Internet Statement 2006-102

 

Aktuelle Korruptionsaffären –  und was unternimmt die IG Metall? 

Warum läuft in der IG Metall keine eigene selbständige Untersuchung über die
Verwicklungen in aktuellen Korruptionsaffären?

 

Klas Ber 13./14.12.06          

Es gibt etliche sehr große Fälle von Korruption, die an die Öffentlichkeit gelangt sind, die dort auch zur Zeit breit behandelt werden und die ebenfalls gerichtlich verfolgt werden. Um nur einige zu nennen, da war das Mannesmann-Verfahren, der Fall, Esser, Ackermann, Zwickel u.a.; da ist Siemens; da sind etliche Firmen der Automobilwirtschaft wie VW, Audi, BMW und deren Zulieferer Faurecia. Eine der herausragenden Korruptionsaffären ist wohl die bei VW.

Man kann durchaus von einem ganzen Sumpf sprechen, der sich da zeigt. Und immer wieder sieht man, wie auch führende Leute aus der IG Metall mit dabei sind, selbst tief mit drin stecken.

 

Im Fall, Esser, Ackermann war es Klaus Zwickel, der ehemalige Vorsitzende der IG Metall, der zur Zeit der Übernahme durch Vodafone im Aufsichtsrat von Mannesmann saß und an den Beschlüssen über die horrenden sog. Abfindungen von aber-zig Millionen teilnahm und nichts dagegen unternahm. Er tut auf unschuldig  und verteidigt sich damit, er habe sich ja der Stimme enthalten und sich somit genügend distanziert. Der Bundesgerichtshof aber hat schon im Dezember 2005, als er die Freisprüche des LG Düsseldorf aufhob, in seinem Urteil sogar hervorgehoben, daß Zwickel mit seiner Teilnahme per Stimmenthaltung erst dafür gesorgt hat, daß die Beschlüsse wirksam wurden. So heißt es im „BGH 3 StR 470/04 - Urteil vom 21. Dezember 2005“ : (http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/3/04/3-470-04.php)

 

„Der Angeklagte Zwickel nahm telefonisch an der Abstimmung teil. Er war mit der Bewilligung der Prämie einverstanden, enthielt sich aber der Stimme, weil er die Prämienzahlungen nicht als Angelegenheit der von ihm im Aufsichtsrat vertretenen Arbeitnehmer betrachtete.“

 

Und einen Absatz weiter.

 

„Der Angeklagte Zwickel wusste, dass die Beschlüsse nur mit seiner Teilnahme an den Abstimmungen zustande kommen würden, und wollte dies durch seine Stimmenthaltungen erreichen.“

 

Es ist davon auszugehen, daß Zwickel, als ehemaliger langjähriger IG Metall-Vorsitzender, genau weiß, wie die Voraussetzungen zur Beschlußfassung in solchen Gremien sind.

Auf der Internetseite des WDR ist außerdem festgehalten:

“Zwickel hat lange bestritten, von den Prämienzahlungen gewusst zu haben. Schließlich, so berichtet die FAZ, seien jedoch Aufsichtsratsprotokolle aufgetaucht, die die Unterschrift Zwickels unter den Regelungen zur Abfindung der Manager getragen haben sollen. Auch Zwickel ist der Untreue in besonders schwerem Fall bei allen sieben Zahlungen angeklagt.“

(http://www.wdr.de/themen/wirtschaft/wirtschaftsbranche/mannesmann_abfindungen/prozess/angeklagte.jhtml?rubrikenstyle=wirtschaft)

 

Erst am 28. August 2001 räumte Zwickel dann ein von den „Prämien“ gewußt zu haben.

Bei der Neuaufnahme des Prozesses weist Zwickel, Ende Oktober diesen Jahres, dann ausdrücklich den Vorwurf zurück, Esser habe seine „Anerkennungsprämie“ zu Unrecht erhalten. Er kommt also raus, er verteidigt die Sache sogar.

Neben Zwickel saß ebenfalls auf der Anklagebank der damalige Konzernbetriebsratschef Jürgen Ladberg.

