Internet Statement 2007-96

Grausamer Hungertod von Lea-Sophie aus Schwerin – Viele offene Fragen

Lückenlose Aufklärung ist zwingend!

Maria Weiß, 26.11. 2007

Das kleine Mädchen, eine Fünfjährige, ist mitten in ihrer Familie, vermutlich über Monate hinweg, grausamst verhungert, wobei ihr offenbar das Elementarste an Nahrung und Pflege nicht zugekommen ist bzw. sogar verweigert worden ist. Laut Krankenhaus und Ärzten ist der Zustand des Mädchens derart erbärmlich schlimm gewesen, daß keine Rettung mehr möglich gewesen sei. Es war bis auf die Knochen abgemagert, wog noch ganze 7,7 Kilo (eine Fünfjährige!) und wies starke Spuren von Verschmutzung und Vernachlässigung auf.
Abgesehen davon, daß man sich natürlich fragt, wie Eltern so etwas überhaupt fertig bringen und was für Umstände zu so etwas geführt haben können, ist es absolut unglaubwürdig, daß die gesamte Umgebung, einschließlich der Nachbarn, der unmittelbaren Verwandten sowie der zuständigen Behörden, von diesem unsäglichen Vorgang die ganze Zeit über nichts bemerkt haben wollen.

Lediglich Mitte November soll es laut Medienberichten einen anonymen Hinweis an das Jugendamt gegeben haben, der dieses allerdings immer noch nicht zu näheren Prüfungen bewogen hat. Nur ein einziger nicht angekündigter Besuch durch zwei Vertreter des betreffenden Amtes soll daraufhin stattgefunden haben, bei dem sie angeblich niemand angetroffen haben. Bei einem vom Jugendamt veranlaßten Gespräch am nächsten Vormittag mit Vater, Mutter und dem zwei Monate alten Baby soll ebenfalls „nichts Auffälliges festgestellt“ worden sein, einschließlich des für das Jugendamt offenbar ebenfalls „nicht auffälligen“ Umstandes, daß Lea-Sophie bei diesem Besuch nicht anwesend war, sondern sich angeblich „ bei Bekannten“ aufhalte, was für dieses Amt offenbar ebenfalls nicht zu weiteren Untersuchungen Anlaß gab.

Es versteht sich von selbst, daß ein derartiger schwerwiegendster Fall von Versäumnis lückenlos aufgeklärt werden muß, und daß die Bevölkerung hier das Recht hat, ebenso wie natürlich auch alle unmittelbar Betroffenen eine solche Aufklärung notfalls zu erzwingen.

Im krassen Gegensatz hierzu steht das arrogante und selbstgerechte Verhalten der Behörde selbst dazu sowie etlicher zuständiger Landespolitiker und vor allem der zuständigen Staatsanwaltschaft. Von dieser Seite verlautete es gleich zu Anfang: nein, der Behörde sei keinerlei Versäumnis vorzuwerfen und Untersuchungen seien nicht erforderlich.

Wie bitte? Man glaubt nicht richtig gelesen zu haben.

Wie billig darf eine Ausrede denn sein, um diese Amtsvertreter in ihrer Untätigkeit zu rechtfertigen? Offenbar gehört dazu nicht sehr viel.

So lautete es auch prompt von Amtswegen: wir haben viel zu wenig Geld, die Beamten sind reduziert worden, der einzelne Beauftragte hat zu viele Fälle etc. pp. Mag sein, daß reduziert worden ist, aber die Hinwegseherei in einem derart krassen Fall wie dem hier vorliegenden, ebenso wie auch in einigen anderen ähnlichen Fällen, läßt sich damit überhaupt nicht begründen. Das hat ganz andere Ursachen.

