Internet Statement 2005-33

 

Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen

Diese Regierung ist nicht mehr zu ertragen!


Walter Grobe             

Jetzt ist sie in Nordrhein-Westfalen wieder ausgebrochen, die Hochsaison der sozialen Versprechungen. Überall stehen die Plakatwände mit den Bildern eines entschlossenen Kämpfers Steinbrück, der den wirtschaftlichen Abstieg des Landes, die Bildungsmisere, die Bürokratie, die Angst um die Arbeitsplätze zu stoppen verspricht.

Und noch nie war das alles so hohl wie in diesem Mai 2005.

Es ist ein gutes Zeichen, daß Müntefering und Steinbrück bei den Maikundgebungen in Gelsenkirchen und Duisburg von vielen Teilnehmern als Heuchler zurückgewiesen wurden.

Ausgerechnet die Parteien, die als SPD-Grünen-Bundesregierung im Dienste des großen Kapitals die sozialen Absicherungen schleifen, wie es noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik geschehen ist, versuchen in NRW sich mit allen Mitteln betrügerischer Propaganda als das soziale Gewissen zu präsentieren.

Die Parteien, unter denen die Arbeitsplätzeverlagerungen ins Ausland, die Liquidationen der Betriebe, die Job-Unsicherheit beängstigende Ausmaße angenommen haben, spielen die Kritiker des Kapitalismus, den sie in Wirklichkeit genau in diesen Tendenzen fördern, und zwar mit ihrem Wissen und Willen.

Es sind jetzt 10 Jahre, seit die SPD und die Grünen in Düsseldorf regieren, und in den zehn Jahren haben sie dieses Bundesland wirtschaftlich noch viel weiter heruntergewirtschaftet. Im Vergleich mit heute könnte die Lage von 1995 noch fast als gesund erscheinen, obwohl auch damals schon längst klar sein mußte, wohin die Reise geht.

Steinbrück spricht von der Garantie des gebührenfreien Erststudiums und den Ganztagsschulen. Er spricht nicht davon, daß seine Regierung keinen einzigen Cent dafür hat. Schon längst wird alles, worauf die Bevölkerung Anspruch hat, Kinderbetreuung wie Schulen und Universitäten, Straßen wie Kultureinrichtungen, Polizei, Gerichte usf. nur noch auf Pump finanziert. Jedes Jahr werden 3 oder 4 oder 5 Milliarden neue Schulden auf den Berg der momentan 100-110 Milliarden Euro getürmt (offizielle Angabe, in Wirklichkeit sind die Schulden noch viel höher). Sonst würden noch mehr viel Schulstunden ausfallen, Seminare wegen Überfüllung zur Farce werden und den Menschen die Augen öffnen. Bei einer solchen Wirtschaftspolitik, wie sie diese Parteien besonders kraß verantworten, war der öffentliche Bankrott unvermeidlich, und er kann sich nur noch weiter beschleunigen, wenn sie nicht gestürzt werden.

Das ganze Ausmaß der NRW- Finanzkatastrophe muß man sich einmal konkret klarmachen:

Im laufenden Haushaltsjahr veranschlagt die Landesregierung 47,3 Mrd Euro an Ausgaben. Das Bildungswesen, die öffentliche Sicherheit, die Infrastruktur sind mit derartigen Staatshaushalten längst chronisch unterfinanziert, jedoch reichen die Einnahmen selbst für diese Mangelfinanzierung bei weitem nicht mehr aus. Es fehlen schon wieder ca. 4 Mrd. Euro in 2005, nach dem eigenem Haushaltsplan dieser Regierung. Um diesen Betrag will sie die Verschuldung weiter steigern. Aber diese hat schon längst unvorstellbare Ausmaße erreicht! Man glaubt es nicht, aber von den 18,2 Millarden Euro, die der Regierung in diesem Jahr aus alten und neuen Krediten zur Verfügung stehen, muß sie allein 14,3 Milliarden für Zinsen und Tilgungen der bisherigen Kredite ausgeben. Wegen der dauernden Neuverschuldung werden es im nächsten Jahr bereits ca. 14,8 Milliarden, in 2007 15,4, in 2008 rund 16 Milliarden allein für den Schuldendienst sein. Das ergibt die einfache Hochrechnung der bisherigen Entwicklung. Es werden Schuldenberge aufgehäuft mit dem einzigen Ergebnis, daß noch größere Schuldenberge aufgehäuft werden und der Bevölkerung die Pleite vielleicht noch eine kleine weitere Zeitspanne verschleiert wird.

