gelder und Mittel, sei es Arbeitslosenhilfe, Sozialhilfe oder wie auch immer genannt, entspre­chend hoch gewährt werden müssen, in einer Höhe sogar, daß sich auch wieder Entwicklungsmög­lichkeiten für diese Menschen bieten.

 

Aber bei diesen Forderungen geht es bestimmten Kräften um etwas anderes, da geht es vor allem immer wieder darum, daß Einkommen grundsätzlich „entkoppelt “ von der Arbeit garantiert werden soll. „Das Existenzgeld bedeutet eine Entkoppelung von Erwerbsarbeit und Einkommen“ so bringt Wolfram Otto, einer der Verfasser von Existenzgeld für alle“, das Konzept der BAG-SHI, es auf den Punkt.

Hier soll also auch jemand, der, obwohl er könnte, nicht zu arbeiten brauchen, wenn er nicht will, trotz­dem auf alle Fälle ein Einkommen erhalten. Hier soll angeblich jeder einen Rechtsanspruch auf Grundeinkommen gegenüber der Gesellschaft haben, der Gesellschaft gegenüber aber bezüglich Arbeit zu nichts verpflichtet sein.

 

Und der „Runder Tisch der Erwerbslosen- und Sozialhilfeorganisationen“, der sich auf die Existenz­geldforderung bezieht, gibt auch ein anschauliches Beispiel dafür, wenn er in seiner Presseerklärung vom 18.Mai 04  ein “Bedingungsloses Grundeinkommen für alle“ fordert und erklärt:

 

„Das Grundeinkommen für alle ist ein individueller Rechtsanspruch auf eine bedarfsunabhän­gige, ausreichende materielle Absicherung. Es ist unabhängig von einer Verfügbarkeit zum Arbeitsmarkt und wird ohne Bedürftigkeitsprüfung gewährt. Das Grundeinkommen reformiert die Sozialsysteme. Es ist allen bedingungslos zu gewähren, damit jede/r BürgerIn als solche/r grundsätzlich anerkannt wird, ihr/sein Leben und ihre/seine Autonomie geschützt ist. Ein Grundeinkommen für alle ist ein Menschenrecht. Sämtliche Einkommen über dem Grundeinkom­men werden besteuert. Ein Grundeinkommen für alle ist finanzierbar, wie exempla­risch das Existenzgeld der BAG der Sozialhilfeinitiativen zeigt“ [2]

 

 

Ein weiteres, selbstredendes,  Beispiel, aus der Zeitschrift „ak“ – eine Zeitschrift, die diesen Forderun­gen selbst positiv gegenüber steht. Sie schreibt über eine Kundgebung in Köln am 3.4., die neben der DGB Kundgebung stattfand:

 

„Die DGB Forderung nach „Arbeit für alle“ klingt wie eine Drohung – eine Drohung mit Arbeit, so Rainer Solms von der AG Besser Leben. Ebenso falsch finden es die UnterstützerIn­nen der Aktion „Weitergehen!“, den guten alten Sozialstaat zurückzufordern.

„Wir sollten nicht nach Arbeit betteln, sondern unser Recht auf Einkommen und Teilhabe ein­klagen und den Zwang zur Arbeit zurückweisen.““

“Wenn wir eine soziale Sprengkraft entwickeln wollen, müssen wir nicht nur den sozialen Frie­den aufkündigen, sondern auch gesellschaftliche Perspektiven entwickeln, die über den vergan­genen Sozialstaat und über die Abwehr des sozialen Angriffs hinausgehen. Die Forderung nach einem garantierten Einkommen, auf das jeder voraussetzungslos ein Recht hat, das man sich nicht erst erarbeiten oder verdienen muß, das völlig entkoppelt ist vom Zwang zur Arbeit – ein solches Existenzgeld könnte der Ansatz sein“, so ein Beitrag auf der alternativen Abschluss­kundgebung.„ [3]

 

