Internet Statement 2009-11

 

Zum 1. Mai

Wo bitteschön haben die ArbeiterInnen hier die Freiheit und die Demokratie darüber zu bestimmen, daß ihre Fabriken, die Industrie und Produktion erhalten bleiben?


Klas Ber   29.4.09 

Das ganze kapitalistische Profitsystem steckt gerade weltweit mitten in einer seiner bisher schwersten Krisen, demonstriert, daß es so nicht gehen kann, daß der Kapitalismus überhaupt kein Gesellschaftssystem ist, das dem jetzigen Stand der Entwicklung der Produktivkräfte mit seinen internationalen globalen Verbindungen gerecht werden kann, und es wird mit großen Verwerfungen reagiert.

Die Lage verschärft sich ständig weiter durch die weltweite Krise, und in etlichen europäischen Ländern haben sich in letzter Zeit KollegInnen mit vielfachen Protesten, mit Streiks, Werksbesetzungen usw. gegen Werksschließungen und Entlassungen zu wehren versucht. Gegen die Krisenpolitik der Regierung haben dortige Gewerkschaften bereits zu großen Streiks, Kundgebungen und Protesten mobilisiert. Daß es soziale Unruhe in den Ländern gibt, ist bei diese Entwicklung ganz logisch. Daß die KollegInnen sich zur Wehr setzen: mit Recht. Und außerdem: längst sollten die KollegenInnen in den anderen Ländern auch durch die hiesigen Gewerkschaften und Belegschaften Unterstützung finden.
Wozu es aber vor allem kommen muß ist, daß die Forderung nach der Beseitigung dieses Profitsystems aufgestellt wird.


Auffällig dagegen die relative Untätigkeit und Zurückhaltung des DGB und der Gewerkschaftsführung, bisher irgend etwas größeres zur Unterstützung des Widerstands oder bundesweit gegen die Krisenpolitik der Regierung zu mobilisieren.

Auch bei den diesjährigen 1. Mai-Veranstaltungen, die unter der Organisation des DGB und der Gewerkschaften hier zu Lande schon lange kaum noch mehr als eine gewerkschaftsfamiliäre Festivität mit Redebeiträgen, eventuell noch einem Demozug sind - man braucht sich nur einmal das jahrelang praktizierte und diesjährige Programm des DGB, z.B. der Berliner 1. Mai-Veranstaltung, dazu anzusehen - ist nichts Nennenswertes zu erwarten.

Nun aber wird vom DGB zumindest im Rahmen Europäischer Aktionstage „Fight the Crisis – Put People First“, des Europäische Gewerkschaftsbunds zu einer großen Demo am 16. Mai in Berlin aufgerufen. Weitere Demonstrationen werden bei diesen Aktionstagen in Madrid (14.5.), Brüssel (15.5.), Prag (16.5.). stattfinden.
Viele werden die Möglichkeit nutzen, ihrem Protest und Unmut gegen die Regierungspolitik Ausdruck zu verleihen. Und es sollten auch solche Möglichkeiten, die sich bieten, unterstützt bzw. genutzt werden, um den direkten Zusammenschluß der KollegInnen, der über solche Manifestationen hinausgehen muß, auszubauen, enger und konkreter werden zu lassen. Dabei den Zusammenschluß selbständig voranzutreiben ist unumgänglich. Auch über Europa hinaus. Die Sache muß vom internationalistischen Gedanken, der Unerstützung und des Eintreten gegen die Ausbeutung der ArbeiterInnen, der Völker und Länder der Dritten Welt getragen werden.

So sind z.B. KollegInnen aus Brasilien bemüht dies zu tun. Es existiert ein „Aufruf zum Kampf gegen die Entlassungen und Angriffe der Automobilunternehmen weltweit“, von KollegInnen, Gewerkschaftern aus Brasilien, in dem aufgerufen wird „ein internationales Treffen zu veranstalten, auf dem wir gemeinsame Aktionspläne beraten, um der internationalen Wirtschafts- und Finanzkrise zu begegnen und unsere Arbeitsplätze, Arbeitsrechte und Arbeitsgehälter verteidigen, ohne zu Geiseln der Erpressungen derer zu werden, die uns immer schon ausgebeutet haben.“

Ein weiteres gutes praktisches Beispiel lieferten erst letzte Woche die KollegenInnen aus Frankreich und Deutschland, unterstützt von Delegationen aus einigen anderen Ländern (Mexiko, Belgien), die in Hannover zusammenkamen, um gemeinsam gegen die drohenden Schließungen der Conti-Fabriken in Clairoix und Hannover-Stöcken vor der Hauptversammlung der Continental-Aktionäre zu protestieren. Das sollte Schule machen.


In Frankreich ist die Wut vieler Belegschaften über die Behandlung, die sie durch das Kapital erfahren, über den Verlust ihrer Arbeit und damit ihrer Existenz schon so groß, daß sie bereits mehrfach zu drakonischen Mitteln wie die Festsetzung von Managern gegriffen haben um etwas durchsetzen zu können. Dies findet durchaus Verständnis und Unterstützung in der breiten Bevölkerung Frankreichs. Und auch hier ist das Verständnis unter den KollegInnen groß.

