Internet Statement 2006-69

 

 

Unvergeßliche Kulturrevolution

 

Hartmut Dicke     

 

Vor 40 Jahren, im Mai 1966, begann in China die Große Proletarische Kulturrevolution, die ein Eckstein in der Entwicklung des gesamten 20. Jahrhunderts werden sollte. Ihr war schon eine zehnjährige Auseinandersetzung vorausgegangen, seitdem die KPdSU in ihrer Politik eine Reihe von grundlegenden Änderungen vorgenommen hatte und China unter Mao Zedong zunehmend eine unmißverständliche Kritik an der Sowjetunion und der KPdSU leistete. In der Tat ging auch dieser Periode schon eine längere Auseinandersetzung vorweg, die in den 30er Jahren bereits mit dem Langen Marsch [1] und der Behauptung der Selbständigkeit der KP Chinas gegenüber der KPdSU und der Vermeidung bestimmter Fehler, die ihr sonst durch die Komintern aufgezwungen worden wären, begann. Im Sommer des Jahres 1966 bis in den August hinein erlebte die Kulturrevolution ihre ersten Höhepunkte.

 

Viele der nachfolgenden Ereignisse im ausgehenden 20 Jahrhundert wurden  in der Kulturrevolution in China richtig vorhergesehen. Es wurde postuliert, daß die USA mit ihrem Hegemonieanspruch eine schwere Niederlage erleiden würden, was auch zeitweilig zutraf, und es wurde verfochten, daß, wenn die KPdSU ihre revisionistische Politik nicht aufgibt und grundlegende Wandlungen in der Sowjetunion herbeiführt, der Zusammenbruch dieses früher kommunistischen Landes unvermeidlich werden würde. Die kapitalistische und bürokratisch-kapitalistische Degeneration der Sowjetunion hat in den 60er Jahren bereits voll begonnen. Ungeschminkt und unmißverständlich wurde in der Kulturrevolution diesem Prozeß die Maske heruntergerissen, was zu einem weltweiten Echo der Kulturrevolution führte.

 

Das grundlegendste Moment aber war, die Kulturrevolution setzte sich zum Ziel, eine Degeneration und Neuherausbildung von Ausbeutern, die noch schamloser waren als das herkömmliche Kapital, in China zu verhindern. Man wußte: wenn diese in langer Auseinandersetzung  erarbeitete Linie der Kulturrevolution nicht zum Erfolg kommen sollte oder umgestürzt würde in einer Art Militärputsch, dann würde China den kapitalistischen Weg gehen, der selbst wiederum verschiedene Möglichkeiten in sich barg. Zum einen bestand die Möglichkeit  eines völligen Verfalls mit erneuter Abhängigkeit von den Großmächten, oder als andere Möglichkeit mußte man auch das Aufkommen eines neuen ehrgeizigen Kapitalismus aus China ins Auge fassen, den die chinesischen Bourgeoisie früher nicht aus eigener Kraft geschafft hatte. Es wurde also die Möglichkeit gesehen, China wird zu einer Großmacht werden, zu einer neuen Supermacht, die in Konkurrenz zu den damals bestehenden Supermächten [2] treten könnte und sogar an ihre Stelle treten könnte. Der chinesische Kapitalismus war früher nicht zur umfassenden selbständige Entwicklung fähig, für ihn war der Sozialismus auf einer gewissen Stufe ein Vehikel, dazu brauchten die kapitalistischen Kräfte allerdings im weiteren einen Umsturz der Gesellschaftsordnung, die Vernichtung aller wesentlichen sozialistischen Grundlagen und die Beseitigung der Diktatur des Proletariats. Dagegen verfolgte man in den Jahren vor  Ende 1976 ausdrücklich diese revolutionären Grundlagen, man sah der Gefahr eines Umsturzes ins Auge, die sich insbesondere seit 1956 gezeigt hatte. Man stellte ganz andere Ziele auf: China muß einen möglichst großen Beitrag zur menschlichen Geschichte leisten, einen Beitrag zur Revolution, zur Entwicklung der Produktivkräfte und der Wissenschaften, wie zur  gesellschaftlichen Entwicklung, aber China soll nicht danach streben eine Supermacht zu werden, so lauteten die Grundsätze damals. Die damals angenommene Gefahr, daß China auch zu einer Großmacht, die andere kommandiert, sich entwickeln könnte, ist heute Realität.

 

In der Kulturrevolution wurde versucht, die kommunistischen Grundsätze und Ziele durchzusetzen. Faßt man die Kulturrevolution in ihrer Essenz zusammen, dann ging sie darum, die Diktatur des Proletariats konkret zu verwirklichen und die sozialen Zielsetzungen des Kommunismus um fundamentale Schritte vor allem auch in den Köpfen der Menschen voranzubringen. Obwohl der politische Umstand einer Kulturrevolution, die in vielen Punkten recht behalten hat, besteht, wird sie dennoch von fast allen bürgerlichen Kräften auf der Welt in den schwärzesten Farben gemalt. Sie ist sozusagen das unsäglichste Ereignis, das es im 20. Jahrhundert überhaupt gegeben hat, folgt man der bürgerlichen Presse, folgt man der chinesischen Partei.  Sie redet von  „zehn schlimmen Jahren“, von 1966-1976 nämlich, und verdammte bisher die Kulturrevolution komplett.

Einer der Protagonisten der Kulturrevolution in den frühen Tagen, Dschang Tschun-tjiao [3], hielt offiziell für die KP Chinas im Jahre 1967 eine bedeutende Rede, in der er von einer die Welt erschütternden Bewegung der Roten Garden sprach, die  in der Kulturrevolution aufgestanden war. Diese Charakterisierung stimmte allerdings für die ganze Kulturrevolution, die China und die chinesische Revolution erstmalig in die ganze Welt ausstrahlen ließ. Ob Freund oder Gegner, es gab niemanden, der dies bestreiten konnte. Sie führte  in der ganzen Welt zu Anregungen, zur Bildung von kommunistischen Parteien und zur Übernahme von Prinzipien und Lehren der KP Chinas. [4]

Sie war ein politisches Weltbeben von größter Bedeutung. Und wenn sie heute von fast allen Kräften in den schwärzesten Farben gemalt wird, dann müssen wir daran erinnern, daß auch die Französische Revolution rund 30 bis 40 Jahre danach als ein politisch ungeheuerliches Ereignis dargestellt wurde, und dennoch haben sich ihre Prinzipien durchgesetzt. Nicht anders wird auch die Oktoberrevolution  als „Putsch“ bezeichnet und als schlimmstes Ereignis des 20. Jahrhunderts u.ä.,  und dennoch steht es außer Frage, daß trotz aller Mängel und Fehler hier dem Proletariat ein grundlegender Durchstoß gelungen ist.

 

II.

Die „Wende in der politischen Entwicklung“, von der heute meist die Rede ist, bezieht sich vermeintlich auf das Jahr 1989. Dort habe der Kapitalismus gesiegt, heißt es. Nun, ob dies wirklich ein Sieg ist, das wird sich noch zeigen. Tatsächlich aber begann dieser Umsturz im Jahre 1976, und vor allem nach dem Jahre 1979, also zehn Jahre zuvor. In den 80er Jahren legte China seine Arbeitskräfte für die Kapitalisten der ganzen Welt offen und es begann eine Industrialisierung Chinas, durch eine gewisse Verbindung von neuen chinesischen und alten westlichen Kapitalisten, die heute ihre entsprechenden Ergebnisse zeitigt. Auch wenn man die Kulturrevolution verdammte, so wurde doch die kapitalistische radikale Umgestaltung mit einem „kulturrevolutionären“ Elan betrieben. Mao Zedong hat diese Möglichkeit der Entwicklung gesehen, denn er verwies bei Deng Xiaoping darauf, daß dieser nicht nur ein Mensch mit revisionistischen Fehlern sei, sondern auch jemand mit großen umwälzenden Fähigkeiten. Wir alle sind davon betroffen, wir wissen, daß die heutigen weltweiten Produktionsverlagerungen ihren wichtigsten Stützpunkt in der neuen Industrialisierung Chinas auf dieser politischen Grundlage haben.

 

Die Kulturrevolution ist also Eckpunkt unserer Entwicklung, und nicht nur wir, sondern viele Organisationen in der ganzen Welt nahmen ihren Ausgangspunkt von diesem politischen Erdbeben, das Mitte der 60er Jahre politisch-seismologisch unübersehbar über die ganze Welt ging.

Es ist deshalb um so wichtiger, daß Charakter und Wesen der Kulturrevolution in der Öffentlichkeit richtiggestellt werden und sie objektiv behandelt wird.

