Internet Statement 2007-15

 

Die Unterdrückung der „Freien Universität Bochum“ und die Illegalisierung
eines kommunistischen Jugendverbands in Tschechien

Kapital und Staat greifen zu verschärfter Repression gegen die Jugend

Walter Grobe   31.01.2007     

Der 31. Jan. 2007 ist geprägt von zwei Meldungen aus Deutschland und aus Tschechien, die die Verschärfung des Vorgehens des Staates gegen demokratische Initiativen politisch aktiver und kritischer Jugendlicher zeigen.

An der Ruhr-Universität Bochum wurden die Räume der Freien Universität Bochum heute von der Polizei geräumt. Die Freie Universität Bochum ist eine studentische Initiative, die seit einer Reihe von Monaten in leerstehenden Räumen der Ruhr-Universität Bochum ein Zentrum für den Kampf gegen Studiengebühren sowie auch ein Zentrum selbstorganisierter Veranstaltungen zu gesellschaftlichen Grundfragen organisiert hat. Der Einfluß des Kapitalismus auf Hochschulen und Wissenschaft, die politische Ökonomie des Kapitalismus, die Verbindung mit progressiven Bewegungen anderer Länder sowie kulturelle und gesellige Aktivitäten gehören zu den Arbeitsgebieten der Freien Universität Bochum. Zahlreiche Organisationen und Personen auch von außerhalb der Universitäten gehören zu den Unterstützern dieser Initiative im Kampf gegen die schon länger drohende Räumung, so z.B. auch aus Gewerkschaften und Sozialinitiativen.

Die Freie Universität Bochum nutzte leerstehende Räume des Unigeländes, ohne damit irgendjemandem auch nur entfernt einen Nachteil zuzufügen. Sie stellte im Gegenteil einen Attraktionspunkt im Unibetrieb dar. Sie war auch bereit, die Besetzung zu beenden, falls für studentische Aktivitäten die erforderlichen Räumlichkeiten garantiert würden. Trotzdem ist es heute zu einer harten Polizeiaktion gekommen. Auf Anforderung des Rektors Weiler rückten um 5.30h zwei Hundertschaften an und räumten. Sie verhafteten die anwesenden Studierenden, denen nun nach ihrer Freilassung mit Klagen „wegen Hausfriedensbruchs“ (!) gedroht wird. Auch gegenüber den rasch zuströmenden Unterstützern und Interessierten führte die Polizei sich den Berichten zufolge teilweise rüde auf, sie maßte sich bspw. an, den Gebrauch von Handys zu untersagen.

Es ist offenkundig, daß Rektor Weiler, der formell Verantwortliche für den Polizeieinsatz, keinerlei Gründe für eine Störung des geregelten Unibetriebs anführen kann. Hier handelt er vielmehr im Sinne einer gezielten Repression weiterführender selbständiger Aktivitäten von Universitätsangehörigen, die von staatlichen Instanzen ausgeht, die im Sinne des heutigen Kapitalismus an einer weiteren Anpassung der Universitäten arbeiten. Die Zustände an den Unis werden für die große Mehrheit immer unerträglicher. Nicht nur daß die Studiengebühren die Kinder wachsender Bevölkerungsschichten von Studium ausschließen, es ist auch der noch immer weiter zunehmende Druck auf Studierende und wissenschaftliches Personal durch Unterfinanzierung, Personal- und Räumeverknappung, durch steigende Prüfungsanforderungen, denen ein sinkendes Lehrangebot gegenübersteht. Es ist auch die immer stärkere Durchdringung des akademischen Betriebs durch typische kapitalistische Ideologien, durch Plattheiten, Themenunterdrückung und Diskussionsunterbindung, insbesondere in den Gesellschafts- und Kulturwissenschaften.

Was sich hier auf Druck des Kapitalismus und unter staatlicher Verantwortung an Negativem entwickelt, bedeutet eine Last nicht nur für die unmittelbar Betroffenen an den Unis und Hochschulen, sondern für die Gesellschaft als Ganze. Wenn sich dagegen Initiativen bilden, kann das nur unterstützt werden. Das ist auch etwas Anderes als bestimmte frühere Regungen im Hochschulbereich, die selbstorganisiert nur mit einer gewissen Einschränkung waren, nämlich hinter den Kulissen von bestimmten herrschenden Parteien und Strömungen wie SPD und Grünen gesponsort und beeinflußt zu werden, im Sinne von deren teilweise dubioser Agenda.