Sollten SPD und Grüne auch noch in der Regierung bestätigt werden, dann werden sie ihre Politik noch weiter fortsetzen und umso mehr Lasten der Bevölkerung aufbürden. Das erste, was dann gestrichen wird, werden die heutigen Versprechungen wie gebührenfreies Studium sein; Schulen, Hochschulen und Kinderbetreuungseinrichtungen werden noch weit weniger Geld als bisher erhalten, die Löcher in den Straßen werden osteuropäische Ausmaße annehmen - und bei alledem steigen die Staatschulden auch noch unaufhaltsam weiter! Diese Leute sind völlig am Ende.

Wenn es für Bildung und Infrastruktur überhaupt wieder Chancen in diesem Land geben soll, dann ist die allerwichtigste Vorbedingung, daß die Bevölkerung bei der Wahl deutlich macht: diese Regierung bekommt endlich die Quittung, und für alle Nachfolger, die nicht spürbar gegensteuern, gilt dasselbe.

Daß es soweit gekommen ist, ist diesen Parteien keineswegs nur durch äußere Mächte aufgezwungen worden. Jahr um Jahr hört man bis zum geistigen Abschalten ihre Entschuldigungen: die Lasten des Strukturwandels im Ruhrgebiet, die Kosten der deutschen Einheit, die Globalisierung und wer weiß was noch – alles, um davon abzulenken, daß sie selbst ein erhebliches Maß an aktiver Mitverantwortung am Abstieg tragen. Sie selbst betreiben einen ganz eigene Art von Strukturwandel, ihre Politik ist für die zunehmende Vernichtung industrieller Arbeitsplätze in NRW sogar an entscheidender Stelle mitverantwortlich. Dies müßte in der öffentlichen Diskussion unserer Meinung nach ins Zentrum rücken.

Deutlich wurde in diesem Zusammenhang die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Düsseldorfer Landtag, Sylvia Löhrmann, als Ende 2002 die Verlagerung der Aluminiumindustrie ins Ausland wegen der rot-grünen Regierungspolitik der ständigen Strompreiserhöhungen drohte. Es kam zu gewerkschaftlichen Protesten. Sie versuchte mit dem Bekenntnis zu einem deutschen „Sonderweg" zu kontern, die Arbeitsplatzverluste müßten eben sein, und sie wollte auch nicht einmal darauf hören, daß die Aluminiumindustrie, nach Osteuropa verlagert, dort die Umwelt auch eher weniger schont als hier. Dieser gehässige Geist gegenüber den Arbeitern und überhaupt allen produktiven Kräften ist in einem Jahrzehnt rot-grüner Koalition tief in den bürokratischen Apparat des Landes und der Kommunen eingedrungen und wirkt sich allenthalben konkret in den täglichen Entscheidungen aus.

Erinnern wir uns auch, wie Schröder in der Anfangsphase seiner Regierung eine unmögliche Politik der radikalen weiteren Verwandlung Deutschlands in eine „Dienstleistungsgesellschaft" verkündete. In Wirklichkeit muß natürlich bei weiterer Entindustrialisierung des Landes der Dienstleistungssektor ebenfalls den Bach herunter gehen. Wenn die Industrie sich an anderen Stellen des Globus modern entwickelt, werden ihr auch die wesentlichen modernen Dienstleistungen nachfolgen und ebenfalls von hier verschwinden - das hat sich ja schon längst auch in der Praxis gezeigt. Spüren das etwa die High-tech-Zentren in NRW nicht, die bislang immerhin einen gewissen Ansatz für neue Arbeitsplätze im Lande geboten haben?

Schröder, Löhrmann und ihre Parteien – sie betreiben eine Politik, wie sie massiver gegen die elementaren Existenzbedingungen vor allem der arbeitenden Teile der Bevölkerung hier kaum gerichtet werden könnte. Diese sog. rot-grüne Politik stellt sich ganz in den Dienst desjenigen großen Kapitals, das mit den Gewinnen, die es zu erheblichen Teilen aus der Arbeiterklasse dieses Landes gezogen hat, sich zu internationalen Investitionen aufmacht, während es den meisten Arbeitern und anderen Werktätigen im Lande im Grunde erklärt, eure Zeit ist vorbei, wir bekommen die Arbeitskraft anderswo für ein Zehntel, und wir werden weder für akzeptable Löhne noch Sozialleistungen in Zukunft weiter aufkommen. Speziell die Grüne Partei versucht, eine ökologisch einwandfreie Idylle für betuchte Besitzer und Staatsdiener als die angeblich positive Kehrseite einer solchen kapitalistischen Verwerfung der großen Masse auszumalen und dafür die entsprechende, im Grunde sozial völlig verkommene Klientel beisammenzuhalten.

