Internet Statement 2007-88

 

Pakistan in der Zerreißprobe

Walter Grobe, 09.11. 2007

Die Spannungen in und um Pakistan haben in den letzten Monaten, für alle ersichtlich, enorm zugenommen. Seit Monaten schon entwickeln sich bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzungen im Lande, vor allem mit Islamisten; vor wenigen Tagen wurde außerdem der Ausnahmezustand verhängt zur Unterdrückung von eher bürgerlichen Oppositionsparteien und parlamentarischen Wahlen; in der westlichen Presse finden sich besorgte Kommentare, Pakistan und die USA stäken in der Sackgasse; offenbar hat auch die US-Regierung bereits mehrfach interveniert, um Musharraf klarzumachen, wie dieser  die Dinge zu regeln habe. Dabei macht George W. Bush kaum anders als der Militärmachthaber Musharraf einen zugleich despotischen und hilflosen Eindruck. In der Krise stecken nicht nur das Land Pakistan selber, seine Gesellschaft und seine maßgeblichen Politiker, sondern auch das internationale politische Geflecht, in dem sie sich bisher bewegt haben und das ihnen bisher einen gewissen Halt gegeben hat, vor allem die Patenschaft der USA. Die USA kommen darüber hinaus mit ihrem Streben nach Dominanz in Zentral- und Südasien in noch größere Schwierigkeiten.

Über die wirtschaftliche und soziale Entwicklung Pakistans wird derzeit noch wenig berichtet, aber Positives auf diesem Gebiet hat man in den letzten Jahren und Jahrzehnten kaum vernommen, und wenn das Schwesterland Indien seit geraumer Zeit als aufsteigende Wirtschaftsmacht angesehen wird, mit großen Chancen bspw. im IT- und im Kernkraftbereich wie auch in der Landwirtschaft, so fehlt es an Parallelen auf der Seite Pakistans anscheinend weitestgehend. Das Land verarmt weiter und fällt auch technisch weiter zurück. Der soziale Druck der Volksmassen Pakistans dürfte eine wesentliche Triebkraft der jetzigen Krise sein – diese Annahme kann man schon aus allgemeinen Gesetzmäßigkeiten ableiten.

Was der internationalen Öffentlichkeit durch die Medien allerdings breit präsentiert wird, ist das Vordringen des islamischen Fundamentalismus in der pakistanischen Gesellschaft und Politik. Diese Frage hängt mit der sozialen Frage zusammen und müßte auch in diesem Zusammenhang analysiert werden, um die Entwicklung besser zu verstehen, aber sie liefert schon für sich genommen eine Masse Zündstoff.

Unter dem Titel „Keine Berührungsängste mit den Mullahs“ schrieb Erhard Haubold am 6.11. 07 in der „Frankfurter Allgemeine Zeitung“:

Als wichtigster Partner Amerikas im Kampf gegen den islamistischen Terror hat er [Musharraf] seit 2001 rund zehn Milliarden Dollar an Hilfe erhalten. Gleichzeitig ist es ihm gelungen, ein wichtiges Werkzeug pakistanischer Außen- und Sicherheitspolitik, die Taliban, nicht aus der Hand zu geben. Und er weiß, wie wenig ernst er Mahnungen aus Washington und London nehmen muss, sein Land möglichst bald zu ‚normalen demokratischen Verhältnissen’ zurückzuführen.”

Im Sommer dieses Jahres war es zu der Bürgerkriegsepisode des Kampfs um die Rote Moschee gekommen. Taliban-Kräfte hatten mitten in der Hauptstadt Islamabad ein bewaffnetes Zentrum errichtet, das schließlich von der Armee verlustreich erobert wurde. Aber diese Auseinandersetzung war nur einer von vielen Zusammenstößen. In der Londoner „Financial Times“ beschreibt Jo Johnson v. 7.11. 2007 unter dem Titel

„Im Krieg mit dem Gesetz: Pakistan vor den Konsequenzen eines Griffs nach der Macht“

die Erosion des pakistanischen Militärs in dieser Konfrontation, das zumindest in äußeren Regionen des Landes den Kampf nicht mehr führen will.