Ganz anders und ablehnend die Stellung des DGB, seines Vorsitzenden Sommer dazu. So äußerte der in einem Interview auf die Frage „In Frankreich häufen sich die Fälle von sogenanntem Bossnapping. Hätten Sie Verständnis dafür, wenn aufgebrachte Arbeitnehmer ihre Chefs in Protestaktionen als Geisel nehmen?“ : „Nein, das lehne ich strikt ab. Das ist keine Form des Protestes, die für uns akzeptabel wäre. Man kann nicht für Freiheit und Demokratie kämpfen und gleichzeitig Leute kidnappen.“ (Tsp.26.4.09)
Das ist eine niederträchtige Hetze gegen die französischen KollegInnen – die den Kollegen in den Rücken fällt, ganz im Interesse des Kapitals und der Obrigkeit. Manch französischer Manager äußert da mehr Verständnis, aber nicht so dieser hiesige DGB-Vorsitzende.

Was ist denn das Festsetzen von ein paar Managern durch ArbeiterInnen, deren Existenz vom Kapital bedroht wird, damit sie überhaupt etwas durchsetzen können, gegenüber dem, was unter dem Kapital in all den Ländern weltweit an Verwerfungen stattfindet; was durch das Kapital an Werten, zumal jetzt in seiner Krise, vernichtet wird. Werte die in Billionen genannt werden, hinter denen aber Arbeit, Leistung, Menschen mit ihrer Existenz und Zukunft stehen. Der DGB schreibt zwar auch manch schönes Wort wie: „Die Finanz- und Wirtschaftskrise bedroht Beschäftigte und ihre Familien.“ und „Banker, Manager und Spekulanten, die die Krise verursacht haben, müssen in die Pflicht genommen werden“, aber wenn die Auseinandersetzung mal handfest von Arbeitern geführt wird, wie eben jetzt teilweise in Frankreich, dann distanziert sich die hiesige Gewerkschaftsführungsspitze gleich ganz scharf und fällt ihnen in den Rücken.
Naja, das dürfte wohl in der sog. Sozialpartnerschaft zwischen DGB, Regierung, Staat und Kapitalverbänden begründet liegen und diese wieder beruhigen, wo die schon bei der kleinsten Bemerkung 'es könnte Unruhen geben', wenn es zu Massenentlassungen kommt, aufschrecken, denn 'da darf man nicht mal drüber reden', wenn es nach diesen Leuten ginge. Wie tönern muß ihr System wohl sein?!

Und wenn im gleichen Interview, im Zusammenhang mit der jetzigen Krise, die Frage kommt, ob dieses Land das Recht auf einen Generalstreik braucht, dann wird auch dies natürlich von Sommer weit von sich gewiesen, der da meint: „Die bestehenden Demonstrations- und Streikrechte reichen aus“. (ebenda) Sicher mag das aus der Sicht saturierter Gewerkschaftsführer und der Obrigkeit reichen, aber sicher nicht dazu, daß die ArbeiterInnen ihre Fabriken und die Produktion erhalten können.

Wo bitteschön haben die ArbeiterInnen hier die Freiheit und die Demokratie darüber zu bestimmen, daß ihre Fabriken, die Industrie und Produktion erhalten bleiben? Schon mal auch deshalb, um erstmal die Existenz zu sichern und nicht Anhängsel und Almosenempfänger des Staates zu werden, dann aber auch um die Zukunft zu gestalten. Diese Freiheit muß sein, und sie muß erkämpft werden, sonst kann von Demokratie nicht die Rede sein.

Bei verschiedenen Streiks in den letzten Jahren, die sich gegen Werksschließungen richteten, ist von der Justiz nochmals deutlich gemacht worden, daß es eben kein Streikrecht gegen die Schließung eines Werkes, gegen das Privateigentum an Produktionsmitteln, in diesem Land gibt. Hier wird den Belegschaften diktiert, sich gefälligst abzufinden und mit Geld abfinden zu lassen. Wie also kann davon die Rede sein, das bestehende Streikrecht reiche aus.

Diese Antworten des DGB-Vorsitzenden machen nur noch einmal deutlich, wie sich DGB und Gewerkschaftsführung zu einer mit Konsequenz geführten Auseinandersetzung von Seiten der Arbeiter und Werktätigen gegen das Kapital stellen.
Wessen Freiheit und Demokratie ist es also, die der DGB mit seiner Politik der Sozialpartnerschaft stützt? Sicher nicht die Freiheit und Demokratie der ArbeiterInnen zu konsequenter Gegenwehr. Die Demokratie muß erst noch erkämpft werden.

Was darum wirklich weiterführen kann: mit dem System von sogenannter Sozialpartnerschaft brechen - den Klassenkampf anpacken, grenzübergreifend und im internationalistischen Gedanken.

 

 

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Zweifellos hat es in Asien eine mächtige, revolutionäre industrielle Entwicklung in den letzten 30 Jahren gegeben. Aber insgesamt betrachtet, ist es in der "Dritten Welt" nur eine winzige Minderheit, die ausreichend an dieser Entwicklung einen Anteil hat..."