Internet Statement 2007-83

 

Einige Aspekte der Situation in Birma / Myanmar

 

Uwe Müller  1.10.07     

 

Die Zuspitzung der von buddhistischen Mönchen angeführten Proteste gegen das Militärregime in Birma bzw. Myanmar sowie das harte Vorgehen der Militärjunta haben Birma in den Blickpunkt der Weltöffentlichkeit gerückt.

 

Seit Jahren wird von seiten vor allem der US-Regierung, aber auch Großbritanniens und teils auch der EU Propaganda gegen das Militärregime dort gemacht, wurden Drohungen ausgesprochen und Sanktionen verhängt. Und sie drängen auch jetzt zu verschärften Maßnahmen gegenüber Birma und setzen zunehmend China, Indien und die ASEAN-Staaten unter Druck, gegen die Militärjunta vorzugehen und noch mehr, sie drängen dazu, zu einem Machtwechsel in Birma beizutragen.

 

„Senior Bush administration officials have pressed Chinese officials in private conversations this week to use their leverage with Burmese authorities to limit the violence and help manage a transition to a new government in Burma, which is experiencing its most serious and violent demonstrations in two decades, U.S. officials said yesterday.“   Washington Post 29.9.07

 

Natürlich erfolgt dies einzig und allein im Namen der „Freiheit“, der „Demokratie“ und der „Menschenrechte“. Die US-Regierung tut dies ganz selbstlos. Von eigenen ökonomischen oder strategischen Interessen ist dabei nirgends die Rede. Nun, man kennt das zur Genüge…

 

Wenn die USA und andere imperialistische Mächte wie auch sog. Menschenrechtsgruppen im Namen der abstrakten „Freiheit“, „Demokratie“ und der „Menschenrechte“ auftreten, dann ist höchste Vorsicht geboten. Auch daß buddhistische Mönche, deren Weltanschauung ja nicht eben für Fortschritt und Entwicklung steht, eine Bewegung anführen, läßt aufhorchen und gibt zu denken. Man ist also gut beraten, sich die Sache einmal näher anzuschauen.

 

Aktuelle Auslöser der Proteste waren:

 

„Anlaß des aktuellen Aufbegehrens war bekanntlich die Streichung der Subventionen für Kraftstoffe, die ohne Vorbereitung und Abfederung schlagartig am 15. August 2007 erfolgte und die Preise für staatliche Kraftstoffe auf zirka das Doppelte erhöhte. Das hatte ein erhebliches Ansteigen der Preise des Nahverkehrs und von Grundnahrungsmitteln zur Folge, die in den letzten Jahren ohnehin stark gestiegen sind. Damit war das Maß des Erträglichen überschritten.“     Dr. Uta Gärtner in einem Interview mit der Jungen Welt vom 27.9.07

 

Weiter führt sie zur Rolle der Mönche aus:

 

Zunächst waren kleine Gruppen von Bürgern auf die Straße gegangen. Dafür, warum Mönche sich aktiv beteiligen und die Führung übernommen haben, mag es mehrere Gründe geben: Angefangen hat es mit Aktionen von Mönchen in Pakokku, wo ihre Gemeinschaft recht stark ist und ihre politischen Ambitionen schon bei den antimuslimischen Ausschreitungen 1997 unter Beweis gestellt hatte. Die massiven Versuche der Regierungsseite, sie zu unterbinden, mögen der Auslöser für die landesweite Ausdehnung gewesen sein….


Wogegen Mönche auf die Straße gehen, ist recht klar: die Regierung, die alle Unbill verschuldet und deren Rücktritt gefordert wird. Schwieriger ist zu bestimmen, wofür: »Demokratie«, »Versöhnung« sind sehr weite Begriffe ...“    ebenda 

 

Die Proteste gegen die Militärjunta, gegen die Preissteigerungen und die berichtete zunehmend unerträglicher werdende Lebenslage vieler Menschen in Birma sind berechtigt. Es stellt sich dabei allerdings die Frage, welche politischen Ziele die Mönche oder die sog. Opposition in Birma, die von westlichen Staaten seit Jahr und Tag unterstützt und finanziert wird, dabei verfolgen, was sie für eine positive Konzeption für das Land und für die Bevölkerung eigentlich aufzuweisen haben. Außer abstrakten Forderungen nach „Demokratie“ und „Freiheit“ ist da jedoch nichts näheres bekannt.