“Außerdem ist das Muster der massenhaften Kapitulationen ein besorgniserregendes Zeichen einer ernsten Malaise in einer von den USA finanzierten Kampftruppe, die für die westliche Fähigkeit, in Afghanistan Krieg zu führen, von entscheidender Bedeutung ist. Zwar mögen die 92.000 pakistanischen Soldaten an der afghanischen Grenze nicht zum Meutern aufgelegt sein, aber ihr Wille, gegen Mit-Muslime in den Stammesgebieten und nun auch in großen Teilen Nordpakistans zu kämpfen, steht immer mehr in Frage.“

Hier heißt es auch:

„Prodemokratische Proteste legen zu, und Befürchtungen wachsen, daß der ursprüngliche Plan des Militärchefs, eine drei-bis vierwöchige Periode ‚chirugischen Kriegsrechts’ den Ereignissen zum Opfer fallen und zu einer längeren Diktaturperiode führen könnte. Das würde westliche Hoffnungen zu Wasser machen, daß sein Regime durch ein Machtteilungsabkommen mit Benazir Bhutto, der früheren Premierministerin, sich eine Fassade der Legitimation vor dem Volk zulegen könnte.

Weit davon entfernt, Pakistans Beitrag zum ‚Krieg gegen den Terror’ zu stärken, könnte der Ausnahmezustand ihn weiter schwächen, fürchten die USA und ihre Verbündeten. Er würde die Wahlen verschieben, die die Aussicht bieten, einem zunehmend unpopulären Regime ein dringend benötigtes ziviles Gesicht zu verleihen, und die militärischen Ressourcen verzetteln.

Solchen Sorgen wurden am Dienstag Nahrung gegeben. Während Tausende von Paramilitärs in Lahore, Karatschi und anderen Städten ausschwärmten, um Rechtsanwälte und Menschenrechtsaktivisten zu verhaften, die die Wiederherstellung der Demokratie verlangen, verloren bewaffnete Islamisten in der Nordwest-Grenzprovinz keine Zeit, um das Vakuum zu füllen.“ (Übs. von mir, wgr)

Im Frühjahr dieses Jahres hatten die USA demonstrativ Druck auf Musharraf gemacht. Um dem international auffälligen Widerspruch etwas entgegenzusetzen, daß sie in Afghanistan einen immer brutaleren, verlustreicheren und sinnlosen Kampf „gegen die Taliban“ führten, indes auf der anderen Seite der Grenze, im Machtbereich ihres engsten Verbündeten Pakistan, massenweise neue Taliban ausgebildet und nach Afghanistan geschickt werden und dagegen nichts unternommen wird, war US-Vizepräsident Cheney zu Musharraf gereist und hatte gefordert, die pakistanische  Armee müsse in der kritischen Nordwest-Grenzprovinz (NWFP) die Taliban unterdrücken. Es folgte die Auseinandersetzung um die Rote Moschee, und auf ihre Zerschlagung folgten weitere verlustreiche Kämpfe in anderen Landesteilen, die seitdem nicht zur Ruhe gekommen sind. Das Ergebnis ist in solchen Schilderungen wie in der “Financial Times” zu besichtigen.

Manche loben Musharraf als den geschicktesten Taktiker unter den bisherigen pakistanischen  Präsidenten. Mit seiner jetzigen Aufgabe aber dürfte der geschickteste Taktiker der Welt überfordert sein. Sein Land hat nun fast dreißig Jahre einer Entwicklung hinter sich, in der es lange Zeit von den USA im Verein mit den saudi-arabischen islamischen Fundamentalisten, dem pakistanischen Geheimdienst ISI und anderen Kräften zum Hauptrekrutierungsfeld für militanten islamischen Fundamentalismus und Terrorismus geformt worden war – und heute soll die pakistanische Militärkaste, das Vehikel der USA für diese Politik,  eben diese islamistischen Kräfte, die zudem in der eigenen Rückständigkeit des Landes tief verwurzelt sind, politisch und militärisch wieder an den Rand drängen. Schon allein das muß zu Zerreißproben führen.

Ein kurzer Rückblick zur Verdeutlichung der Fragestellung. Es war Pakistan, wo ab 1979 die praktische Basis der US-Strategie lag, kriegerische Operationen sogenannter  islamischer Mudjaheddin und Terroristen zu organisieren und zu koordinieren, um der Vorherrschaft der früheren Sowjetunion in Zentralasien und anderswo entgegenzuwirken und letztlich der Sowjetunion eine strategische Niederlage beizubringen. Die Aufreibung der sowjetischen Armee und des restlichen internationalen Ansehens der Sowjetunion (schon lange allerdings war sie keine sozialistische Macht mehr gewesen) in dem von Pakistan aus gesteuerten Afghanistankrieg wurde dann tatsächlich ein wichtiges Vorspiel zur inneren Selbstliquidation der Sowjetunion unter Gorbatschow und seinen Nachfolgern, das „Vietnam“ der Sowjetunion, wie der maßgebliche Designer dieser US-Politik, Brzezinski, es nannte. Zur Erinnerung noch einmal zwei markante Einlassungen Brzezinskis:

„Die CIA-Intervention in Afghanistan

 

Interview mit Zbginiew Brzezinski, dem Nationalen Sicherheitsberater von Präsident Carter

Le Nouvel Observateur, Paris, 15-21 January 1998
Posted at globalresearch.15 October 2001

„Der frühere CIA-Direktor Robert Gates stellt in seinen Memoiren (‘From the shadows’) fest, daß amerikanische Geheimdienste mit der Hilfe für die Mudjaheddin in Afghanistan 6 Monate vor der sowjetischen Intervention begannen. In dieser Zeit waren Sie der Nationale Sicherheitsberater von Präsident Carter. Sie haben daher in dieser Affäre eine Rolle gespielt. Stimmt das?

Brzezinski: Ja. Nach der offiziellen Version der Geschichte begann die Hilfe der CIA für die Mudjaheddin im Jahre 1980, d.h. nachdem die sowjetische Armee am 24. Dezember 1979 in Afghanistan einmarschiert war. Aber die Wahrheit, geheimgehalten bis heute, ist völlig anders. In Wirklichkeit war es bereits am 3. Juli 1979, daß Präsident Carter die erste Direktive über geheime Hilfe an die Gegner des prosowjetischen Regimes in Kabul unterzeichnete. Und genau an diesem Tag schrieb ich dem Präsidenten eine Notiz, in der ich ihm erklärte, daß meiner Meinung nach diese Hilfe eine sowjetische militärische Intervention nach sich ziehen würde.

F: Trotz dieses Risikos haben Sie diese verdeckte Operation befürwortet. Aber vielleicht haben Sie selbst diesen sowjetischen Kriegseintritt gewünscht und dafür gesorgt ihn zu provozieren?

A: Nicht ganz so. Wir haben keinen Druck gemacht, damit die Russen intervenieren, aber wir haben absichtlich die Wahrscheinlichkeit erhöht, daß sie es tun würden.

F: Als die Sowjets ihre Intervention rechtfertigten mit der Behauptung, sie wollten eine geheime Einmischung der USA in Afghanistan bekämpfen, haben die Leute ihnen nicht geglaubt. Jedoch gab es einen wahren Grund. Bedauern Sie heute nichts?

A: Was soll ich bedauern? Die Geheimoperation war eine exzellente Idee. Sie bewirkte, daß die Russen in die afghanische Falle gezogen wurden, und Sie wollen, daß ich das bedauere? Am gleichen Tag, als die Sowjets offiziell die Grenze überschritten, schrieb ich an Präsident Carter. Jetzt haben wir die Möglichkeit, der Sowjetunion ihren Vietnamkrieg zu geben. In der Tat mußte Moskau fast 10 Jahre lang einen Krieg führen, den die Regierung nicht leisten konnte, einen Konflikt, der die Demoralisation und schließlich den Zusammenbruch des sowjetischen Imperiums herbeiführte.

F: Und Sie bedauern auch nicht, den islamischen Fundamentalismus unterstützt zu haben, indem Sie Waffen und Ratschläge an künftige Terroristen gegeben haben?

A: Was ist für die Weltgeschichte am wichtigsten? Die Taliban oder der Zusammenbruch des sowjetischen Imperiums? Ein paar aufgeregte Muslime oder die Befreiung Mitteleuropas und das Ende des Kalten Krieges?

F: Ein paar aufgeregte Muslime? Aber es wurde gesagt und immer wiederholt, daß der islamische Fundamentalismus heute eine Weltbedrohung darstellt.