 

Es ist die typische Methode der Verleumdung, daß man bei so einem Ereignis wie der Kulturrevolution, die damals 800-900 Millionen Menschen in China umfaßte und die größte je existierende Massenbewegung war,  Einzelheiten, Randepisoden und bestimmte Überspitzungen und Übertreibungen in den Mittelpunkt stellt, die wesentlichen umwälzenden Wirkungen bei den Menschen aber unter den Tisch kehrt. Da gab es kämpfende Rote-Garde-Verbände, die sich manchmal innerhalb der einzelnen Städte untereinander erbittert bekämpft haben, da gab es Chaos in bestimmten Städten, wie es das in jeder Revolution gibt, da gab es Leute, die Anschuldigungen vollkommen leichtfertig bestimmten Leuten entgegenschleuderten, Moderevoluzzertum, das sich einseitig hervortut. Da gab es schließlich einen völlig überbordenden Personenkult, der von bestimmten Kräften auch mit Hintergedanken [5] betrieben wurde, da gab es einen Putsch innerhalb dieser Kulturrevolution, der aber erbärmlich scheiterte, obwohl er höchste Kader in seinen Reihen vereint hatte.

Ein weiterer Vorwurf, der Vorurteile schüren soll, lautet, die Kulturrevolution habe die Kräfte der Intelligenz verschleudert, indem diese aufs Land geschickt wurden und mit der bäuerlichen Arbeit Verbindung aufnehmen mußten. Dabei übersieht man, daß es durchaus ein wichtiger erzieherischer Effekt ist, wenn Intellektuelle mit der harten körperlichen Arbeit in Verbindung bleiben, und wissen, was sie bedeutet. Eine andere Sache aber ist es, wenn es eine Geringschätzung intensiver wissenschaftlicher Betätigung gibt, was es an einzelnen Punkten durchaus gegeben hat.

 

 

Schließlich muß man auch feststellen, während der Kulturrevolution selbst gab es weltweit nur wenige Kräfte, die die Kulturrevolution verurteilten, wie die revisionistische Sowjetunion, wie die Herrschaft des Tschiang Kai- Tschek hinter US-Kriegsschiffen auf dem kleinen Reststück von China, auf Taiwan, wohin er geflohen war, einige Kräfte in den USA und einige unverbesserliche ganz rechte Kräfte in den europäischen Ländern. In der Zeit damals anerkannten sehr viele, auch bürgerliche Kräfte, insbesondere solche, die in China zu Besuch waren, die außerordentliche Vitalität und Veränderung Chinas. Die Verwirklichung von kommunistischen Prinzipien auf Grundlage einer wirklichen Massenmobilisierung und Überzeugung der Massen zog in der ganzen Welt in Wirklichkeit die interessierten offenherzigen und fortschrittlichen Menschen an. Auch drückten sich alsbald, mitten in der zweiten Phase der Kulturrevolution, viele bürgerliche Politiker schon in Peking die Klinke in die Hand. Ganz falsch ist die Darstellung, daß China damals isoliert war. China erreichte die UNO-Mitgliedschaft  1971 mitten in der Kulturrevolution, schaffte es,  mitten in der Kulturrevolution, die Blockade der USA zu durchbrechen – Kissinger- und Nixon-Besuch 1971/72! Viele bürgerliche Politiker, darunter Helmut Kohl, Helmut Schmidt, dann vor allem Franz-Josef Strauß, waren durchaus bemüht, nach China zu kommen und mit der Führung der KP Chinas zu sprechen. Mitten in der Kulturrevolution hatte China gewaltiges Gewicht gewonnen und nicht, wie heute dargestellt wird, daß China um zehn Jahre zurückgeworfen worden sei. Auch die Entwicklung einer eigenständigen Industrie ging in der Kulturrevolution voran.

 

Die Kulturrevolution bestand aus mehreren Epochen, dem eigentlichen Beginn der Kulturrevolution von 1966-69, in der der Massenaufstand gegen revisionistische Autoritäten innerhalb der KPCh geführt wurde, aus Konsolidierungsphasen und der  Auseinandersetzung mit Lin Biao, der 1970-71 einen Putsch versuchte. Er hatte  zunächst eine gewisse vorantreibende Rolle gespielt, um dann sich auch als ein Anhänger ultrarechter Theorien unter ultralinken Phrasen zu erweisen. In der Kulturrevolution wurden in der fortgesetzten Phase von 1971- 76 bedeutende Kampagnen geführt, die das Denken in China verändert haben. Eine tiefgehende Kampagne zur Kritik an Konfuzius wurde in dieser Zeit eingeleitet, und sie begann die reaktionären Vorurteile, die in den Köpfen in China durch Jahrtausende alte Tradition gesessen haben, anzugreifen. Eine Kampagne zur Verbreitung des Marxismus gehört dazu, die gerade in den Jahren von 1974-76 deutlicher als je zuvor die Diktatur des Proletariats formulierte und die Erfahrungen zusammenfaßte. In der Schlußphase der Kulturrevolution von ca. Ende 1973 bis September 1976 kam es zu einer Auffächerung der verschiedenen Richtungen, zu einem Wuchern der Metaphysik, wie Mao Zedong es nannte. Es gelang keiner einzigen nachfolgenden Person oder auch Gruppe, den Klassenkampf im Lande wirklich mit den internationalen Aufgaben zu verbinden. Dies hat nicht zuletzt seine Ursache darin, daß China zu keiner wirklichen Verbindung mit internationalen sie unterstützenden Kräften kam. In allen Organen, die sich mit den internationalen  Verbindungen befaßten, sowohl der Partei wie des  Staatsapparats, hatte die gegnerische Linie starke Positionen. Auf der anderen Seite arbeitete  die Subversion gegen die neue marxistisch-leninistische Bewegung mit allen Mitteln daran, China mit faulen Kräften zu verbinden.

 

 Die Epoche von 1974-1976 bedarf einer eigenen, ausführlichen Betrachtung.

 

 

 

III.
Auch nach dem Tode Mao Zedongs sogar waren die Führer der KP Chinas wie Hua Guo-feng und sogar Deng Xiaoping gezwungen, zwei Jahre lang davon zu reden, daß sie die Kulturrevolution fortsetzen wollten, daß sie an den Prinzipien festhalten usw. und daß sie keineswegs die Absicht hätten, sie umzustürzen. In dieser Zeit aber waren sie bereits durchschaut. Formal liefen sie mit der Anerkennung  der Prinzipien herum, aber tatsächlich arbeiteten sie am kapitalistischen Umsturz oder duldeten ihn, der dann Ende 1978 und im Laufe des Frühjahres 1979 vollendet wurde.

 

Zog die Kulturrevolution von 1966 bis 1976 weltweit alle möglichen politisch interessierten Menschen an und regte zur Bildung revolutionärer marxistisch-leninistischer Parteien an, so kam es nach der Kulturrevolution zu einem äußerst scharfen Bruch.

Lange vorher waren diese Parteien von uns und von vielen anderen kritisiert worden, schon in der Phase der Entstehung und der Zuspitzung in der Zeit von 1970 bis 72 war an ihnen einiges klar geworden, daß es sich bei ihnen um doppelseitige Vereine handelte, die zahlreiche engagierte Menschen bei sich einbanden und auf der anderen Seite rechten und revisionistischen Kräften ein Einschlupftor ließen. Solange die VR China als revolutionärer Staat existiert hatte,  hatten sie ihr weitgehend nach dem Munde geredet,  jetzt kam es innerhalb kürzester Frist  zu einer 180-Grad-Drehung gegenüber dem vorher Vertretenen. [6]

Wer diese Leute genauer beobachtet hatte, konnte die Dinge durchaus in ihrer Essenz sehen und im voraus beschreiben. Hier agierten Leute in den Führungen, die sich nur oberflächlich angepaßt hatten oder schlimmeres.

Diese neue Bewegung war so herausfordernd, daß in verschiedenen Ländern alle Anstrengungen der dortigen Sicherheitsbehörden darauf gerichtet sein mußten, diese zahllosen Organisationen zu spalten und die internationalen Verbindungen zu China ausschließlich unter Kontrolle der bürgerlichen Kräfte zu behalten. Wir haben damals, 1970-71, schon festgestellt, daß die bürgerlichen Kräfte, die Staaten selbst sogar Hand anlegen, um Parteien zu gründen und mit allen Mitteln versuchen, in dieses Parteiengefüge hineinzukommen und es von innen heraus zu bekämpfen. Inzwischen ist schon durch offizielle Stellungnahmen belegt, daß in bestimmten Staaten sog. marxistisch-leninistische Parteien als Geheimdienstprodukte geschaffen wurden, wobei sogar manchmal einzelne Menschen gezielt und bewußt getäuscht wurden und vor den Karren dieser mit viel Geld aufgezogenen Machenschaften gezogen wurden. Manche Parteien hatten einen halben und zweideutigen Charakter, sie wurden längere Zeit regelrecht aufgezäumt, organisierten in ihren Reihen Tausende von Menschen, die zu revolutionärer Arbeit bereit waren, und verschlissen diese. [7]

 

Andererseits haben in sehr vielen Ländern nach der Kulturrevolution verbliebene Kräfte diese Prinzipien verteidigt und den Kampf und die Revolution unter widrigen Bedingungen in Jahrzehnten fortgeführt. Auch das beweist die Lebensfähigkeit dieser Ideen, die damit in Verbindung standen.