Die Großeltern (Anm.1) des Mädchens wollen von dieser Sache laut Medienberichten selbst ebenfalls überhaupt nichts bemerkt haben, da sie keinen oder nur sehr wenig Kontakt zu ihren Kindern gehabt hätten und diese überdies angeblich für „zu faul zum Arbeiten“ gehalten haben sollen.
Nachdem zunächst auffälligerweise über die näheren Lebensumstände der Eltern von Lea-Sophie fast gar nichts berichtet wurde, gibt es inzwischen eine Meldung von Spiegel-Online, daß der 26 jährige Vater angeblich ein arbeitsloser Autolackierer sei. Über die 23jährige Mutter wird sonst überhaupt nichts berichtet.
Die Familie soll mit ihren beiden Kindern, Lea-Sophie und ihrem zwei Monate alten Bruder, sowie Hunden und Katzen in einer Wohnung gelebt haben, die sich laut dem Jugendamt in einem „sauberen und ordentlichen Zustand“ befunden habe, es sei „genug zu Essen“ dort gewesen und „das Kinderzimmer soll liebevoll eingerichtet“ gewesen sein. Erstaunlich! Es fällt schwer, dem Amt diese idyllische Schilderung abzukaufen.

Wenn der Vater tatsächlich arbeitslos war, dann stellt sich die Frage, von was die Familie gelebt hat. Haben sie vielleicht Hartz IV bezogen? In einem solchen Fall sind Behörden im Allgemeinen, was Kontrolle und Ausfragerei angeht, nicht gerade zurückhaltend. Sie zwingen die Leute, sich laufend zu melden, ständig erreichbar zu sein, machen nicht selten unangemeldete Besuche etc pp. und streichen auch gerne die Gelder, wenn jemand sich an irgendeine ihrer unzähligen Vorgaben nicht hält. Alles Dinge, die längst beitesten Unmut hervorgerufen haben. Wie ist das im vorliegenden Fall gehandhabt worden, und woher rührt diese angebliche völlige Ahnungslosigkeit der Behörden? Von was hat diese Familie gelebt, was für ein Einkommen hat sie bezogen? Darüber wird weitestgehend Stillschweigen gewahrt.

Eine andere Frage, die man sich stellt ist, ob das Mädchen nicht in einen Kindergarten oder eine Kita gegangen ist, und wenn ja, ob dort auch nichts bemerkt worden ist. Einer Zeitungsmeldung ist zu entnehmen, daß die Eltern im November 2006 einen Kitaplatz beantragt haben sollen. Was ist daraus geworden? Hat man hier etwa abgewartet, bis das Kind verhungert ist?

Das ist ja nun nicht der einzige Fall, der ein sehr negatives Licht auf zuständige Behörden geworfen hat, sondern es gab in der Vergangenheit schon etliche solche Fälle. Man denke nur an den Fall des kleinen Kevin aus Bremen, der von seinem eigenen Vater solange gequält und mißhandelt worden ist, bis er schließlich tot war – ebenfalls unter den Augen der dortigen Behörden, denen wohlbekannt war, daß der Vater ein langjähriger Rauschgiftabhängiger ist, und die ihm trotzdem mehrfach die Obhut des Kindes wieder anvertrauten. Oder der brutale Fall der kleinen Jessica aus Hamburg, die von ihren eigenen Eltern solange gequält, eingesperrt und hungern gelassen wurde, bis sie schließlich qualvoll gestorben ist, was ebenfalls niemand bemerkt haben wollte. Ganz zu schweigen von den Fällen, wo Mütter ihre eben geborenen Babies umbrachten und sie irgendwo verscharrten, was auch keiner bemerkt haben will.

Die meisten dieser grauenhaften Dinge geschahen mehr oder minder unter den Augen der Behörden, und das ist wirklich nicht mit Geldmangel derselbigen zu erklären. Dafür gibt es nur eine einzige Erklärung: Korruption in großem Umfang. Und der kann man ja wohl nicht dadurch zu Leibe rücken, in dem man noch mehr Geld da rein pumpt!