Das Verhältnis, das hier zur Gesellschaft definiert und propagiert wird, ist tatsächlich ein parasitäres Verhältnis, wo auf der einen Seite der Gesellschaft abgefordert wird unterhalten zu werden, ohne andererseits verpflichtet zu sein, selbst einen entsprechenden Beitrag nach den eigenen Möglichkeiten für die Gesellschaft zu leisten. Und das steht eben auch in Widerspruch zu der Masse der Menschen, die an den Protesten gegen den Sozialkahlschlag teilgenommen haben oder davon betroffen sind, überhaupt steht es  im Widerspruch zu jeder modernen sich entwickelnden Gesellschaft auf der Welt. Das ist etwas, was sich auch durch die hier herrschenden kapitalistischen Verhältnisse nicht rechtferti­gen lässt. Wobei sie den Kapitalismus eh nicht abschaffen wollen, von dieser Notwendigkeit sprechen sie nicht, sondern sie wollen sich geradezu darin einrichten: „Die Existenzgeldvision stellt die Grundsicherung – als Basis eines Lebensentwurfs im Kapi­talismus – wieder auf die Füße.“ [4] Und für sie ist das der Weg zum „Wohlfahrtsstaat“: „Auf dem Weg in einen echten Wohlfahrtsstaat, in dem das Kapital dem Menschen dient und nicht umgekehrt“.  [5]

 

Tatsächlich hat es keinen Sinn, beim Kapital um Arbeit zu betteln und sich diesen Verhältnissen zu unterwerfen. Und der sog. Sozialstaat war immer auch schon einer, der auf den Verhältnissen internationaler Ausbeutung beruht. Dieses mit einer pro­letarischen politischen Ausrichtung zu bekämpfen, zu überwinden und letztlich zu beseitigen ist das, worauf es ankommt und worin die gesellschaftliche Perspektive liegt. Denn die Masse der Menschen kann sich der kapitalistischen Lohnarbeit, die auch international immer weiter zunimmt, überhaupt nicht entziehen, solange sie nicht selbst diese Verhältnisse im Kampf gegen die Diktatur der Bour­geoisie, die sie immer wieder in diese Lohnarbeit zwingt, im proletarischen Sinne ändert. Genau das aber leh­nen diese Leute ab, tun so, als gäbe es die Diktatur der Bourgeoisie nicht, als könnte man einfach diesen „Zwang zur Arbeit zurückweisen“ und bei der herrschenden Bourgeoisie ein angebliches „Recht auf Einkommen und Teilhabe“ einklagen. Das sind lächerliche losgelöste Vorstellungen, die die Realität der kapitalistischen Verhältnisse, die jetzt weltweit herrschen, ausblenden.

Welche Rechte die herrschende Bourgeoisie der Masse der Arbeitslosen und Sozialhilfeempfänger, die man schon mal vom Produktions- und Arbeitsprozeß ausgeschlossen hat, hier noch lassen will, kann man ja beim Sozialkahlschlag an den Hartz-Gesetzen sehen.

 

Arbeit wird von diesen Vertretern der Existenzgeldforderung immer erst einmal im Zusammenhang mit Zwang gesehen oder sogar als Bedrohung, wie das vorher schon zitiert wurde: „Die DGB- Forde­rung nach ‚Arbeit für alle’ klingt wie eine Drohung – eine Drohung mit Arbeit, so Rainer Solms von der AG Besser Leben.“ Arbeit für sich weisen sie deshalb zurück. Und andererseits scheren sie sich aber ein Dreck darum, daß unter den jetzigen herrschenden kapitalistischen Verhältnissen natürlich die Freistellung vom „Zwang zur Arbeit“, die sie hier fordern, gleichzeitig für die Masse der Lohnabhän­gigen in der Dritten Welt verstärktes Schuften bedeutet. Oder wie bringt heute der Kapitalismus nach Meinung dieser Leute die Mittel auf, wenn nicht durch vermehrte, vor allem internationale Ausbeu­tung?

Die  heutigen weltweiten kapitalistisch-imperialistischen Verhältnisse werden ja von ihnen nicht grundsätzlich angegriffen, sondern erklärtermaßen wird mit dem „Existenzgeld“ nur das System der Verteilung des Reichtum in der Bundesrepublik und West-Europa in Frage gestellt. „Bekämen wir alle, nicht nur die Armen, Existenzgeld, wäre in der Tat für die Bundesrepublik und Europa die Mög­lichkeit gegeben, Armut langfristig und bedarfsdeckend zu beseitigen.“… „Es ist ein Beitrag zur Her­stellung eines europäischen Sozialstaates.“ [6] Und an anderer Stelle heißt es: „Die Lebensbedingungen in anderen Ländern verändern sich hingegen durch das Existenzgeld überhaupt nicht“ …“Osteuropäische, asiatische, afrikanische, lateinamerikanische Länder hingegen werden von die­sem sehr europäischen Konzept zunächst überhaupt nicht berührt.“ [7] Nicht berührt ist gut, gerade diese Länder würden das bezahlen müssen.