 

Die Abruptheit des Verrates, die 180-Grad-Drehung, die etwa die Partei der Arbeit Albaniens gemacht hat, steht dabei als ein besonders wichtiges internationales Beispiel. Unübertroffen die Lobpreisungen für die KP Chinas, in der Sicht der Partei der Arbeit Albaniens schien schier an ihr alles richtig, jedenfalls im Bekenntnis, um dann mit dem Umsturz ab 1977 in das absolute Gegenteil zu verfallen. Alles was seit 1935  die KP Chinas an Erfolgen errungen hatte, sollte jetzt das Ergebnis einer falschen Politik sein. Es war unübersehbar, daß dies vollkommen losgelöst von der Wirklichkeit war, einen verkommenen  politischen Idealismus repräsentierte. Eine unweigerliche Folge war, daß die PAA sehr schnell danach im rechtesten Sumpf versackte.

Nachdem der  chinesische Umsturz gelungen war, mußte gewissermaßen gesetzmäßig ein gewisser Teil genauso tief in die Gegenrichtung abstürzen, wie sie vorher an der Sache jubelnd teilgenommen hatten. Wer nur oberflächlich die Dinge versteht und nicht in die Tiefe geht, dem ist ein solchen Schicksal beschieden – erst einmal allgemein gesagt.

 

IV.

Um was ging es also in der Großen Proletarischen Kulturrevolution? Es ging um die Verwirklichung der Diktatur des Proletariats von der Basis her, insbesondere von der Jugend her. Es war eine vollkommen neue Jugend, in der bisherigen Geschichte dieses Lands ohne Beispiel, weil sie in den siebzehn Jahren der Volksrepublik China von 1949-1966 unter völlig veränderten Bedingungen des Sozialismus und der Neuen Demokratie aufgewachsen war. Sie  verkörperte den Willen, die sozialistischen und kommunistischen Zielsetzungen konkret zu verwirklichen. Bei der Gründung der Volksrepublik China im Jahre 1949 hatte sich die KPChinas unter Mao Zedong auf ein sehr breites Bündnis aller Kräfte, die gegen Tschiang Kai-schek und den USA-Imperialismus aufgetreten waren und die Reaktion im Lande verurteilten, gestützt. China machte unter der volksdemokratischen Republik erst einmal eine Erneuerung durch, wurde, wenn man so will, zu einem modernen bürgerlichen Staat mit sozialistischer Grundlage, der China aus dem Schmutz von jahrhundertealter Stagnation herauszog. Obwohl im Westen zunächst einmal ein großes Gezeter begann über „blaue Ameisen“ und den „entsetzlichsten Kommunismus, den es je gegeben hatte“, so mußten alsbald doch viele Erfolge zugestanden werden. Allgemeines Schulwesen, allgemeine Bildung für alle, die systematische Entwicklung der Landwirtschaft in ganz China, die Beseitigung des Hungers und der Aufbau einer eigenständigen Industrie in China, der auch die Grundlage für den späteren gewaltigen Aufschwung bilden sollte.

Unter diesen völligen Umbruchbedingungen eines Durchstoßes in der chinesischen Geschichte ohne Beispiel wuchs eine Jugend auf, die nun unter enger Anleitung der KPChinas und vor allen Dingen von Mao Zedong auch die Ideale in allen Bereichen Chinas durchsetzen wollte. Aber in der Partei wie in den offiziellen Behörden wie in den Fabriken gab es viele, die ihr Fähnchen nach dem Wind gerichtet hatten und in Wirklichkeit kapitalistische, neo-ausbeuterische Richtungen vertraten. Im Konkreten wurde oft die alte Kultur Chinas belobigt und gepflegt und ein willkürliches Zensurensystem an den Universitäten praktiziert, das ein Mittel der Unterdrückung war.

In der ökonomischen Basis wurden Sonderprivilegien von Funktionären oder Fabrikdirektoren geschaffen auf diesem oder jenem Wege, wurde die Unterdrückung trotz formaler Anerkennung der kommunistischen Ideologie und Staatslehre fortgesetzt. Das waren objektive Grundlagen, die zum Kampf und zum Widerspruch reizten.

Später wurde behauptet, Mao Zedong hätte einen Putsch gemacht, aber das ist Unsinn, denn diese breite Bewegung in China zeigt, daß das objektive soziale Interesse in dieser Richtung existierte, und die KP Chinas von der Führung her lediglich die Initialzündung dieses objektiven Konfliktes tätigte, gegen diejenigen in der Partei und in den Behörden, die diese alten Verhältnisse repräsentierten. Über vier Jahre lang ging in der KP Chinas eine prinzipielle Auseinandersetzung über den Kurs, auf der Konferenz von Bedaiho hatte Mao Zedong die Notwendigkeiten der proletarischen Linie referiert. Viele der beabsichtigten Maßnahmen etwa der Umsetzung der proletarischen Politik im Überbau waren blockiert worden. Von daher war die Eskalation der Auseinandersetzung vorbereitet, und die Auseinandersetzung auf einer höheren Ebene, wenn der Revisionismus in einen Konflikt mit den Massen geriet, der logische nächste Schritt.

 

 

V.

Der Kulturrevolution gehen die Jahre der sog. Großen Polemik [8] unmittelbar vorweg, mit der man sich mit der Sowjetunion auseinandergesetzt hatte. Man setzte sich in der Schlußphase 1964 mit den inneren Strukturen der Sowjetunion auseinander, in der sich ein untergründiges schwarzes kapitalistisches Element mit  brutalen neo-ausbeuterischen Eigenschaften immer breiter machte. Wir wissen heute alle, daß sich 1989 diese brutalen Verhältnisse nach außen kehrten und endgültig den Kapitalismus in Rußland wieder begründeten. Aber in Wirklichkeit wurde dies 25 Jahre zuvor in dieser Zeit in der Großen Polemik schon in den entscheidenden Dokumenten kritisiert („Über den Pseudokommunismus Chruschtschows und die historischen Lehren für die Welt“).  Mit dieser Polemik, mit diesem Vorschlag zur Generallinie versuchte die KP Chinas weltweit wieder die Initiative für eine revolutionäre Linie zu schaffen, die sich von einer Reihe von Fehlern in der Vergangenheit loszulösen trachtete, erst einmal von dem, was sich nach dem XX. Parteitag in der KPdSU und den mit ihr eng zusammenarbeitenden Parteien gebildet hatte, aber auch von verschiedenen Fehlern, die sich z.B. schon zur Stalinzeit eingenistet hatten. Es wurde kritisiert die Teilhabe am Neokolonialismus von Seiten der sowjetischen Revisionisten, Beispiel Kongo, es wurde kritisiert die komplizenhafte Zusammenarbeit mit den USA (gemeinsame atomare Erpressung, Vorbereitung des sog. Atomwaffensperrvertrages), die gemeinschaftlichen Versuche der USA und der Sowjetunion, China zu erpressen und die übrigen revolutionären Ansätze auf der Welt zu hintertreiben. Diese Kritik ist das vielleicht bedeutendste Dokument der kommunistischen  Bewegung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Sie gab richtige Anregungen in die ganze Welt und setzte Maßstäbe.

 

 

Wir wollen nicht verschweigen, daß es selbstverständlich auch Grenzen in der Polemik gibt. Sie arbeitet z.B. nicht die Niederlage der Arbeiterbewegung gegen den Faschismus in Europa auf, insbesondere die wichtigen deutschen Fragen wurden nur ganz marginal behandelt. Die Mao Zedong-Ideen sind auch nicht allumfassend oder eine grundlegende neue Theorie für die gesamte kommunistische  Bewegung. Der Begriff Maoismus ist objektiv falsch und unberechtigt, wurde auch von der KP Chinas abgelehnt. Man muß auch die Begrenztheit in der Arbeit von Mao Zedong und der KP Chinas erkennen, sie wurde insbesondere in den ersten Jahrzehnten auf der Grundlage des Marxismus-Leninismus in Verbindung mit der Praxis in China abgeleitet. Wesentliche andere Fragen, wie sie etwa mit der Niederlage gegenüber dem Faschismus in Deutschland zusammenhängen und ebenfalls einer tiefen Durchsicht bedürfen und von internationaler Relevanz sind, konnten von der KP Chinas nicht entwickelt werden, daraus kann man ihnen auch keinen Vorwurf machen. Die heutigen Revolutionäre kommen nicht umhin, die notwendige Durchsicht und Weiterentwicklung der Theorie auf sich selbst gestützt  zu leisten, ebenfalls in Verbindung mit Praxis. Aber wichtige, ja fundamentale Anregungen durch die KP Chinas von internationaler Relevanz gingen ohne Zweifel von diesem bedeutenden theoretischen Kampf aus. 

 

Grundsätzlich wurden in der Polemik allgemeine richtige Postulate aufgestellt, auch etwa über den bürgerlichen Charakter der Sozialdemokratie und über den ganzen Charakter des modernen Revisionismus, der als Hauptgefahr zurecht von der KP Chinas für die gesamte Weltbewegung angesehen wurde. Das Zentrum dieser Tätigkeiten war die KPdSU selbst und nicht etwa die KP Jugoslawiens, die ein wichtiger Wegbereiter dieser Entwicklung war, aber nicht das Zentrum in letzter Hinsicht bedeutete.