A: Unsinn! Es wird behauptet, der Westen habe eine globale Politik gegenüber dem Islam gehabt. Das ist dummes Zeug. Es gibt keinen globalen Islam. Schauen sie auf den Islam in rationaler Weise und ohne Demagogie und Emotion. Er ist die führende Weltreligion mit 1,5 Milliarden Anhängern. Aber was gibt es an Gemeinsamkeiten zwischen saudi-arabischem Fundamentalismus, gemäßigtem Marokko, pakistianischem Militarismus, ägyptischem prowestlichem oder zentralasiatischen Säkularismus? Nicht mehr als was die christlichen Länder eint.“

(englisch auf http://www.globalresearch.ca/articles/BRZ110A.html, Copyright, Le Nouvel Observateur and Bill Blum. “For fair use only. “ Meine Übs., wgr)

Der letzte Absatz bedarf noch einer Anmerkung. Brzezinski behandelt hier im Jahre 1998 den islamischen Fundamentalismus gegenüber den Vorhaltungen seines Interviewers demonstrativ nonchalant, als sei das Problem für die USA und ihre lieben Verbündeten leicht zu handhaben, wenn sie nur rational herangingen. So redeten US-Politiker vor dem Jahre 2001, um ihre eigene Verantwortung für das Sponsoring weltweiter reaktionärster Machenschaften zu verniedlichen, bis sie dann umschalteten auf die andere Variante, den islamischen Fundamentalismus als die Weltbedrohung hinzustellen, der gegenüber sich alle Staaten den USA anzuschließen und sogar unterzuordnen hätten. Das ist er zwar nicht, die ganz großen Erschütterungen stehen der globalen Gesellschaft vielmehr durch ihre eigenen kapitalistischen Gesetzmäßigkeiten bevor. Aber wenn er in Teilen zurecht als eine ernsthafte Bedrohung wahrgenommen wird, dann ist er allerdings überhaupt erst durch die Komplizenschaft mit geheimdienstlichen und antidemokratischen Kräften in den westlichen Ländern selbst dazu geworden, und diese Zusammenhänge sollte man immer in erster Linie im Auge haben, wenn man von der Auseinandersetzung mit dem islamischen Fundamentalismus und Terrorismus spricht.

 

In einem anderen Interview äußerte sich Brzezinski 1997 folgendermaßen (http://www.gwu.edu/~nsarchiv/coldwar/interviews/episode-17/brzezinski2.html, meine Übs, wgr):

 „Wir starteten sofort einen doppelten Prozeß, als wir vom sowjetischen Einmarsch in Afghanistan hörten. Der erste bestand in direkten Reaktionen und Sanktionen, die sich auf die Sowjetunion zentrierten, und sowohl das State Department wie auch der Nationale Sicherheitsrat stellten lange Listen der anzuwendenden Sanktionen auf, der Schritte, die für die Sowjetunion die internationalen Kosten ihrer Handlungen erhöhen sollten. Und der zweite Handlungsstrang führte zu meiner Reise nach Pakistan etwa einen Monat nach der sowjetischen Invasion Afghanistans, um mit den Pakistanis eine gemeinsame Reaktion zu koordinieren, deren Zweck darin bestehen sollte, die Sowjets so lange und so heftig wie möglich bluten zu lassen; und wir engagierten uns in diesem Vorhaben in kollaborativem Sinn mit den Saudis, den Ägyptern, den Briten, den Chinesen, und wir begannen, den Mudjaheddin Waffen zu liefern, wiederum aus verschiedenen Quellen – z.B. ein paar sowjetische Waffen von den Ägyptern und den Chinesen. Wir bekamen sogar sowjetische Waffen von der kommunistischen Regierung der Tschechoslowakei, die offenbar für materielle Anreize empfänglich war; und an einigen Punkten begannen wir, Waffen für die Mudjaheddin von der sowjetischen Armee in Afghanistan zu kaufen, denn diese Armee war zunehmend korrupt.“

Später sagt er noch:

“Es hatte vor der sowjetischen Invasion Afghanistans eine gewisse Kühle und Distanz im amerikanisch-pakistanischen Verhältnis geherrscht. Nach der Invasion arbeiteten wir sehr eng zusammen. Und ich muß den Mut der Pakistanis anerkennen: sie handelten mit bemerkenswerter Courage, sie ließen sich einfach nicht einschüchtern und machten Sachen, die man einem verwundbaren Land nicht zugetraut hätte. Wir, das sage ich mit Freude, unterstützten sie sehr aktiv, sie hatten uns im Rücken, aber vor Ort waren sie, sie waren in Gefahr, nicht wir.“

In der Tat war diese Politik bereits für den Staat Pakistan gefährlich. Heute gilt dies umsomehr, als die Taliban und Konsorten inzwischen selbst unter das Feuer der USA zu liegen gekommen sind und die pakistanische  Regierung eine wichtige Komponente ihrer eigenen politischen Basis beschießen muß, während sie gleichzeitig mehr und mehr Soldaten und Polizisten braucht, um die eher säkularen und die demokratischen Richtungen im Lande am Boden zu halten, wahrscheinlich auch - schon jetzt oder bald -, um Aufstände verarmter Massen niederzuschlagen. Und heute ist es nun auch das Intrigengeflecht der US-Regierung selbst, das zu den gefährdeten politischen Erscheinungen zu rechnen ist, zumal die weltweite ökonomische Führungsrolle der USA von ihrer inneren ökonomischen Krise und der internationalen Überschuldung her ins Wanken kommt, die ihrerseits stark mit der militärischen Hybris der USA zusammenhängen.