Der hiesige Reichtum, den auch mancher Kleinbürger oder verbürgerlichte Arbeiter in der gegenwär­tigen sozialen Bewegung ‚von oben nach unten’ umzuverteilen fordert, ist eben nicht gerade wenig auch Pro­dukt aus der Arbeit von KollegInnen in Stadt und Land aus den  sog. Billiglohnlän­dern, Ländern der Dritten Welt und deren Naturschätze, stammt aus deren Ausbeutung. Das blenden sie alle gerne aus und an diese Frage wollen sie nicht ran. Und da bedeutet die Forderung, wie sie von der BAG-SHI formuliert wird: „Ein Existenzgeld, das die Teilhabe am gesell­schaftlichen Reichtum sichert…- ohne Unterhaltspflicht, ohne Bedürftigkeitsprüfung, ohne Arbeits­zwang“ [8], eben auch immer ganz klar Teilhabe an den Profiten, die das Kapital durch Ausbeutung, z.B. aus der weltweiten Lohnarbeit, erzielt.

Einen Anteil an der internationalen Ausbeutung vom Kapital einzufordern, das ist es, worauf das mit diesem Existenzgeld letztlich hinausläuft. Das sollte klar gesehen werden.

 

 

„Existenzgeld für Alle“ oder auch “Bedingungsloses Grundeinkommen für alle“, solche illusorischen Vorstellungen, sich im Kapitalismus einrichten zu können,  sind auch Ausdruck von einer Deklassiert­heit, die der Kapitalismus hier teilweise mittels seiner Extraprofite aus der welt­weiten Ausbeutung erzeugt hat. Ein ureigenstes Produkt des sog. Sozialstaates und der Sozialpartner­schaft sozusagen. Während seit Jahrzehnten ökonomische Verwerfung unter ökologistischem Vorzei­chen betrieben wurde und dadurch Massenarbeitslosigkeit erzeugt wurde, wurden deren Auswirkun­gen erst mal „sozial abgefedert“ und „eingefroren“, um den sozialen Frieden für die Bourgeoisie zu erhalten. Eine Entwicklung der Arbeiterklasse wurde verhindert, ihre Zersetzung und Reduzierung betrieben.  Dies kann die Bourgeoisie hier auf Grund der ganzen internationalen Entwicklung kaum mehr länger so halten und präsentiert nun den Massen, mit Sozialkahlschlag und sozialer Entrechtung, die Rechnung ihrer eigenen bankrotten Politik.

 

Einigen Kräfte in der jetzigen sozialen Bewegung, die sich auch dagegen richten, geht es aber anscheinend mehr um Privilegien. So wie man sich gegen den Sozialkahlschlag wehren muß, wie man der weltweiten Ausbeutung überhaupt entgegentreten muß, muß man auch dagegen Stellung beziehen, sonst würde man der Sache ja einen Bärendienst erweisen.

 

 

Auch katholische Theologen propagieren das Einkommen von der Arbeit abzukoppeln – eine der Quellen der Existenzgeldforderung

 

In ihrer Broschüre „Existenzgeld für alle – Antworten auf die Krise des Sozialen“, aus der hier zitiert wird, stellt die BAG-SHI ihrem Existenzgeld-Konzept  den längeren, ausführlichen  Beitrag „Grund­einkommen ohne Arbeit – Auf dem Weg zu einer kommunikativen Gesellschaft“ des Jesuiten Herwig Büchele aus Österreich  voran. Damit unterstreicht die BAG-SHI deutlich, worauf sie ihr Konzept auf­baut. Büchele war Mitarbeiter an der Katholischen Sozialakademie Österreichs sowie bis 1999 Dekan an der Theologischen Fakultät der Universität Innsbruck, heute beim  Institut für Systematische Theologie, Fachgebiet: Moraltheologie und Gesellschaftslehre“. Auch aktuell  gehört die Katholische Sozialakademie Österreichs zu den eifrigsten Propagandisten eines Grundeinkommen ohne Arbeit (siehe z.B.: http://www.grundeinkommen.at/)

Unterstrichen wird die grundsätzliche Bedeutung, die die Schrift für die BAG-SHI einnimmt, dann auch im Editorial: 

In ‚Grundeinkommen ohne Arbeit – Auf dem Weg zu einer kommunikativen Gesellschaft’ geht Herwig Büchele SJ grundsätzlich auf die Notwendigkeit einer finanziellen Grundsicherung ein und begründet dies anschaulich aufgrund ethischer und gesellschaftlicher Entwicklungen. Der Beitrag ist hoch aktuell, obwohl er auf einem Mitte der achtziger Jahre erschienenen Band basiert. Büchele liefert Argumente gegen die immer wieder auftauchenden Ängste und Vorur­teile in der Diskussion um eine Grundsicherung: ‚Soll das Nichtstun gefördert werden?’, ‚Wo bleibt die Gegenleistung?’, ‚Soll Ungleichheit zur Normalität werden?’ etc.“

 

Den ganzen Artikel „Grundeinkommen ohne Arbeit“ müßte man an anderer Stelle behandeln, hier würde es den Rahmen sprengen. Die wesentlichsten Argumentationen, mit denen heute die Existenz­geldforderung vorgetragen und begründet werden, sind jedenfalls darin bereits vorgegeben.