 

Man begriff auch im Zusammenhang mit der Kritik der KPdSU in der Polemik, daß die Weigerung, sich mit einer Reihe von Grundsätzen des Marxismus-Leninismus, auf den man sich ja berief, auseinanderzusetzen, tiefe Wurzeln in der Geschichte der KPdSU und der Sowjetunion selbst haben mußte. Zunehmend wurde auch die russische chauvinistische Großmachtpolitik, die in versteckter Form schon seit langem in der KPdSU existiert hatte und besonders offen nach dem XX. Parteitag hervortrat, kritisiert, in bestimmten Bemerkungen kam sogar die Unzufriedenheit mit der expansionistischen und chauvinistischen Politik, die auch schon während des Zweiten Weltkriegs in ganz wesentlichen Zügen hervorgetreten war, zutage.

 

Die öffentliche Polemik und die Kritik an der Sowjetunion erzwangen im Herbst 1964 den Sturz Nikita Chruschtschows, der der Hauptexponent dieser Richtung war. Nachdem eine neue Führung der KPdSU unter Leonid Breschnew und Alexej Kossygin etabliert worden war, stellte sich die Frage, wie weiter vorgehen.

Ohne sich Illusionen zu machen über diese neue Führung, ging die Leitung der KP Chinas unter Mao Zedong daran, daß diese neue Führung erst mal darlegt und durch eigenes Verhalten zeigt, was sie beabsichtigt. Die Kommunistischen Parteien bestehen nicht nur aus Führungen, sondern aus einer großen Zahl von Mitgliedern, die an Hand von Fakten überzeugt sein wollen, darüber hinaus gibt es eine weltweite Bewegung, für die das Gleiche gilt.

Es war später einer der typischen Anfeindungen gegen die KP Chinas von der albanischen Partei und ihren Anhängern wie dem Roten Morgen, daraus willkürlich einen Vorwurf zu konstruieren. Dies sei unberechtigt gewesen. Dies war es natürlich nicht, denn es war unter den damaligen Bedingungen die Pflicht aller kommunistischen  Parteien, die Einheit zu versuchen und das Beste herauszuholen und erst einmal auch zu unterstellen, daß es wenigstens die Möglichkeit einer Änderung gibt. Wenn man dann feststellt, das ist nicht der Fall, dann ist man auf der sichereren Seite, als wenn man das von vornherein negiert. Es sollte sich herausstellen, daß die neue Führung der KPdSU das Gleiche wie Nikita Chruschtschow nur unter etwas anderen Phrasen vertrat. Der revisionistische Umsturz in der Sowjetunion ging weiter und weiter, die Sowjetunion wurde zu einer sozialimperialistischen Macht.

 

 Die Einheit der kommunistischen Bewegung, um die man jahrelang gerungen hatte, konnte man nicht einfach für vollkommen uninteressant erklären. Wenige Wochen darauf war schon in der Öffentlichkeit klar, wie die neue Führung unter Breschnew vorgehen würde, nicht nur mit demselben Kurs, sondern mit einem verschärften Kurs des Revisionismus und sich abzeichnender sowjetischer hegemonistischer Politik. Es erschienen im diesem Jahr 1965 mehrere hervorragende Artikel, die die Rolle der neuen sowjetischen Führung beschrieben. [9]  [10]

Und gegen Mao Zedong begann auch der Druck in China sich zu verstärken. Die Sowjetunion konnte die Kritik nicht dulden. Mit allen Mitteln arbeitete man daran, dieses revolutionäre Zentrum auch von innen heraus umzustürzen. Schließlich hatte man zu vielen Mitgliedern und Organisationen in der KPChinas Kontakt gehabt. Wesentlich für den Ausbruch der Kulturrevolution war, daß, nachdem die internationale Politik der KPdSU sich weiter diskreditiert hatte und nachdem in China die Frage ansteht: in welche Richtung wollen wir gehen, wollen wir uns dem Druck der bürokratischen Bourgeoisie im Innern beugen und in die gleiche Richtung gehen wie die KPdSU oder wollen wir einen anderen Weg beschreiten, daß sich diese Frage zuspitzte.

Der Aufruf der KP Chinas vom 16. Mai 1966 entfachte den Sturm. Über Kulturfragen war in China schon lange vorher debattiert worden, aber jetzt wollte man Ernst machen mit der Umgestaltung des Überbaus, mit der Umgestaltung des Staatsapparates und mit der Umgestaltung der kommunistischen  Bewegung selbst.

 

VI.

Der oberste Exponent der Richtung der KPChinas, der die revisionistische Politik in China vertrat und die Selbständigkeit der revolutionären Politik aufgeben wollte, war Liu Schao-tschi, der im weiteren mit seinen Gefolgsleuten innerhalb der Kulturrevolution entschieden angegriffen wurde. In der Zeit nach 1956 hatte Mao Zedong selbst damit zu tun, die Mehrheit der KPChinas und der engeren Anhängerschaft dieser Partei auf seine Seite zu ziehen und politisch für seine Überzeugungen zu gewinnen. Nicht immer hatte Mao Zedong die Mehrheit. Wäre es den Kräften um Liu Schao-tschi und anderen gelungen, Mao Zedong zu isolieren und zu unterdrücken, wäre etwas Ähnliches passiert, was in der Sowjetunion passierte, und hätte zur völligen Liquidation der Volksrepublik China geführt.

Es war in den folgenden Jahren die Sowjetunion, die kurioserweise sagte, daß die Wirrnisse der Kulturrevolution China in den Abgrund stürzen würden und mit dem Kommunismus überhaupt unvereinbar seien. Wir wissen heute, daß das Land, in dem die Verhältnisse angeblich so geordnet waren, in dem es keinen Klassenkampf gab und alles picobello bestens war, nämlich die Sowjetunion, genau das Land war, das im größten Chaos versank, das Land aber, das die Kulturrevolution durchgemacht hatte, hat, wenn auch in anderen Formen, einen gewaltigen Aufstieg erlebt. Man kann daran sehen, daß nicht Revolutionen Staaten ruinieren, wie alle Revisionisten und klerikalen Lakaien und bourgeoisen Reaktionäre unentwegt behaupten. Tatsächlich sind die Revolutionen die Lokomotiven der Geschichte, die die Dinge voranbringen. Das gilt auch für die große Kulturrevolution in China.

Heute aus der Zeit von 30 oder 40 Jahren danach kann man solche Urteile fällen. Nun hat sich die Wahrheit schon in vielen Punkten durch die konkrete Entwicklung herausgeschält, was damals in einer allgemeinen Form abgeleitet wurde oder zumindest erahnt wurde.

 

Gegen die Richtung von Liu Schao-tschi wurde der Kampf in der ersten großen Kulturrevolutions-Epoche geführt. Liu Schao-tschi hatte in vielen Dingen den von Mao Zedong in der chinesischen Revolution entwickelten Prinzipien widersprochen und genau das Gegenteil betrieben. Hatte Mao Zedong verkündet, daß die Revolution in der Praxis erlernt wird und die revolutionäre Theorie auch im Zusammenhang mit der Praxis erarbeitet wird und theoretische Studien in Verbindung mit der Praxis getätigt werden sollen, so lehrte Liu Schao-tschi essentiell das Studium im kleinen Kämmerlein „wie wird man ein korrekter Kommunist“ als Lebensanleitung dafür, wie man sich selber bildet. Das alleine waren deutliche Unterschiede in der ganzen Vorgehensweise. Mao Zedong hatte den selbständigen revolutionären Krieg als Grundlage der proletarischen Revolution entdeckt, Liu Schao-tschi vertrat, ähnlich wie die kommunistischen  Führer anderer Parteien, einen Weg der mehr oder minder Aufgabe der selbständigen Position und der engen Anlehnung an die Sowjetunion.. Dies mußte miteinander kollidieren. Es gab nur ein Entweder-Oder in China, und diese Frage, diese erste Schlacht wurde zugunsten von Mao Zedong im Mai 1966 bis Januar 1967 entschieden.

 

Außer der Richtung von Liu Schao-tschi gab es die von Deng Xiaoping, der aber eine mehr selbständige Entwicklung Chinas vertrat, nicht eine so starke Katzbuckelei gegenüber der Sowjetunion, sondern eine viel stärkere eigenständige Entwicklung der kapitalistischen Elemente Chinas, die er später tatsächlich zu einer gewissen Entfaltung brachte. Mao Zedong hat, wie schon erwähnt, stets eine den Widerspruch im Charakter Deng Xiaopings hervorhebende Haltung gehabt. Auch das sollte später versuchsweise als Angriffspunkt benutzt werden. In Wirklichkeit konnte man mit ihm nicht anders vorgehen. Die weitere Entwicklung der Volksrepublik China unter Deng Xiaoping in den 80er und 90er Jahren zeigt auch, daß Mao Zedong in dieser Hinsicht recht hatte, denn obwohl es sich um einen kapitalistischen Aufbau handelte, der vieles von den Grundlagen der chinesischen Revolution verraten hat, so hat doch dieser kapitalistische Aufbau auch viele großartige und weltumstürzende Elemente, so daß man ihm einen gewissen revolutionären Charakter nicht abstreiten konnte. Diese widersprüchlichen Seiten in der Politik Deng Xiaopings hat man in der chinesischen Parteiführung unter Mao Zedong gesehen, weshalb man sogar von einer „Deng Xiaoping-Frage“ sprach.