 

Es gibt noch tiefere Hintergründe für den Existenzkampf des Staates Pakistan, der möglicherweise in diesen Wochen bereits ausgebrochen ist, oder aber später zum Austrag kommen wird. Sie liegen in seiner eigenen Staats-„Raison“, oder sollte man eher sagen: der Irrationalität seiner Grundlagen? Es ist erforderlich, sich bestimmte Geburtsfehler Pakistans aus dem Jahre 1947 vor Augen zu führen, um das Ausmaß der Widersprüche in und um Pakistan einigermaßen zu erfassen.

Es ist bekannt, daß die vormalige britische Kolonie Indien im Jahre 1947 nach Jahrzehnten erbitterter Kämpfe die Unabhängigkeit von Großbritannien erlangte, allerdings nicht ohne zugleich mit der Unabhängigkeit in zwei einander feindlich gegenüberstehende Staaten gespalten zu werden: die Republik Indien und die Islamische Republik Pakistan (die Namen lauteten zunächst „Dominion of Pakistan“ und „Union of India“). Bestimmte islamische Richtungen Indiens hatten die Errichtung eines separaten Muslimstaates seit langem gefordert und diese schließlich mithilfe der international dominierenden Mächten, die 1947 auf den Unabhängigkeitsprozeß einwirkten, erreicht. Zu nennen sind natürlich die alte Kolonialmacht Großbritannien und sicher auch die USA, die weltweit schon längst dabei waren, sich in die Kontrolle des britischen Erbes zu drängen, das durch den Zweiten Weltkrieg endgültig fällig geworden war. Auch Hindu-Fundamentalisten waren beteiligt an der Separation Pakistans von Indien. Diese ist eine Absurdität angesichts dessen, daß hier gerade eines der Kerngebiete Indiens, das Industal, auseinandergerissen wurde, und ein historisches Verbrechen am gesamten indischen Volk, ob muslimischer oder sonstiger religiöser Tradition. So war von vornherein ein feindlicher Gegensatz dieser beiden Staaten in der Welt, auch wegen der Vertreibungen und Massenverbrechen bei der Sezession Pakistans. In den seither vergangenen 60 Jahren wurde diese Spaltung immer wieder von reaktionären herrschenden Kräften in beiden Staaten zu Kriegsabenteuern und der Aufheizung innerer Spannungen genutzt, und ebenso auch von außen durch bestimmte „Supermächte“.  So wurde die Entwicklung des gesamten indischen Subkontinents gehemmt.

Die Spaltung Indien-Pakistan ist ein echt postkoloniales, imperialistisches Schema von Anfang an gewesen. Insbesondere der Staat Pakistan konnte sich kaum entwickeln, da er einerseits ganz offiziell islamische Grundlagen hat, das heißt die Scharia, die im weiteren Verlauf auch immer mehr akzentuiert wurde, andererseits seinen nach vorne strebenden Bevölkerungsteilen eine parlamentarische demokratische politische Kultur versprach, ohne sie einhalten zu können. In der Praxis wurde daher das Land schon relativ früh und dann während der Mehrzahl seiner 60 Jahre sichtbar von Militärdiktatoren regiert, und wenn es zivile Regierung hatte, wahrscheinlich unsichtbar von Militärs mitregiert. 

Der reaktionäre islamische Separatismus und die Wahnhaftigkeit einer gleichzeitig islamischen und modernen Demokratie nach westlichen Schemata, diese Geburtsfehler Pakistans wurden vor allem durch die US-Strategie seit Ende der 70er Jahre, die Aufrüstung des islamischen Fundamentalismus, die Afghanistankriege, daneben auch die Auseinandersetzungen mit Indien etc. noch verschärft. Heute drängen sie als gewichtiger Teil der Probleme sich auf, mit denen das Volk in Pakistan und das gesamte Volk des indischen Subkontinents sich auseinandersetzt bzw. auseinandersetzen wird.

 

 

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