Die Aktion des Rektorats Bochum, der Polizei und natürlich der NRW-Landesregierung und sehr wahrscheinlich auch Berlins ist durch nichts zu rechtfertigen. Es handelt sich um primitive Repression der herrschenden Kreise, die der Jugend keinerlei Perspektive bieten können, aber verhindern wollen, daß die unvermeidlich aufkommende Kritik sich in eine grundsätzliche Kritik an ihrer kapitalistischen Herrschaft und in selbständige Bewegungen umsetzt.

Von ähnlichem Gehalt ist die Bestätigung des Verbots des Kommunistischen Jugendverbandes Tschechiens (KSM), die heute gemeldet wurde. Der Jugendverband hatte gegen das Verbot, das die Regierung Topolánek im Herbst 2006 erlassen hatte, gerichtlichen Einspruch eingelegt. Offenbar hat das Gericht das Verbot nun bestätigt. Es handelt sich um einen ganz unerhörten Vorgang. Dem Jugendverband konnten keinerlei illegale Aktionen oder Absichten unterstellt werden. Die tschechische Regierung ging von vornherein so weit, den Jugendverband deswegen zu illegalisieren, weil zu seinem Programm gesellschaftliche Vorstellungen vom Gemeineigentum anstelle des Privateigentums an den Produktionsmitteln gehören, von der historischen Überholtheit des kapitalistischen Systems. Hier wird, einmalig für das Europa der vergangenen 40 Jahre, versucht, schon das Denken und öffentliche Diskutieren über die Überholtheit des Kapitalismus, und daß es vielleicht noch etwas Anderes geben könnte als das stumpfsinnige und ruinöse System der Lohnarbeit, das immer größere Menschenmassen und Regionen der Welt in die Verelendung treibt, zu kriminalisieren.

Eine besondere Schärfe erhält diese Verbotsaktion der tschechischen Regierung noch dadurch, daß mit der KSM diejenige Organisation unterdrückt werden soll, die als erste und seit längerem die Pläne der tschechischen Regierung, in Kollaboration mit der US-Regierung das Land zusammen mit Polen zum Standort eines strategischen Raketenabwehrsystems der USA in Europa zu machen, aufgedeckt und bekämpft hat. Dieses Raketenabwehrsystem der USA in zwei Ländern der EU ist auch vom europäischen Interesse insgesamt her strikt abzulehnen, da es mit dem militärischen Schutz Europas absolut nichts zu tun hat, sondern im Gegenteil ein Instrument der USA in deren weltweiter Rivalität mit anderen Mächten, z.B. Rußland oder bald auch China oder auch anderen darstellt. In diese Rivalitäten hineingezogen zu werden, sollte Europa sich nicht mehr erlauben. Wer ernsthaft an einer europäischen selbständigen Position interessiert ist, sollte strikt gegen derartige Pläne Stellung nehmen.

Es ist im Interesse der ganz großen Mehrheit in den europäischen Ländern, daß solche Initiativen wie an deutschen Unis oder in der tschechischen arbeitenden und studierenden Jugend sich entwickeln können und gegen die Repression breiteste Unterstützung erfahren. Die Jugend hat ein unbedingtes Recht darauf, ihre eigenen Perspektiven in der kapitalistischen Gesellschaft zu thematisieren, denn die sind alles andere als rosig. Sie hat Recht, die Diktatur einer bildungsfeindlichen und kapitalistisch idiotisierten Staatsbürokratie über Wissenschaft und Lehre in Frage zu stellen. Sie hat Recht, wenn sie einer Koalitionsregierung rechtester mit grünen ökologistischen Kräfte wie in Tschechien den Kampf ansagt, die einen abenteuerlichen, europafeindlichen und US-hörigen außenpolitischen Kurs versucht.

 

 

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