Das angeblich zögerliche Verhalten gegenüber Deng Xiaoping wurde von gewissen Ultralinken später Mao Zedong als ‚Zeichen des Revisionismus’ ausgelegt. Sie zeigen damit nur, daß sie selbst keine Ahnung haben. In China mußten gewisse Teile der Bourgeoisie und der bürgerlichen Intelligenz mit in den Aufbau einbezogen werden, wobei sich sukzessive der Widerspruch mit dieser Klasse verschärfen mußte und einen antagonistischen Charakter annahm.

 

Die Kulturrevolution ging weiter. Sie mußte auch viele Schwächen offenbaren. Es gab Kräfte, die unter dem ultralinken Deckmantel in Wirklichkeit die Zerschlagung der KP Chinas im gänzlichen Sinne und aller Grundlagen der Volksrepublik China betrieben haben. Anarchistische, ultralinke Kräfte erhoben ihr Haupt, sie mußten ebenfalls bekämpft werden. Man darf nicht vergessen: das chinesische Volk hatte damals gerade mal siebzehn Jahre Sozialismus und allenfalls vierzig Jahre revolutionäre Entwicklung zumindest in Teilen von China hinter sich. In so einer kurzen Periode werden die Gewohnheiten, die sich über Jahrtausende in der Mentalität eines Landes einschleichen, nicht überwunden. Göttliche Anhimmelung dieser neuen Kulturrevolution, Gehorsamkeitsgeist nun gegenüber dem neuen Führer waren Fehlentwicklungen, die von gewissen ultralinken Kräften ausgenutzt wurden. Ging man hier gegen Liu Schao-tschi vor, weil er Gehorsam und Unterwürfigkeit gegenüber den bürgerlichen „Autoritäten“ gefordert hatte, so wurde es von gewissen Kräften schon wieder unter umgekehrten Vorzeichen praktiziert. Es standen also weitere Auseinandersetzungen an.

 

In dieser Phase der Kulturrevolution von 67-68 gab es Vertreter in vielen anderen kommunistischen  Parteien, die öffentlich hinterfragten: Was macht Mao Zedong da nur? Er zerschlägt seine eigene Partei! Oder gar: das ist Konterrevolution!

Zerschlagen seiner eigenen Partei? Das stimmt erst einmal nicht, denn große Teile der KP Chinas haben die Kulturrevolution selbst mitgetragen. Und zum anderen: eine Partei ist kein Heiligtum, und einzelne Parteiorganisationen sind erst recht kein Heiligtum. Eine Partei ist nicht Selbstzweck, sie kann und muß zerschlagen werden, wenn sie der Sache widerspricht. Und diese Lehre eben, daß aus dem Volk selbst die Partei neu geschöpft wird, daß aus dem Volk mobilisiert wird, wenn es zu Fehlentwicklungen kommt, ist grundlegend und wird auch in der weiteren Entwicklung der kommunistischen  Bewegung, die lange noch nicht am Ende ist, eine sehr  bedeutende Rolle spielen.

 

Es gehörte auch zu den fatalen Fehlentwicklungen, daß nun von gewissen überbeflissenen Kräften alle möglichen Kader der KPChinas beschuldigt wurden, „auf dem kapitalistischen Weg zu wandeln“. Leute, die jahrzehntelang für die kommunistische  Partei gearbeitet hatten, wurden als sonstwas in dieser Weise beschuldigt, völlig nebensächliche Punkte in den Vordergrund geschoben. Viele Dinge, die sich so falsch entwickelten, wurden aber auch schon in der Kulturrevolution wieder bereinigt, und so mancher, der kritisiert worden war, nahm selber an der Kulturrevolution im weiteren teil.

 

Die meisten kapitalistischen Führer im Ausland und vor allen die sowjetischen Revisionisten schlugen die Hände über dem Kopf zusammen: ach herrjemine, was da in China passiert! Wie gräßlich, wie kann man in so eine Raserei verfallen! So reden sie zum Teil noch heute, obwohl ihre ganze Sowjetunion in die Luft geflogen ist. Sie haben nicht begriffen, daß Revolutionen nun einmal keine geordneten Vorgänge sein können, die man von oben dirigiert, sondern daß die Entfaltung der sich selbst entwickelnden Kräfte von unten  die Maßnahmen sind, die die neuen geschichtlichen Bewegung in die Wege leiten.

 

Die Volksrepublik China unter Mao Zedong isolierte sich keineswegs. Vielmehr begann die Sowjetunion Prinzipien aufzustellen, die immer mehr denen der USA ähnelten, und die ihr zunehmend auch die gleichen Gegensätze einbrachten. So gab es die Theorie von der „begrenzten Souveränität“, mit der sogar angebliche sozialistische Bruderländer militärisch zur Räson gebracht werden konnten. Mit ihrer Diplomatie schaffte es die VR China auch, die sowjetischen Revisionisten zu isolieren und ihnen damit auch einen möglichen militärischen Zugriff in China zu verunmöglichen.

 

Mitten in der Kulturrevolution gelang es der Volksrepublik China auch, die atomare Technik weiterzuentwickeln, die zweite Atombombe zu zünden und auf dem Maschinenbausektor große Anstrengungen für Eigenständigkeit zu unternehmen. Ganz sicher gab es auch Fehlentwicklungen und Einseitigkeiten, wie sie z.B. im Großen Sprung vorgekommen waren. Damals ging es auch darum, die Menschen in China, die vielfach von den industriellen Entwicklungen völlig losgelöst waren, an industrielles Denken und industrielle Erzeugung heranzuführen. Zwar waren die vielen einzelnen kleinen Stahlöfen kein wirklicher Erfolg im rein ökonomischen Sinne, aber in der Umwandlung des Menschen wurden durchaus wichtige Ziele erreicht. Von daher war das auch ein Erfolg. Das Gleiche gilt für die Kulturrevolution. Dadurch, daß die Menschen an den Klassenkampf und an Eigenständigkeit herangeführt wurden, wurden viele Elemente negativer chinesischer Mentalität der Vergangenheit, wie der zu großen Hinnahme von Despotie und Hierarchie, wie sie zum Beispiel der Konfuzianismus lehrte, gebrochen. Deng Xiaopings späterer Marsch durch den Kapitalismus zum Welterfolg hatte zur Voraussetzung, daß gerade diese negativen Eigenschaften bekämpft worden waren. Er war ein Profiteur aus der kulturrevolutionären Entwicklung, die er selber verdammte, etwa ähnlich wie Napoleon I. ein Profiteur aus der revolutionären Zuspitzung der französischen Revolution war.

 

VII.

Die Lehren der Kulturrevolution verbreiteten sich von China aus,  brachten Millionen von Aktivisten in der ganzen Welt dazu, diese neuen Prinzipien in der kommunistische  Bewegung zu betreiben, und verbreiteten Panik, Angst und Schrecken unter den kapitalistischen Kräften auf der ganzen Welt. In der Bundesrepublik Deutschland z.B., die ja so tut, als sei dies alles völlig nebensächlich gewesen, wurden die Elemente der Produktionsverlagerung, der Umwandlung dieses Landes in eine sog. Dienstleistungsgesellschaft genau zu dieser Zeit von 1968-1974 vorbereitet. Ab 1974 begann der Abbau in großem Stile. Nichts fürchtete man mehr, als daß sich diese revolutionären neuen Prinzipien mit einer großen Arbeiterklasse im Lande verbinden könnten. Zwar lebte die Arbeiterklasse im internationalen Vergleich in einem relativen Wohlstand, aber die Geschichte der Arbeiterbewegung in diesem Land und der hohe Grad der Vergesellschaftung waren zu kritisch, als daß man sich sicher glauben konnte. Ganz im Gegensatz zu den offiziellen Auffassungen fürchteten sie die neuen Parteiansätze wie der Teufel das Weihwasser und bekämpften sie. Und so war es in vielen Ländern. Alle Mittel wurden aufgeboten, um Spaltung, Zersetzung von innen heraus zu betreiben, vor allem auch in großem Umfange Korrumpierung zu verbreiten, was dann heute zu dem oftmals negativ besetzten Begriff der „Achtundsechziger“ geführt hat, indem man ihn mit den korrumpierten Elementen der früheren Bewegung unzulässigerweise gleichsetzt.

In vielen Ländern, ganz besonders in Deutschland, gab es auch sog. „Terrorismus“-Kampagnen, in denen die öffentliche Hysterie hochgeheizt wurde, um in Wirklichkeit die neuen revolutionären Ansätze mit allen Mitteln zu bekämpfen. Man focht gegen einen imaginären Gegner, dem man sonstwelche Kräfte unterstellt hatte, und hatte in Wirklichkeit ganz andere Aufgaben, die damit gar nicht im unmittelbaren Zusammenhang standen, im Sinn.