 

Hat man nun je dazu einen Aufschrei der IG Metall, eine geharnischte Stellungnahme, dazu gehört? Gibt es in der IG Metall vielleicht eine breite öffentliche Auseinandersetzung darüber? Schließlich saß Zwickel nicht als Privatmann, sondern als Vertreter der IG Metall im Aufsichtsrat und praktizierte die sog. „Mitbestimmung“.

Den einfachen Mitgliedern stinkt das gewaltig, das ist klar. Aber wo sind die Kräfte in der IG Metall die dagegen vorgehen?

Was sagt denn der jetzige Vorsitzende der IG Metall Jürgen Peters dazu?

In einem Interview mit der Frage konfrontiert: „Wie bewerten Sie die Aussage Ihres Vorgängers Klaus Zwickel beim aktuellen Mannesmann-Prozess, die Millionenabfindungen für den Ex-Vorstandschef Klaus Esser seien für "außergewöhnliche Leistungen" gerechtfertigt?“, antwortet Peters: „Es gehört sich nicht, dass ich die Aussagen meines Vorgängers kommentiere. Ganz generell gilt: Eine solche Honorierung wie die von Esser halte ich nirgendwo für gerechtfertigt. Keine Leistung eines einzelnen Menschen kann eine x-fache Vergütung eines normalen Arbeitnehmers rechtfertigen.“ (Spiegel v.  6.11.06)

 

Genau diese Antwort von Peters kennzeichnet eine doppelbödige Politik der IG Metall- Führung. Bei diesen Leute entlarvt es sich doch als Phrasen, wenn sie davon reden, daß die hohen und horrenden Zahlungen für Manager nicht gerechtfertigt sind, denn da wo der Spitzenfunktionär Zwickel mit diesen an einem Tisch sitzt, macht er gemeinsame Sache mit denen. Aber da gehört es sich dann natürlich für den Vorsitzenden der IG Metall nicht, das zu kommentieren, geschweige denn dagegen vorzugehen, weil es die selben bourgeoisen Kreisen sind, in denen diese Leute sich bewegen.

 

In zig Kampagnen führt die IG Metall die Argumentation im Munde, daß Manager, Vorstände usw. zu viel an „Vergütungen“ bekommen, daß sie sich zu viel selbst bedienen. Und dann zeigt sich an so einem Fall: Hier steckt der eigener Spitzenfunktionär in der Sache mit drin. Und dann schweigt der Rest dazu.

Mit diesem Sumpf muß aufgeräumt werden! Was hier notwendig und längst überfällig ist, ist eine Untersuchung in der Organisation selbst, ein Vorgehen gegen Korruption in den eigenen Reihen der IG Metall. Und das muß für alle Fälle gelten in denen IG Metall-Mitglieder für die Gewerkschaft tätig sind und dabei in solche Sachen verwickelt sind. Denn das ist nicht der einzige Fall.

Allerdings stellt sich die Frage, welche Kräfte das in dieser Organisation tun können. Die Mitglieder wären jedenfalls schlecht beraten, die Untersuchung dem Vorstand oder dem betroffenen Bezirk zu übertragen.

 

 

Ein weiterer ganzer Komplex ist der von VW.

Von dem, was da aufgeflogen ist - was hier gar nicht alles abgehandelt werden kann - und in was dort IG Metall Funktionäre verwickelt sind, muß man sich doch fragen: was läuft da eigentlich ab zwischen IG Metall und Kapital? Und vor allem müßte das von der Organisation selbst ebenfalls untersucht werden. Das hat gar nichts mit Vorverurteilung, Anschwärzung eines ganzen Betriebsrates oder „Generalverdacht“ zu tun. Das ist ein ganz normaler Vorgang, daß eine Organisation in solchen Fällen eine eigene Untersuchung durchführt. Nur für die IG Metall scheint dies etwas Fremdes zu sein, eine eigene selbständige Untersuchung gegen Korruption in den eigenen Reihen zu führen.

Und nur zu gerne nehmen ihre führenden Vertreter Angriffe auf die IG Metall aus den Medien, die natürlich bei solchen Fällen kommen, zum Anlaß, um schnell von dem Teil, der sie betrifft, abzulenken.