Sicher auch nicht zufällig trägt die Broschüre der BAG-SHI den Untertitel „… – Antworten auf die Krise des Sozialen“, denn das sieht man an der Schrift von Büchele, es geht bei dem „Grundeinkom­men ohne Arbeit“ um einen weiteren Versuch, die „Krise“ in die der Kapitalismus mit der Entwicklung der Produktivkräfte kommt, da sie permanent auf seine Überwindung und Abschaffung drängen, in seinem Sinne zu bewältigen.  „Den ökosozialen Umbau beginnen: Grundeinkommen“, ist z.B. eine weitere Schrift von  Büchele und Lieselotte Wohlgenannt, 1990 erschienen.

 

Hier einige Auszüge aus „Grundeinkommen ohne Arbeit ,“ um zu veranschaulichen, wie diese Kräfte meinen den Kapitalismus retten zu können.

 

„1. Warum ein Grundeinkommen ethisch gerechtfertigt sein kann“

      

„Die Einführung eines garantierten Mindesteinkommens für jeden Menschen, ohne Rücksicht darauf, ob oder nicht er etwas "tut", um es sich zu verdienen, versteht sich nicht von selbst. Ein­kommen in Anspruch zu nehmen, ohne "Gründe" dafür zu nennen, oder irgendwelche Symptome (Arbeitslosigkeit, Behinderung, Alkoholabhängigkeit usw.) vorweisen zu müssen, ist ohne Zweifel für die meisten unserer Zeitgenossen eine überraschende, wenn nicht sogar schockie­rende Vorstellung. Ein solcher Vorschlag wird auch in unseren Breiten (ähnlich wie in den USA besonders in den Jahren 1965-1973) zu einer leidenschaftlichen Kontroverse führen.“

...

„Wenn die durch den raschen technischen Fortschritt freigesetzte Arbeitskraft durch weiteres quantitatives Wachstum nicht mehr in den Arbeitsmarkt integriert werden kann, weil ein solches Wachstum an ökologische Grenzen und an Sättigungsgrenzen eines sinnvollen Konsums stößt, dann ist Dauerarbeitslosigkeit wachsender Schichten der Bevölkerung mit ihren katastrophalen psychischen und sozialen Folgen nur dann vermeidbar, wenn zweierlei geschieht: wenn die Arbeitszeit massiv gekürzt wird und durch die Einführung eines Grundeinkommens das Ein­kommen grundsätzlich von der Erwerbsarbeit abgekoppelt wird.

Einkommen wäre nicht mehr notwendig an eine Gegenleistung für Erwerbsarbeit beziehungs­weise an die nachgewiesene Bereitschaft zur Erwerbsarbeit gebunden. Eine solche materielle Grundsicherung wäre "ein ernsthafter Schritt in die Richtung einer wirksamen Entlastung der Angebots-Seite des Arbeitsmarktes. Es würde dann für alle Schichten und Gruppen der (poten­tiell) Erwerbstätigen - und nicht nur für (Haus-) Frauen - im Ernst wählbar, ob Beschäftigung gesucht oder auf eine Teilnahme an Erwerbsarbeit verzichtet wird: denn auch letztere Option bliebe dann materiell zumutbar"

Die Automatisierung schafft Arbeitslosigkeit. Die Einkommen gehen zurück, die Nachfrage sinkt. So beseitigt Rationalisierung auch die Käufer der Produkte. Die Nachfrage nach dieser Produktion kann daher nur durch eine Verteilung von Kaufkraft gewährleistet werden, die außerhalb des "klassischen Wirtschaftskreislaufes" - zum Beispiel eben auch durch ein Grund­einkommen - sich vollzieht. Durch ein Grundeinkommen ist eine Verstetigung der Konsum­nachfrage gegeben.