 

Die Kulturrevolution war auch nicht technikfeindlich, wie immer wieder betont wird. In der Kulturrevolution wurde die atomare Technik verteidigt und die atomare Selbstverteidigung für die Länder verfochten. Es wurde unmittelbar der sog. Atomwaffensperrvertrag auf das schärfste verurteilt. Nicht zufällig ist dieser am 1. Juli 1968 abgeschlossen worden, noch als ein Druckmittel gegen die Volksrepublik China und gegen neues Aufbegehren aller möglicher Staaten und revolutionären Kräfte auf der Welt gegen die Vorherrschaft der beiden Supermächte. Er war die blanke Drohung gegenüber all diesen Kräften.

 

Unter dem Einfluß der Kulturrevolution gab es nicht nur neue kommunistische  Bewegungen auf der ganzen Welt, sondern differenzierte sich auch die Staatenwelt weiter. Die beiden Supermächte wurden immer stärker isoliert, insbesondere die Sowjetunion.

Die Volksrepublik China versuchte z.B. auch die DDR von der völlig unterwürfigen Haltung gegenüber der Sowjetunion abzubringen und wenigstens zu einem eigenständigen Kurs anzuregen. Sie scheiterte damit, insbesondere weil die Honecker-Parteiführung ab 1971 dies striktweg verweigerte. Wir wissen alle, wie diese Sache ausgegangen ist. Hätte die DDR sich von bestimmten historischen Ballastelementen freigemacht und hätte sie begonnen, einen selbständigen, auch die deutsche Revolution aufarbeitenden Kampf zu führen, wäre ihr ein anderes Schicksal beschieden gewesen. So aber konnte sie nur gemeinschaftlich mit der Sowjetunion in den Untergang marschieren.

 

 

Die Sowjetunion versuchte auf ihre Weise die Isolierung immer stärker zu durchbrechen und verband sich mit den reaktionärsten Kräften auf der ganzen Welt. Ein faktischer Bündnispartner wurde die Tschiang-Bande auf Taiwan, enge faktische  Beziehungen ging sie auch mit Israel ein und hinterging die arabischen Staaten. Die Bundesrepublik versuchte sie heranzuziehen und auf das Gleis der „Entspannungspolitik“ zu ziehen, die ihr besonderes Steckenpferd wurde. Die Entspannungspolitik, d.h. die Zusammenführung der verschiedensten kapitalistischen und reaktionären Kräfte auf der Welt, wurde zum Hauptgegner und Angriffspunkt für diejenigen, die an einer Fortführung revolutionärer Arbeit interessiert waren. Wir wissen alle, wo diese sog. Entspannungspolitik geendet hat.

 

Es gab auch immer wieder den Vorwurf, die Volksrepublik China in jener Zeit habe die Sowjetunion zu stark bekämpft, sie habe ausschließlich auf die Sowjetunion schließlich eingeschlagen und übersehen, daß die kapitalistischen Kräfte im Hintergrund auch den Umsturz in China betrieben haben. Die Gefahr eines Umsturzes in China wurde nicht übersehen. Man muß sehen, daß bei allen diplomatischen Maßnahmen der damaligen Zeit  doch im Wesen der Sache klar wird, daß dies aus taktischen und politisch-strategischen Gründen erfolgt ist. Etwa wurde der Besuch von Nixon in China zu keinem Zeitpunkt dazu benutzt, etwa auf eigene revolutionäre Politik zu verzichten. Die ganze Zeit von 1971 bis 1976 ist mit ständigen Versuchen, den Klassenkampf in China zu vertiefen, verbunden. Allerdings ging die Subversion im diplomatischen Apparat der Volksrepublik China in Verbindung mit der westlichen Seite auch weiter, um den Umsturz in China in ihrem Sinne  zu betreiben. Dies ist durchaus richtig. Hier wird ein genaues Studium der einzelnen Vorgänge aus dieser Zeit weiterhelfen, vor allem aber muß dies aus China selbst heraus mit den inneren dort vorhandenen Dokumenten erfolgen. [11]

 

VIII.

Aber wie steht es denn nun mit dem Kapitalismus selbst, der nun nach Unterwühlung der Sowjetunion und der Entfaltung eines bürokratischen offenen Kapitalismus in diesem Land sowie nach der Unterwühlung der Volksrepublik China und der Entwicklung eines eigenständigen Kapitalismus unter äußerlichen sozialistisch-kommunistischen  Vorzeichen dort zunächst einmal sein Ziel erreicht zu haben scheint?

Wie hieß es doch Anfang der neunziger Jahre? Dort behaupteten einige Autoren, das Ende der Geschichte sei erreicht, der Kapitalismus sei zum endgültigen Sieger der Entwicklung geworden. Und was ist wirklich? Der Kapitalismus hat in der Tat die radikalsten Formen des Kapitalismus, die je auf der Erde existiert haben, entwickelt und entwickelt sie ständig weiter. Und was bewirkt er? Er untergräbt sich wie wahnsinnig und wird neue Kräfte gegen sich selbst schaffen, trotz aller Versuche, dem Kapitalismus die Dynamik zu nehmen, Wachstumsbremsen einzubauen, und Raubbau an der Bevölkerung zu betreiben. Wieder wird sich eine neue kommunistische  Bewegung entwickeln, die an die früheren zwischenzeitlichen Erfolge der Sowjetunion, der Volksrepublik China und anderer Staaten anknüpfen wird. Gerade deswegen müssen wir uns über die positiven und negativen Seiten der Sowjetunion wie auch der Volksrepublik China in Klaren sein.

 

Unter den kapitalistischen Richtungen der heutigen Zeit ist auch jene Theorie zu erwähnen, die weltweit von den ganzen Apologeten des Kapitalismus verkündet wird, wie die Propagierung der sog. drohenden „gesamtökologischen“ Katastrophe oder der Gefahr eines Weltuntergangs durch Umweltschäden und daraus folgend, daß man möglichst die industrielle Entwicklung unter Kontrolle hält, die Energiekosten erhöht, die Arbeitskosten vermindert und um so radikaleren brutaleren Kapitalismus zu erreichen. Diese Richtung, die wir als Ökologismus bezeichnen, wurde übrigens auch in der Volksrepublik China in ihren Anfängen erkannt. In damaligen Artikeln der Kulturrevolutionszeit etwa wird der Kulturpessimismus oder die Verleugnung ausreichender Energieversorgung für die Zukunft deutlich kritisiert, auf die Möglichkeiten der technischen Entwicklung der Atomenergie hingewiesen.

 

 

Die heutige Entwicklung des Kapitalismus, seine Radikalität, seine vor nichts haltmachende Ausspielung der Arbeiterklassen der verschiedenen  Länder gegeneinander, zeigt, was es mit dem Kapitalismus auf sich hat und wie er bekämpft werden muß. Ganze kontinentale Regionen werden hier von der industriellen Arbeit freigesetzt, um neues Proletariat an anderen geographischen Zentren zu schaffen und dort erst einmal auszubeuten – wenn sie dort nicht mehr weiterkommen, werden sie wieder weiterziehen in andere Länder. Vielleicht kehren sie  in die Länder zurück, in denen sie ihre Wüstenei und soziale Rechtlosigkeit erzeugt haben, um unter diesen Bedingungen dort wieder auszubeuten. Der Geist der Kulturrevolution paßt auf so einen Kapitalismus wie die Faust aufs Auge. Es zeigt sich nämlich, wie radikal das Kapital ist und wie es unter den Gesetzmäßigkeiten, denen es unterliegt, handelt. An nichts anderem, als an dieser Erkenntnis festzuhalten, hat die Große Proletarische Kulturrevolution letztendlich ihre Forderungen festgemacht.

 

Ganz sicher ist auch, daß man nicht an der Kulturrevolution stehenbleiben darf und etwa nur die Volksrepublik China als fix und fertiges Modell umgekehrt für die kommunistische  Bewegung der Zukunft betrachten darf, wie das einige machen und hier den „Maoismus“ als Grundlage für die kommende Zeit propagieren. Es gibt, wie bereits erwähnt, eine Reihe von Problemen der kommunistischen  Bewegung innerhalb Europas, es gibt theoretische Fragen, wir haben auch negative Seiten von Lenin etwa zu analysieren, der Großmachtchauvinismus der Sowjetunion muß in seiner ganzen Tragweite enthüllt werden als eine Fehlentwicklung, die sich untergründig fortgeschleppt hat, wir haben zu sehen, daß in vielem die Volksrepublik China auch kaum über die Anfänge der Kritik der Sowjetunion hinausgekommen ist, daß wir mehr in die Tiefe gehen müssen, als es früher der Fall war. Es wäre ja auch vollkommen falsch anzunehmen, daß das, was vor 30-50 Jahren an theoretischer Leistung auf der Welt erreicht wurde, ausreichen würde für die Zukunft.

 

Man muß also die Beschränktheiten der KP Chinas wie auch der Kulturrevolution sehen. Daß es zwischenzeitlich zu solch einem ausufernden Personenkult gekommen ist, war auch kein Zufall. Er widerspricht der Zielsetzung der Emanzipation des Menschen von jeder Art von Ausbeuterherrschaft.