 

Wer will denn die Mitglieder für dumm verkaufen und uns erzählen, daß solches Verhalten von „Vorteilsnahme“, wie das offiziell genannt wird, daß das keine Auswirkungen auf die Politik der Gewerkschaft, auf die Auseinandersetzungen mit dem Kapital hat.

Im Fall um Klaus Volkert und anderen sind es Millionenbeträge, Reisen, Prostituiertenbesuche und sonst was alles, was raus kommt. Da wurden Leute offenbar mit Zuwendungen fett über Jahre vom Kapital ausgehalten. Und das berührt die Führung der IG Metall nicht?!

Da wird an der gewerkschaftlichen Mitgliederbasis doch ganz anders darüber geredet und klarer gesehen.

 

Solche Leute wie Klaus Volkert werden doch gerade deshalb so horrende begünstigt und geschmiert, weil sie über ihre IG Metall-Positionen starken Einfluß im Sinne des Kapitals nehmen können und nehmen. Das weiß jeder, nur die IG Metall-Führung lenkt ab und spricht von “persönlichen Verfehlungen“.

Wenn sich diese Leute selbst Co-Manager nennen und entsprechend von VW auch als Manager eingestuft werden, dazu die entsprechende Politik der Zusammenarbeit mit dem Kapital in der Gewerkschaft machen, z.B. an entscheidenden Punkte die Ausbreitung von Widerstand auf andere Betriebe verhindern, dann arbeiten sie im Sinne des Kapitals.

 

Der seit Jahrzehnten betriebene Abbau der Industrieproduktion in diesem Lande und die Verlagerung hat auch der IG Metall einen enormen Mitgliederverlust beschert und sie geschwächt. Es gibt aber von ihr keinerlei entsprechende Organisierung von Kämpfen dagegen. Im Gegenteil, es gibt sogar eine Propaganda in der IG Metall, daß dies gar nicht so von Bedeutung wäre. Und die Kämpfe von Belegschaften dagegen werden klein gehalten, auf den einzelnen Betrieb beschränkt und sogar in Zusammenarbeit mit dem Kapital und seinen Politikern abgebrochen, wenn sie, wie z.B. zuletzt bei Bosch-Siemens in Berlin, sich ausdehnen und mit anderen Belegschaften im Kampf zusammen schließen wollen.

Wenn man solche Verhältnisse zwischen IG Metall-Führung und Kapital sieht, dann sollte man verstehen, warum das so ist und sollte begreifen, daß es mit denen zusammen gar nicht gehen kann, daß man um eine selbständige Organisierung nicht herum kommt.

 

Nein, dieser Fall und die Sache bei VW lassen sich nicht unter “persönliche Verfehlungen“ abhandeln. Auch dieser Fall betrifft die IG Metall, insbesondere die Führung, und gehört vollständig aufgedeckt.

 

Klaus Volkert war als Mitglied im Vorstand der IG Metall nicht irgendwer. Er gehörte ebenfalls zur Gewerkschaftsführung und hatte natürlich, gerade auch wenn man seine anderen Positionen mitbetrachtet, Einfluß auf die Politik der Gewerkschaft.

Er war im Vorstand der IG Metall. Er stand seit 1990 an der Spitze des Gesamt- und Konzernbetriebsrats der Volkswagen AG und war Mitglied des VW Aufsichtsrates. Seit 1992 war er Präsident des Europäischen Volkswagen-Konzernbetriebsrats und seit 1999 Präsident des Volkswagen-Welt-Konzernbetriebsrats.

2002 erhielt er von der TU Braunschweig den Ehrendoktor der Staatswissenschaften  (Dr. rer. pol. h.c.). In der Laudatio wurden hervorgehoben seine „herausragenden Verdienste … insbesondere in der Weiterentwicklung von Partizipation und Mitbestimmung“. Er hatte außerdem das Verdienstkreuz am Bande des Niedersächsischen Verdienstordens und einen Bundesverdienstorden.

 

Korruption und Korrumpierung sind genau so Instrumente des Kapitals im Klassenkampf wie die Unterdrückung von Arbeitern und Angestellten. Und dagegen muß vorgegangen werden. Wenn nicht, ist das Begünstigung.