Wählt man diesen Weg nicht, dann entsteht unvermeidlich eine neue Klassengesellschaft, die durch die Spaltung in eine Reichtums- und eine Armutszone gekennzeichnet ist. Die Tendenz zu einer solchen Apartheid-Gesellschaft - auch in den Ländern des industriellen Nordens - zeichnet sich heute schon deutlich ab.“  [9]

 

Natürlich will weder die katholische Kirche noch Büchele als ihr ‚moderner’ Vertreter den Kapitalis­mus abschaffen, sondern retten.

 „Durch ein Grundeinkommen, …würde das Kapitalverhältnis als ein gesamtgesellschaftliches Herrschaftsverhältnis wenn auch nicht gebrochen, so doch aufgebrochen, entschärft wer­den:…“ [10] 

Retten  vor allem vor der Arbeiterklasse und dem Klassenkampf, der sich wieder entwickeln kann:

 „Eine ungerechte Einkommensverteilung- und Vermögensverteilung hat für die Gesellschaft zerstörerische Folgen: Sie führt zur Stärkung der Machtkonzentration, zu Klassenbildung, zu Verteilungskonflikten, zu Statushierarchien und nur bei bestimmten Schichten zur Steigerung der Leistungsbereitschaft.“ [11]

 

In diesen Zusammenhängen ist die Forderung nach Existenzgeld also auch zu sehen und hier hat sie eine Quelle. Wer in den Jahren 1965-1973 in den USA ähnliches bereits vorgeschlagen hat, wie Büchele anmerkt, dem wäre noch nachzugehen.

 

Klas Ber

28.05.04

 

 

 



[1] „Diese Befreiung von Armut wird durch eine radikale Umverteilung von oben nach unten erreicht“

in: Existenzgeld für alle – Antworten auf die Krise des Sozialen. Das Konzept der Bundesarbeitsgemeinschaft der Sozialhilfeinitiativen (BAG SHI), S.62

 „Die soziale Frage ist für uns die Frage nach dem gesellschaftlichen Reichtum und nach dessen Verteilung unter der Prämisse Abschaffung der Armut“.

in: Wolfram Otto: Existenzgeld für Alle – Das Konzept der BAG-SHI, eine Zusammenfassung der bisherigen Texte der Arbeitsgemeinschaft.

 

[2] Presseerklärung, “Bedingungsloses Grundeinkommen für alle“, vom 18. Mai 2004, „Runder Tisch der Erwerbslosen- und Sozialhilfeorganisationen“

 

[3] Aus: ak (analyse + kritik) 483 – 23. April 2004, „Weitergehen! In Köln läßt die Linke den DGB rechts abbiegen und läuft… weiter“, von Lutz Wehring

 

[4] Existenzgeld für alle – Antworten auf die Krise des Sozialen, Das Konzept der Bundesarbeitsgemeinschaft der Sozialhilfeinitiativen (BAG SHI), S.68

 

[5] Ebenda  S.69

 

[6] Wolfram Otto: Existenzgeld für Alle – Das Konzept der BAG-SHI, eine Zusammenfassung der bisherigen Texte der Arbeitsgemeinschaft.

 

[7] Existenzgeld für alle – Antworten auf die Krise des Sozialen, Das Konzept der Bundesarbeitsgemeinschaft der Sozialhilfeinitiativen (BAG SHI), S.71

 

[8] Ebenda  S.53

 

[9] Herwig Büchele, „Grundeinkommen ohne Arbeit- Auf dem Weg zu einer kommunikativen Gesellschaft“ in Existenzgeld für alle – Antworten auf die Krise des Sozialen, Das Konzept der Bundesarbeitsgemeinschaft der Sozialhilfeinitiativen (BAG SHI), S.15,16

 

[10] Ebenda  S.24

 

[11] Ebenda  S.43

 

 

 

 

www.neue-einheit.com


neue-einheit.com

 

 

 

 

Kampf gegen soziale Entrechtung: Wie weiter gehen ? 21.Mai 2004

Unsere Position zum Kampf gegen soziale Entrechtung (sog. Hartz-Politik)

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zur Frage des "Existenzgeld für alle" etc. siehe auch:

Die Verschlechterung des ursprünglichen Entwurfs  Zum Aufrufentwurf, der nach der Frankfurter Aktionskonferenz vom 13.12.03 vorgelegt wurde

Warum Harald Rein nicht Redner der Demo am 1.11. werden darf - Welche Vorstellungen vertritt H. Rein, und wie steht er wirklich zur Protestbewegung gegen die soziale Entrechtung? - Eine kurze Dokumentation


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ein massiver Angriff auf die Erwerbstätigen und Arbeitslosen