Es wird von großem Nutzen sein, wenn in der Zukunft wichtige Dokumente der Kulturrevolution wieder diskutiert werden und stärker als bisher die konkrete Wirklichkeit der Kulturrevolution behandelt wird. Durchaus müssen einzelne Fehlentwicklungen wie Denunziationskampagnen und Fehlentwicklungen ultralinker Art kritisiert werden. Gleichzeitig muß aber auch die eigentliche Substanz der Kulturrevolution verteidigt werden.

 

Die große Stärke der Kulturrevolution zeigt sich auch darin, daß selbst schwerste Erschütterungen sie nicht haben umwerfen können. Im Jahre 1970-71 versuchte Lin Biao, der die Position eines Ersten stellvertretenden Vorsitzenden innehatte, eine Art Umsturzversuch vor allem gestützt auf gewisse Kräfte der Luftwaffe. Dies war wirklich ein Putsch,  der auf Grund völliger Isolierung allerdings zu Scheitern verurteilt war. Der Kern seiner politischen Intentionen war, unter anderen äußeren Etiketten, die Restaurierung der alten revisionistischen  Linie zu betreiben. Es hatte sich um ihn herum ein Clan herausgebildet, der auf der Welle der breiten Unterstützung für Mao Zedong reitend, versuchte, erst mal einen unkritischen, blinden Gehorsam gegenüber diesem einzuführen und sich selbst an die erste Spitze zu bringen. Dazu versuchten sie Mao Zedong aus der Rolle der praktischen Führung zu verdrängen. Wie aus später zitierten Dokumenten hervorging, glaubte er, er könne uralte chinesische Prinzipien des Gehorsams und der „Riten“, wie sie im Konfuzianismus niedergelegt sind, wieder zur Grundlage machen.

Folgt man den offiziellen Darstellungen der Volksrepublik China, die in der Zeit nach seinem Umsturzversuch veröffentlicht wurden, verurteilte er den Bruch mit dem Konfuzianismus und predigte indirekt das System des schwarzen Untergrundkapitalismus, das in der Sowjetunion selbst bereits voll am Wirken war. Vollkommen ist dieser Umsturzversuch aber bis heute nicht aufgeklärt.

In der weiteren Phase nach 1971-72 versuchte man die Situation zu konsolidieren, indem man bestimmte Leute, die zuvor kritisiert worden waren, sich aber loyal hinter die Volksrepublik China und auch den neuen Kurs stellten, wieder in die Parteiarbeit eingliederte, etwa Deng Xiaoping, der alsbald wieder eine führende Regierungsrolle übernahm und sich 1973 zu der an ihm geübten kulturrevolutionären Kritik bekannte. Es wird  oft behauptet, Deng Xiaoping sei rehabilitiert worden. Dies stimmt nicht. Es war nirgendwo bezeugt worden von der KP Chinas, daß die Kritik an Deng Xiaoping in der Zeit 1966 bis 69 in der Substanz falsch gewesen sei. Vielmehr hatte umgekehrt Deng Xiaoping erklärt, daß er seine Fehler einsehe und versuchen wolle, jetzt loyal mitzuarbeiten. Obwohl auch er sich namentlich an der internationalen Arbeit der Stärkung der Volksrepublik China beteiligte, begann er doch nach einiger Zeit wieder, den gleichen kapitalistischen Weg zu beschreiten, wegen dem er einige Jahre zuvor kritisiert worden war. Dies führte dann zu einer der Auseinandersetzungen von Ende 1974 bis zum Anfang des Jahres 1976.

 

 

 

 Insbesondere war für das Scheitern der Kulturrevolution nach Mao Zedong ausschlaggebend, daß es nicht gelang, diese neue Bewegung in China mit einer internationalen Bewegung authentischen Charakters zu verknüpfen. Zu viele Parteien, die sich als angebliche Vertreter der Kulturrevolution und der Linie Mao Zedongs ausgaben, waren im Grunde genommen Lug und Trug, oder zumindest Teile dieser Parteien muß man so bewerten. Die Volksrepublik China konnte die Rückschläge, die die kommunistische  Bewegung in den 30er und 40er Jahren in großen Teilen der Welt durchgemacht hatte, nicht mit einem Schlag überwinden.

Die Kritikkampagne etwa an Lin Biao und Konfuzius, die in den Jahren 1971-75 lief, konnte nur die innere Reaktion in China selbst treffen. Bezüglich der Komintern, ihrer Politik und der Entwicklung des Revisionismus im Westen wären ganz andere Ansätze notwendig gewesen.

 

Die Schlußphase der Kulturrevolution von ca. Herbst 1974 bis zum Herbst 1976 ist selbst ein äußerst verwickelter Vorgang, der nicht nur mit Vorgängen in China selbst, sondern auch mit der internationalen Verbindung der chinesischen Revolution verbunden ist. Seine Darstellung würde den Rahmen dieses Artikels sprengen. [12]

 

Die Vertreter der sog. Viererbande waren nicht imstande, die Mehrheit in ihrem Land auf ihre Seite zu ziehen, weil sie selbst eine Politik von oben herab betrieben haben, eine Politik der Denunziation und der einseitigen Verurteilung, die schließlich zu ihrer völligen Isolierung beitrug. Dann wurde umgekehrt die Niederlage der Viererbande dazu benutzt, um rücksichtslos alle linken Kräfte in China zu denunzieren und schließlich die Kulturrevolution selbst zu attackieren. Ohne diese Verurteilung der sog. Viererbande und deren eigener isolierter Politik wäre der Umsturz gegenüber der Kulturrevolution nicht geglückt.

 

Von vielen Kräften wurde auch behauptet, die Kräfte der Kulturrevolution hätten sich nach 1976, dem Tode von Mao Zedong, nicht behaupten können und keinen Widerstand geleistet. Vielmehr ging über zwei Jahre lang aus den verschiedensten chinesischen Provinzen ein Widerstand gegen die völlige Aufhebung der revolutionären Politik vonstatten. Die rechten Kräfte, die schließlich die kapitalistische Entwicklung begründeten, hatten aber den Vorteil, daß sie die gesamten internationalen Verbindungen in der Hand hatten, als auch in der Zentrale über große Macht verfügten. Dieser Kampf ist aber letztlich nicht zu Ende, denn die internationale Auseinandersetzung um den Kapitalismus, der sich gestützt auf die Entwicklung des Kapitalismus in China selbst ja so manifest ausgebreitet hat, wird auch in die sozialen Konflikte in China unweigerlich hineinspielen, und es wird zu einer Aufarbeitung früherer Phasen kommen, egal ob den heutigen chinesischen Führern dies paßt oder nicht. Mögen sie das Internet verschließen gegenüber einer möglichen Kritik an ihrer Politik, das wird ihnen auf die Dauer nichts nützen.

Der Westen seinerseits will die Verunsicherung in China nutzen, um eine ganz rechte Richtung an die Macht zu bringen, wie sie etwa in der Falun-Gong-Bewegung [13] oder ähnlichen  „Menschenrechtsbewegungen“ zum Ausdruck kommt. Würde das gelingen, so würde China in das schwärzeste Loch fallen, in das es je gestürzt ist. Gegenüber dem ist selbst die heutige Regierung Chinas ein gewaltiger Fortschritt. Diese Leute würden glatt propagieren, daß es viel zu viele Chinesen gibt und letztlich an der Ermordung eines Teils ihrer Bevölkerung arbeiten. [14] In dieser Schärfe müssen diese Kräfte gesehen werden. Man würde versuchen, die gesamte chinesische Revolution rückgängig zu machen und das Rad der Geschichte um hundert Jahre zurückzudrehen. Es ist Wahnsinn, aber die Versuche solcher Kapitalisten sind unweigerlich, wir kennen ja auch die „ökologische Bewegung“, die „Anti-Atom“-Bewegung und andere reaktionäre Bewegungen, die letztendlich Ausdruck dieser Bemühungen sind. Rückwärtsgerichtetheit ist nun einmal ein Produkt, das aus der bürgerlichen Stellung selbst resultiert, zwangsläufig auftauchen muß, aber auch zum Scheitern verurteilt ist. Es kommt allerdings auch darauf an, daß die kommunistische  Bewegung und die kommunistischen  Parteien diese Reaktion auch in ihrer Substanz angreifen und nicht daran vorbeireden oder sich gar anpassen an solcherlei Richtungen.

 

Im Sommer 2006

 

 

 



[1] Langer Marsch Okt.1934-1935  - Die Kommunistische Partei Chinas führte in Südchina mehrere größere Stützpunktgebiete, das heißt Gebiete, in denen die revolutionäre Räte-Staatsmacht bereits bestand. Ausgangspunkt waren die Bauernvereinigungen, die seit den zwanziger Jahren zu einem Instrument der revolutionären Herrschaft der Bauern über die großen Landlords geworden waren.