Ein Teil der Katastrophe, in die all dies unweigerlich führt, wird gerade in der mittlerweile schon beklemmenden Entwicklung NRWs sichtbar. Es darf nicht noch einmal geschehen, daß die am meisten beteiligten Parteien das alles ungestraft mit einer Flut von ungedeckten sozialen und kulturellen Versprechungen beschönigen und damit auch noch beschleunigen. Eine Re-Industrialisierung als Basis allgemeiner ökonomischer Belebung muß gegen diese Richtung durchgesetzt werden.

SPD und Grüne kommen immer wieder mit der Behauptung, Deutschland sei ja doch „Exportweltmeister", also könne es mit ihrer Wirtschaftspolitik nicht so schlimm bestellt sein. Abgesehen von der Problematik solcher Ansichten überhaupt ist gerade NRW ein Beispiel, daß sie mit ihrer Politik auch die Exportleistungsfähigkeit Deutschlands ruinieren, denn dieses bei weitem größte Bundesland, noch in den siebziger Jahren eines der wichtigsten industriellen Zentren Europas, exportiert heute deutlich weniger als es importiert!

Die CDU ist politisch sehr schwach demgegenüber - wenn sie überhaupt dagegen anzugehen versucht. Teilweise steckt sie sogar mit unter derselben Decke, z.B. in Person nicht unwichtiger Vertreter wie Biedenkopf, Geißler, im Grunde auch Merkel. Noch das Beste, was man über die CDU-NRW heute sagen kann, lautet, daß sie nicht die SPD ist. Diejenigen Kapitalisten mit Eigeninteresse daran, die Standorte in NRW und Deutschland zu halten und wieder auszubauen, sowie die Belegschaften, gewerkschaftlichen Organisationen und Betriebsräte, die in diesem Sinne kämpfen, sind im CDU-Programm nur undeutlich spürbar. Unsere Organisation, die grundsätzlich den unversöhnlichen Gegensatz der Arbeiterbewegung gegenüber dem Kapitalismus und solchen kapitalistischen Parteien wie CDU und SPD gleichermaßen vertritt, sieht es in der gegenwärtigen Lage als vorrangig im Interesse der großen Mehrheit, daß derartige Kräfte sich im Kampf um die nächste Regierung durchsetzen.

Das derzeitige CDU-Wahlprogramm NRW malt eher ein Barbieland aus, als daß es konkrete Kritik und Alternativvorschläge an den wirklich entscheidenden Punkten bringt. Die 4.000 zusätzlichen Lehrer, die durch Umwandlung von ministerialbürokratischen Stellen möglich gemacht werden sollen, sind zwar ein richtiger Schritt, aber auch nur ein kleiner. Die Forderung nach Wiederbelebung von Industrie und modernen Dienstleistungen, damit wieder mehr Menschen Arbeitsplätze bekommen, wird zwar in allgemeiner Form erhoben, aber wie? Da sieht man bei der CDU viel Ausweichen. Flughäfen, Wasserstofftechnik, Ausweitung des Medizinsektors, mehr hauswirtschaftliche Jobs – das sind keine zureichenden Antworten.

Die Forderung nach Studiengebühren wird der CDU von der Masse der Studenten mit breiter gesellschaftlicher Unterstützung ausgetrieben werden müssen, aber dasselbe gilt für die SPD, die ebenfalls Studiengebühren erheben wird, sollte sie in der Regierung bleiben.

Daß jetzt die Abfuhr für die SPD und die Grünen erfolgen muß, das ist die unvermeidliche Grundbedingung, damit es überhaupt besser werden kann, im Interesse der arbeitenden und lernenden Mehrheit und ihres Nachwuchses, Die Wähler würden über sich selbst den Stab brechen, wenn sie die jetzige Regierung noch einmal bestätigen würden. Und unter dem Druck solch einer Abfuhr stehen dann auch die Kräfte, die die nächste Landesregierung bilden würden.

Mit Sicherheit wird es besser, wenn mehr Menschen die notwendige Absage an diese Politik klar ausdrücken und sich im täglichen Kampf um den Erhalt und die Wiederbelebung von Industrie, ihren Arbeitsplätzen, um Möglichkeiten für Nachwuchs und Bildung, um die wissenschaftliche und technologische Spitzenleistungsfähigkeit NRWs, Deutschlands und Europas engagieren.

03.05.2005

www.neue-einheit.com