 

Bei der IG Metall-Führung fragt man sich allerdings: sind denn da gar keine Kräfte, die mehr als in entrüsteten Worten wirklich versuchen, die Fälle zu untersuchen, zu klären und dieser Korruption entgegen zu treten?

 

 

Im September 2005, nachdem die Sache mit dem VW Betriebsrat Klaus Volkert platzte, sprach der neue VW Betriebsratsvorsitzende Bernd Osterloh in Interviews davon:

"Ich stehe für Transparenz und schnelle Aufklärung". Es hieß sogar: „Die IG Metall hat in der VW-Affäre schnellstmögliche Aufklärung versprochen.“

 

Nun haben wir Dezember 2006, über ein Jahr ist vergangen. Und was ist dabei rausgekommen? Wurde denn überhaupt von der IG Metall selbst eine Untersuchung betrieben? Darüber ist nichts bekannt.

In einem Brief der IG Metall Wolfsburg vom Juli 2005 an ihre aufgebrachten Mitglieder heißt es nämlich nur, daß sie es begrüßt, daß der VW-Vorstand und Betriebsrat die KPMG (Anm.) als externen Gutachter beauftragt hat.

 

„Wir wollen aber, dass alles, was derzeit an Vorwürfen im Raum steht, schnellstens und lückenlos aufgeklärt wird - da darf nichts, aber auch gar nichts unter den Teppich gekehrt werden. Und es kann dabei keine Rücksicht auf Namen oder Ämter geben. Da sind wir uns mit dem Betriebsrat von Volkswagen völlig einig. Deshalb begrüßt es die IG Metall ausdrücklich, dass Vorstand und Betriebsrat von VW mit der KPMG einen externen, unabhängigen Gutachter mit der Untersuchung der Vorgänge beauftragt hat.

(Brief der Geschäftsführung der IG Metall Wolfsburg an die Mitglieder, v. Juli 2005)

 

Das sieht alles mehr nach pro forma aus - und hat die Wogen des Unmuts unter den Mitglieder versucht zu glätten - als nach einer wirklichen Aufklärung von Seiten der IG Metall.

 

Mittlerweile, so wurde berichtet, hat jetzt auch Klaus Volkert, nachdem er lange Zeit alle Schuld von sich gewiesen hat und nachdem er zuletzt wegen Verdunkelungsgefahr inhaftiert worden war, ein Geständnis abgelegt. Nach der Mitteilung des Landgerichts Braunschweig soll Volkert die ihm vorgeworfenen Taten nun weitgehend eingeräumt haben.

Peter Hartz, der ehemalige VW Personalvorstand und Leiter der Kommission wie auch Namensgeber für die berüchtigten Hartz-Gesetze - übrigens auch noch IG Metall-Mitglied - hatte schon im Oktober "strafrechtliche Verantwortlichkeit für Begünstigungen des ehemaligen Betriebsratsvorsitzenden" Klaus Volkert eingestanden.

 

Der Fall Klaus Volkert ist nur die Spitze eines Eisbergs. Auch das ganze System, das bei VW herrscht, muß weiter untersucht werden.

 

So laufen auch noch weitere Ermittlungsverfahren, ebenfalls wegen Verdachts der Beihilfe zur Untreue, gegen den ehemaligen Betriebsratsvize Bernd Sudholt, den VW-Betriebsrat Bernd Reich und den Audi-Betriebsratschef Xaver Meier.

Und schon im Januar 2005 war öffentlich geworden, daß der VW Konzern Angestellten, die in die Politik wechselten, seit 1990 das Gehalt weitergezahlt hat, ohne daß sie dafür arbeiten mußten. Das betraf IG  Metall-Betriebsräte. So den niedersächsischen SPD-Landtagsabgeordnete Günter Lenz, Vorsitzender des VW-Betriebsrates der Sparte Nutzfahrzeuge und seit 1999 Mitglied des VW-Aufsichtsrats  sowie Hans-Jürgen Uhl, SPD-Bundestagsabgeordneter, ebenfalls Betriebsrat bei VW. Auch gegen sie wird ermittelt.

 

 

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(Anm. KPMG ist eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft , Klynveld, Peat, Marwick und Goerdeler)




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