Hier herrschte eine Art demokratische Diktatur des Proletariats und der den größten Teil der Bevölkerung ausmachenden  Bauernschaft. Die Agrarreform, Herstellung der Rechte der Bauern, Bildung für alle, Beseitigung des Hungers und Entwicklung der Aktivitäten der Massen waren die gesellschaftlichen Ziele dieser Stützpunktgebiete, die dort über Jahre mit Erfolg betrieben wurden. Mehrere Einkreisungsfeldzüge des von den Imperialisten gestützten Konterrevolutionärs Tschiang Kai Tschek, der 1927 gegen die Kommunistische Partei in den Städten geputscht hatte, mißlangen. Es gab zugleich auch eine Reihe Fehler der damaligen Führung der KP Chinas. Ende 1934 war man der Ansicht, daß man die Stützpunktgebiete auf die Dauer gegen den militärischen Druck nicht werde halten können und man infolgedessen ausbrechen müsse, um im Nordosten Chinas unter günstigeren Bedingungen erneut Stützpunktpunkte zu begründen.

Daraus entstand der Lange Marsch, den die KP Chinas und die revolutionäre Volksarmee unter erheblichen Verlusten, aber unter heldenhaftem Einsatz bestand. Zu Beginn des Langen Marsches gehörte Mao Zedong nicht zu der engeren Führung der KP Chinas. Aber er setzte sich im Laufe durch  und wurde auf der Konferenz von Dsunyi im Januar 1935 zum Vorsitzenden der KP Chinas.

 

[2] Supermacht - Dieser Begriff steht für imperialistische Vormacht, mit welthegemonialem Anspruch, wie sie sich endgültig mit dem zweiten Weltkrieg in Form der USA und später in Form zweier solcher „Supermächte“, der USA und der Sowjetunion, herausbildete.

 

[3] Dschang Tschun-tjiao (1917-2005) hielt auf dem Volkskongreß in Peking 1975 die Rede über die neue Verfassung der VR China und hielt Anfang 1975 eine Rede über die allseitige Diktatur des Proletariats. Später gehörte er zu der sogenannten Viererbande und wurde als einer der Hauptverantwortlichen von dem sogenannten Tribunal von 1980 „verurteilt“. Dieses „Tribunal“ diskreditierte sich von vornherein. Die Mitglieder der sog. Viererbande wurden 1976 unter dem Vorwurf, die Linie des Vorsitzenden Mao Zedong, insbesondere auch die der Kulturrevolution zu hintertreiben, mit Gewalt direkt in ihren Amtsfunktionen stehend festgenommen und vier Jahre später von den kapitalistischen Usurpatoren wegen Initiierung der Kulturrevolution verurteilt. Es gab in dem ganzen 20.Jahrhundert kein lächerlicheres „Tribunal“ als dieses, welches zugleich von dem kapitalistischen und revisionistischen Mob aller Länder gefeiert wurde, weil es die Unterdrückung der proletarischen Revolution sanktionieren sollte.

Vergleiche hierzu auch die damaligen aktuellen Ausarbeitungen NE 1980, Nr.3/4 und  1981/Nr.1. zu diesem Thema.

Zur Kritik der sog. Viererbande, deren Richtung von uns 1976 als ultralinks kritisiert wurde: siehe eine Reihe anderer Dokumente von uns. Die Fehler dieser Gruppierung rechtfertigen aber in keiner Weise die Unterdrucksetzung, die Maßnahmen und den Terror gegen die revolutionären Mitglieder der KP Chinas, die ab Herbst 1976 einsetzten.

 

[4] Speech by comrade Chang Chun-Chiao on Behalf of the Delegations of the Revolutionary Committees in Four Provinces and One Municipality

 -At the Rally to Inaugurate and Celebrate the Peking Municipal Revolutionary Committee, April 20, 1967,

In “Great Victory for Chairman Mao’s Revolutionary Line”, Peking 1967, S.67

 

“You have contributed the first Marxist-Leninist big-character poster in the whole country and initiated the world shaking movement of the Red Guards.”

 

[5] Es ist eine heute nicht mehr ganz neue Methode, eine Sache nicht nur direkt zu bekämpfen, sondern sie auch dadurch zu zerstören, indem man sie übertreibt. Ein Personenkult, der nicht die objektive und vorantreibende Rolle einer bestimmten Person beschreibt, sondern ihr gewissermaßen wundersame Eigenschaften andichtet, der man nur noch gehorchen kann, hintertreibt die Kulturrevolution komplett. Wenn die Mehrheit solche „Autorität“ annimmt, wenn an die Stelle der vorantreibenden Rolle des Volkes eine Einzelperson gesetzt wird, braucht nur noch jemand zu kommen und diese Stelle für sich zu besetzen oder zu beerben, um die Diktatur gegen die Massen, die bürgerliche  und bürokratisch-bürgerliche Diktatur  zu errichten. Ein solcher Personenkult hintertreibt das kritische und selbständige Denken der Massen, welches durch die Kulturrevolution eigentlich gefördert werden sollte. Es ist ein wesentliches Ergebnis, daß dieser Versuch einer derartigen Bekämpfung wie durch Lin Biao scheiterte.

[6] Es handelt sich hier um die Parteien KPD/ML(Roter Morgen), die KPD (vormals KPD/AO) und den KBW. Bei dem Roten Morgen war dies besonders eklatant, er war der größte Streber nach der sog. chinesischen Anerkennung und ging mit dieser vermeintlichen Anerkennung besonders penetrant hausieren, um dann die gesamte Politik der VR China zu verleumden. Der sog. Kommunistische Bund, aus dem später besonders viele Regierungsmitglieder  hervorgingen  betrieb längerer Zeit bei formaler Anerkennung  Mao Zedongs in Wirklichkeit eine Verlästerung insbesondere  seiner späteren Außenpolitik.

 

Über den KABD (seit 1982 MLPD) siehe hierzu eine Reihe anderer Stellungnahmen, unter den letzteren vor allem IS 2006-28.

 

[7] Als besonders zahlenmäßig gewichtige Beispiele müssen hier die KPD/AO und der KBW genannt werden, alleine durch den KBW gingen Tausende von Interessierten und Aktivisten hindurch.

 

[8] ,Polemik’: „Ein Vorschlag zur Generallinie der internationalen kommunistischen Bewegung- Antwort des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas auf den Brief des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion vom 30.März 1963“ - Dazu erschienen neun grundlegende Kommentare bis Juli 1964. Der letzte unter dem Titel „Über den Pseudokommunismus Chruschtschows und die historischen Lehren für die Welt.“. Das Ganze wird meist kurz als „Polemik“ bezeichnet, es ist die wichtigste und bedeutendste Abrechnung mit dem modernen Revisionismus aus dieser Zeit.

 

[9] Unter diesen  Dokumenten zum Beleg seien hier genannt:

„Kommentar zur Moskauer März Konferenz" ( die zur „Verurteilung“ der KP Chinas dienen sollte) 23.3.1965

„Den Kampf gegen die Chruschtschow Revisionismus zu Ende führen“, Juni 1965.

Weiter sind zu nennen:

„Kampf zwischen zwei Linien im Verhalten zum USA-Imperialismus“ von Fan Hsiu-Dschu, 26.7.1965

„Widerlegung der sogenannten „Aktionseinheit“ der neuen Führung der KPdSU“, vom 11.November 1965, der auch die Grundlagen der Taktik der KP Chinas für das weitere mit erläutert

 

[10]Ein ganz  besonders wichtiger Vorgang ist dabei der Angriff auf die KP Indonesiens vom Oktober 1965, der die blutigste und brutalste Konterrevolution der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zur Folge hatte. Er hätte doch einen Ruck in der gesamten kommunistischen Bewegung zur Folge haben müssen. Dies ist aber nicht der Fall, und hier gibt es Untersuchungsbedarf.

 

[11] Hier muß man auf die Erfahrungen von 1990 bei der Auflösung der DDR verweisen, mit welch einer Eile insbesondere die USA bemüht waren, die Dokumente über die Subversion vor allem in der früheren Bundesrepublik in die Hand zu bekommen und nach ihrem Gutdünken zu säubern und zu kontrollieren. Es ist dies der Fall der sogenannten Rosenholz-Dateien, die unmittelbar nach 1989  in der DDR entwendet wurden und in die USA verbracht wurden. Nach Jahren wurden sie schließlich den bundesdeutschen Behörden übergeben. Im Falle von Unruhen in China wird es ähnliche Versuche geben, die Spuren zu vertuschen.

 

[13] Falun Gong – extrem rechte und gegen die gesamte chinesische Revolution gerichtete Bewegung, die unter dem Deckmantel einer chinesischen Meditations- und Bewegungslehre auftritt. Sie steht mit dem USA-Imperialismus, aber auch  mit anderen Reaktionären in einer engen Verbindung und wurde zumindest zeitweilig von den westlichen Medien begünstigt. Es wird insgesamt an Waffen geschmiedet, mit denen man im Falle von inneren Unruhen in China eingreifen möchte. Die erwähnte reaktionäre Falun-Gong-Sekte, steht auch mit anderen „Menschenrechts“-Organisationen in Verbindung.

 

[14] Der Vorwurf, die Epoche Mao Zedongs in China habe auf Grund ihrer sozialen Verbesserungen „so viele Menschen“ hervorgebracht, ist eine der Hauptattacken, die von schwarzen Kräften der verschiedenen Couleur vorgebracht werden.

 

 

 

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