 

Vor allem stellt sich jedoch auch die Frage, warum die US-Regierung sich so vehement gegen die Militärjunta und hinter die sog. Oppositionsbewegung stellt und einen Machtwechsel in Birma mit aller Macht durchsetzen will. Geht es ihr dabei etwa um die Lebenslage der Menschen in Birma? Wohl kaum. Worum geht es ihr aber dann?

 

 

Alleine schon die geographische Lage zwischen Indien und China macht Birma zu einem wichtigen geostrategischen Punkt in Asien.

 

„Burma, das die Generäle in Myanmar umgetauft haben, kommt eine enorme geostrategische Bedeutung für die Region zu. So bieten die Generäle, die auch Waffen aus China beziehen, dem großen Nachbarn den einzigen Zugang zum Golf von Bengalen und damit in den Indischen Ozean. Davon profitiert China in doppelter Hinsicht: Zum einen gelangt es so in den Vorhof Indiens, der anderen großen Regionalmacht. Zum anderen will Peking durch den Ausbau des burmesischen Tiefseehafens Kyau Phyu arabisches Öl nach China pumpen. Damit würde es nicht länger auf die Tankertransporte durch die Malakka-Straße angewiesen sein. Bislang müssen alle Schiffstransporte von und nach Nordasien diese Meerenge passieren. Doch heißt es, die Amerikaner könnten im Ernstfall eines Angriffs Chinas auf Taiwan den an seiner schmalsten Stelle gerade einmal 2,8 Kilometer breiten Seeweg sperren.“       FAZ 25.9.07

 

Aber nicht nur das. Birmas größter Handelspartner ist China. Die FAZ überschreibt den eben zitierten Artikel provokativ mit „Peking beutet das Nachbarland seit Jahren aus“ und führt darin aus:

 

’Burmas Bedeutung für China wächst stetig und rasch. Denn China nutzt sein Nachbarland als Rohstoffquelle und als Zugang zum Indischen Ozean, den es selber nicht besitzt’, sagt die Burma-Expertin Marie Lall im Gespräch mit dieser Zeitung, die an der Universität London zu Südasien forscht. Schon als britische Kolonie war Burma ein bedeutendes Rohstoffland. Vor allem Holz und Edelsteine interessierte die Kolonialherren. Seit 1962 haben die Militärs in Burma die Macht übernommen und führen das Land unter Chinas stillschweigender Zustimmung mit äußerster Brutalität. Im Gegenzug bauen chinesische Unternehmen im Nachbarland Tropenhölzer, Jade und Gold ab, legen riesige Monokultur-Plantagen an, auf denen die Burmesen arbeiten, und bauen die ihnen nützliche Infrastruktur aus. ‚Die neuen Straßen im Norden werden von chinesischen Arbeitern gebaut und von China finanziert. Das wiederum macht Indien nervös, da dies ganz nahe an der indischen Grenze Burmas geschieht’, sagt Lall.“    FAZ 25.9.07

 

Doch nicht nur für China, auch für Indien ist Birma von ökonomischer und strategischer Bedeutung:

„Erst am vergangenen Wochenende besuchte der indische Ölminister Murli Deora den im Westen wegen seiner Menschenrechtsverletzungen weitgehend geächteten Pariastaat. Ungerührt von den Massenprotesten gegen die Militärjunta unterzeichnete Murli Deora Verträge über Gaslieferungen, sagte Explorationsinvestitionen von 150 Mill. Dollar zu und sondierte den Kauf weiterer Ressourcen. Bei der Visite ging es Delhi vor allem um eine Revanche. Denn kurz zuvor hatten die birmanischen Generäle Gasreserven an China verkauft, die sie ursprünglich Indien versprochen hatten.