Jeder kennt das Messen mit zweierlei Maß von Seiten sog. Sachbearbeiter. In dem einen Fall ist die Bewilligung von Geldern überhaupt kein Problem, da flutscht das sofort, es wird dieser Antrag bewilligt und jener Antrag bewilligt und die Knete fließt, wenn nämlich der Filz entsprechend ist und die Verbindung stimmt. In dem anderen Fall sieht es sehr oft so aus, daß Leute monatelang oder sogar jahrelang um die ihnen zustehenden Gelder kämpfen müssen, bis hin zu Gerichtsprozessen, die sich hinziehen. Und sie in der Tat aufpassen müssen, daß sie in der Zwischenzeit nicht verhungern, weil die Behörde sich nicht rührt. Davon kann jeder, der schon mal damit zu tun gehabt hat, ein Liedchen singen. Was es unter diesen Bedingungen bedeutet, den Behörden mehr Geld in den Rachen zu schmeißen, läßt sich an den 10 Fingern abzählen. Es ist mit Sicherheit auch kein Mittel, um tatsächlich dort existierende Knappheit an notwendigem Personal entgegen zu wirken, da sehr oft Leute an der ganz verkehrten Stelle sitzen, wo sie eigentlich gar nicht gebraucht würden, während andere, namentlich in den unteren Ebenen, sich zu Tode ackern dürfen. Auch das ist bekannt. Um möglichen Mißverständnissen hier vorzubeugen: Wir sind natürlich nicht dagegen, daß für den Erziehungsbereich (Schule, Kindergärten, Hochschulen usw.) mehr Geld zur Verfügung gestellt wird, z.B. für Lehrer- und Erzieherstellen. Da gibt’s ja dann auch eine Art Rückkoppelung, denn das merken die Kinder im Unterricht, in den Kitas etc. Ganz im Gegenteil, hier gab es ja tatsächlich krasseste Kürzungen und Einschränkungen in den letzten Jahren. Und die Folgen sind dort allenthalben zu spüren , was bereits zu Recht angegriffen worden ist und unbedingt weiterhin angegriffen werden muß. Eine ganz andere Frage aber ist, was bringt es, wenn man bei Ämtern, selbst beim Personal, mehr Geld reinsteckt, denn hier stellt sich aller Erfahrung nach die Frage: führt das tatsächlich zu grundsätzlichen Änderungen in der Arbeitsweise, zu einer tatsächlichen Verbesserung in der Versorgung (z.B. bei Jugendämtern) oder fördert man letztendlich damit nur die Korruption? Wer kontrolliert das eigentlich?


Der vorliegende Fall muß lückenlos aufgeklärt werden. Das ist ein elementares Interesse der Bevölkerung und sicherlich auch der Betroffenen selber, und vielleicht nicht zu letzt auch der jetzt angeklagten Eltern. Notfalls muß dieses erzwungen werden. Zum Beispiel ist durchaus auch die Frage zu stellen, ob in diesem Fall Behörden notwendige Lebensmittel verweigerten, indem Anträge auf den Sankt Nimmerleinstag hinausgeschoben wurden und insofern die Katastrophe mit verursacht haben. Es paßt zum Beispiel nicht unbedingt zusammen, daß Eltern ein zweites Kind in die Welt setzen und gleichzeitig die eigene Tochter verhungern lassen. Dies bedarf der Klärung! Auch die Nachbarn sind zu befragen. Die wollen ja angeblich immer nur den Hundedreck auf dem Flur bemerkt haben und höchstens ab und zu mal das kleine Mädchen weinen gesehen haben. Auch das ist vollkommen unglaubwürdig. Wenn ein Kind über Monate hinweg hungert, so daß es am Schluß sich in einem solchen Zustand befindet, daß es sein Leben verliert, dann muß das auch bemerkbar gewesen sein, auch vorher schon.

Es nützt überhaupt nichts, sich damit zu beruhigen, indem man sagt, na ja, die Leute sitzen jetzt ja im Gefängnis, in U-Haft, und die Justiz wird das schon aufklären. Das tut sie eben nicht, jedenfalls sehr häufig nicht oder nicht ausreichend. Das weiß auch jeder, der schon mal versucht hat, vor Gericht zu seinem Recht zu kommen. Es ist so, daß auch vor den Justizbehörden die Korruption keineswegs Halt macht. Sehr oft wird nicht in der notwendigen Weise aufgeklärt und die entsprechenden Konsequenzen gezogen. Deswegen muß auch in dieser Angelegenheit ein scharfes Auge darauf gerichtet sein, was hier weiter passiert.

Es gibt ja nun inzwischen von Regierungsseite auch Äußerungen der Betroffenheit und des Bedauerns dieses krassen Falls. Merkel äußerte sich in diesem Sinne, auch die Familienministerin v. d .Leyen äußerte Zweifel an der völligen Nichtverantwortung der Jugendbehörden. Was daraus praktisch folgen wird, wird man dann ja sehen, vielleicht. Von Anderen ist aber gar nichts verlautet, beispielsweise von Seiten des Ministerpräsidenten von Mecklenburg-Vorpommern, dem betroffenen Bundesland. Was sagt denn dieser dazu? Auch Bundesinnenminister Schäuble verhält sich bemerkenswert still, obwohl dieser doch sonst nicht genug davon kriegen kann, jedweden Vorfall zum Anlaß zu machen für eine weitere Verschärfung von allen möglichen Maßnahmen zur allseitigen Kontrolle der Bürger.