Wie China hungert auch Indien nach nahen, verlässlichen Energiequellen, um sein rasantes Wirtschaftswachstum abzusichern. Die indische Demokratie setzt sich dabei selbst über internationale Sanktionen hinweg. Bis Mitte der 90er-Jahre hatte Delhi noch eine harte Linie gegen die Junta verfolgt und die Opposition offen unterstützt. Die Kehrtwende zu einer Politik des ‚konstruktiven Engagements’ erklären Analysten mit einer strategischen Zwangslage. ‚Viel mehr als durch Hunger nach Ressourcen wird Indien durch Chinas rasante Durchdringung Myanmars zu Reaktionen gezwungen’, sagt Raja Mohan, ein führender indischer Außenpolitik-Experte. Indien fürchte eine strategische Umzingelung durch die Volksrepublik, die bereits eng mit Pakistan alliiert ist.“   Handelsblatt 27.9.07

In wieweit diese Einschätzung der befürchteten Gefahr einer Umzingelung durch China wirklich zutrifft, sei einmal dahin gestellt. Das lenkt doch ziemlich von der Rolle und den Interessen der USA und Großbritanniens in punkto Birma ab. Fakt ist jedoch durchaus, daß beide, China wie Indien, starke und wohl - zumindest teilweise- gegensätzliche ökonomische und strategische Interessen an den inneren Verhältnissen in Birma haben.

 

„Außerdem bildet Myanmar einen Rückzugsraum für Separatisten, die für die Unabhängigkeit von Bundesstaaten in Indiens Nordosten kämpfen. Gegen die Separatisten gehen Militärs beider Seiten gemeinsam vor, mit wachsendem Erfolg. Das ist ein Grund dafür, warum Indien Myanmar Kriegshubschrauber liefern will – Hubschrauber, in denen Technologie aus sechs europäischen Staaten steckt, darunter auch Deutschland.

Myanmar ist für Indien auch wichtig als Transitkorridor in Regionen, mit denen der indische Handel schnell wächst. Das frühere Birma bildet die Landbrücke nach Südostasien.“    ebenda

 

 

Bei diesem Hintergrund, der durch diese Zitate nur grob angerissen werden kann, verwundert es wohl kaum, daß die US-Regierung versucht, sozusagen die Myanmar-Karte zu spielen, nicht um der sog. Menschenrechte willen, sondern in eigenem strategischen und ökonomischen Interesse. Unruhen in Birma, der Kampf um einen Machtwechsel werden durch die USA mit Sicherheit genutzt, um dort selbst mehr Einfluß zu gewinnen und im übergeordneten internationalen Tauziehen China gegen Indien, Indien gegen China auszuspielen.

Es wäre gut, wenn die Bewegung der Mönche, die sog. Opposition und die anderen politischen Kräfte (von denen man hier so gut wie keine Informationen bekommt) in Birma vor ihrem Volk, aber auch vor der internationalen Öffentlichkeit jetzt Stellung nehmen würden zu Fragen wie:

Was soll denn nach der Militärjunta eigentlich kommen? Wie soll die geforderte Demokratie konkret aussehen? Welche Kräfte im Lande sollen sie tragen? Oder welche Außenpolitik soll Birma dann machen? Wie soll die Einigkeit und Unabhängigkeit Birmas gesichert werden? Welche Konzepte haben sie für die wirtschaftliche Entwicklung und die Verbesserung der sozialen Verhältnisse? Das alles ist bis jetzt völlig unklar.

Von daher ist allerhöchste Vorsicht und Zurückhaltung geboten, vor allem auch gegenüber der Subversion seitens der USA und anderer westlicher Mächte, die dort mit Sicherheit eine Rolle spielt und nichts Gutes für das Volk Birmas sowie die internationalen Verhältnisse verheißt.

 

Es wäre nicht das erste Mal, daß eine Nation, ein Volk, mit Hilfe solcher „Menschenrechts“-Bewegungen mit solch „guten Freunden“ wie den USA im Rücken vom Regen in die Traufe kommt. Man nehme nur einmal das Beispiel des Irak.

 

 

 

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