Ein Skandal ist auch die Reaktion von Seiten sich links nennender Zeitungen oder auch Organisationen. Diese hüllen sich weitgehend in Schweigen. Mit Ausnahme der Zeitung Junge Welt, welche bezeichnenderweise in ihrem Artikel als Konsequenz in der Hauptsache „Mehr Geld für die Behörden“ forderte (Anm. 2), ist dazu wenig bekannt. Hat ihnen ihr schlechtes Gewissen die Sprache verschlagen oder wieso ist ihnen diese Sache kaum einen Kommentar wert?

Objektiv stellt dieser weitere unsägliche Vorfall im Grunde genommen auch eine scharfe Anklage gegen die bestehende hiesige Gesellschaftsordnung in ihrer heutigen konkreten Ausprägung dar. Er steht objektiv in einem sozialen Zusammenhang mit der Politik, wie sie hier seit den letzten 30 Jahren und insbesondere in den letzten 5 bis 7 Jahren in diesem Land von regierender Seite betrieben worden ist. Nämlich der des massiven Abbaus und der Verlagerung der Produktion ins Ausland, und infolge damit der Überflüssigmachung großer Teile der Bevölkerung hierzulande, indem man ihr, d.h. der jetzigen arbeitsfähigen Bevölkerungsmehrheit und vor allem auch deren Kindern - ohnehin wenig genug - die Existenzmöglichkeiten und damit die Zukunft entzieht. Das ist eine Politik, die namentlich von der Sozialdemokratie unter Schröder in Verbindung mit den Grünen auf die Spitze getrieben worden ist, und seitdem von der Großen Koalition unter Merkel mehr oder minder fortgesetzt wird. Damit will ich nicht die etwaige individuelle Verantwortlichkeit in dem konkreten Fall Lea-Sophie beiseite drücken. Es ist aber meiner Ansicht nach unverzichtbar, dieses objektive Verhältnis zu sehen, um daraus die richtigen Konsequenzen zu ziehen.


Anm.1:
Gemeint sind hier die Großeltern väterlicherseits. Die Großeltern mütterlicherseits sollen laut einem Tagesspiegelbericht vom 26.11.07 inzwischen schwere Vorwürfe gegen das Jugendamt Schwerin erhoben haben. Sie hätten sich in der Vergangenheit mehrfach an dieses Amt gewendet, da sie den Eindruck gehabt hätten, die Eltern seien mit der Erziehung überfordert, wie es hieß. Das einzige, was das Amt ihnen daraufhin angeboten hätte, sei gewesen, die Polizei vorbeizuschicken, im Falle daß das Kindeswohl gefährdet sei. Dies hätten sie so aber nicht gewollt. Andere Hilfsangebote seien nicht gemacht worden.

Anm. 2:
Der erwähnte Junge Welt-Artikel enthält aber ein interessantes Zitat des Vorsitzenden der Deutschen Kinderhilfe Direkt e.V., Georg Ehrmann, der darin auf die Frage der JW, ob „mit einem politischen Umdenken“ angesichts dieses Falles zu rechnen sei, antwortet:
„Leider nein. Dieselbe aufgeregte Debatte, wie wir sie jetzt erleben, wurde exakt vor einem Jahr nach dem Tod des kleinen Kevin aus Bremen geführt. Das einzige, was den Verantwortlichen damals wie heute einfällt, ist die Forderung nach ärztlichen Pflichtuntersuchungen. Das ist kalter Kaffee, weil damit suggeriert wird, die Behörden hätten ein Erkenntnisproblem. Beispiel Berlin: Sämtliche der 480 dort erfassten kriminalstatistischen Fälle von Kindesmisshandlungen ereigneten sich in Familien, die schon unter Beobachtung der Jugendämter standen. Es wurden nur die nötigen Maßnahmen nicht ergriffen....“

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