Internet Statement 2009-17


Ökofaschismus und gewöhnlicher politischer Ökologismus

Walter Grobe, 19.7. 2009      

Die Internetseite <Arbeit-Zukunft.de> bringt als Diskussionsbeitrag der „Sozialistischen Linken Hamburg“ einen Artikel mit dem Titel „Ökofaschismus“  mit einer Reihe übelster menschenfeindlicher Zitate von frühen Initiatoren der heutigen Öko-Bewegung wie Hubert Weinzierl, dem langjährigen früheren Vorsitzenden des BUND, von Herbert Gruhl, Mitbegründer der Partei Die Grünen, Rudolf Bahro und anderen. Es wird von „Überbevölkerung“ gefaselt und gehetzt, sie durch Atombomben, AIDS etc. einzudämmen. Die „Inflation“ der Ansprüche der großen Masse müßten durch einen diktatorischen Staat, durch einen esoterischen „ökologischen Rat“ der Eingeweihten niedergehalten werden, usw. usf. In der Tat lassen sich solche Äußerungen mühelos mit denen früherer Nazi-Exponenten in eine Reihe stellen, und die Feststellung der „Sozialistischen Linken“, „der Ökofaschismus ist die Modernisierung des Nationalsozialismus“ hat von daher etwas Wahres an sich. Es ist gut, daß solcher Dreck angegriffen wird.


Aber warum thematisiert der - als Diskussionsbeitrag gedachte - Angriff gegen den Ökofaschismus mit keinem Wort den Zusammenhang solcher faschistischer Ideen-Exkremente mit dem ganzen Zustandekommen der ökologistischen Richtung in unserem Land in der Zeit ab 1974/75?

Wäre es nicht ein erstrangiges Thema zur Kritik der heutigen bürgerlichen Herrschaft, einmal nachzuzeichnen, wie solche „Ideen“ im Laufe der Jahrzehnte ihren Weg in die Politik aller bürgerlichen Parteien gemacht haben? Ist es nicht so, daß man in der Regierungstätigkeit der SPD/CDU/CSU heute sehr wohl massive praktische Umsetzungen solcher Ideologie verfolgen kann?

Und es muß auch die Frage nach dem Zusammenhang des Ökofaschismus mit der Entwicklung der Linken gestellt werden.

Mit der Anti-Kernkraft- Bewegung ab etwa 1974 wurde die Verschmelzung von offenen extremen Rechten wie Gruhl und Springmann mit großen Teilen einer Linken, die bis dahin noch mit revolutionärem und kommunistischem Anspruch aufgetreten war und von daher damals in diesem Lande noch eine erhebliche Durchschlagskraft hatte, vor aller Augen betrieben. Es war das Alltäglichste der Jahre 1974 usw., daß man sich im Kampf gegen Kernkraftwerke verband.

Vom gemeinsamen „Kampf gegen Kernkraftwerke“ ausgehend schritt auch die organisatorische Verschmelzung trotz aller möglicher Streitereien und Konkurrenzen immer weiter voran, bis schließlich im Jan. 1980 die „Linken“ vom KB, von der KPD-AO, vom KBW gemeinsam mit den Ökofaschisten Gruhl und anderen die „Die Grünen“ bildeten, ergänzt natürlich durch naive Menschen ohne politischen Durchblick, durch Kirchenleute mit ihrer eigenen Agenda, usf., und alles das angefeuert und unterstützt von halbstaatlichen Organen wie dem „Spiegel“ und ganzstaatlichen wie dem Fernsehen. Unter den bevollmächtigten Sprechern Gruhl, Haußleiter (einem Alt-Antisemiten) und Neddermeyer durften sog. Linke wie Jürgen Reents vom KB-Nord (heute Chefredakteur von „Neues Deutschland“) das Programm der grünen Partei vorbereiten. Erst nachdem der Karren massiv in Gang gesetzt war und als Konzentrat die Partei Die Grünen entstanden war, kam es in den kommenden Jahren auch wieder zu plakativen Aktionen wie der Abspaltung der ÖDP unter Gruhl 1982. Wenn die SoL meint, mit dem Ausscheiden solcher Figuren habe diese Partei sich zunächst einmal nach links entwickelt, bleibt sie an der Oberfläche, denn der Kampf gegen die Kernenergie und überhaupt gegen moderne Technik, die Ansichten vom „Menschen“ als dem Schädling der Natur usf. bleiben als Gemeingut dieser Partei erhalten.

Die einzige Organisation, die die Anti-Kernkraft-Ideologie und die Verschmelzung mit dem ultrarechten Gedankengut kritisierte, die Neue Einheit-Organisation, wesentlich von ihrem Vorsitzenden Hartmut Dicke/Klaus Sender inspiriert, wurde von den „linken“ Beteiligten dieser üblen Verschmelzung nicht weniger verhetzt als von den Rechten und Nazis, in deren Reihen der Ökologismus ebenfalls zu Hause ist, und wird nicht zuletzt wegen dieses fundamentalen Gegensatzes bis heute von der gesamten ökologisierten „Linken“ wie ein Paria behandelt.

Wußten die KB-Nord-Leute, die KPD-AO-Führer, die KBW-Führer etc., als sie gemeinsam mit den von der „Sozialistischen Linken“ zitierten Hetzern wie Gruhl, Springmann und Konsorten die Anti-AKW-Bewegung konsolidierten und mit ihnen gemeinsam die Grüne Partei zusammenschusterten, etwa nicht, daß das Faschisten und Ökofaschisten waren? Warum haben sie es trotz dieses Wissens getan? Haben sie nicht gemeinsam mit diesen Organisationsformen entwickelt, in denen der Ökofaschismus sehr wohl sein Betätigungsfeld fand, wenn er auch mit solchen direktesten Spitzen, wie sie die „SoL“ hier zitiert, sich in der Regel etwas zurückhalten mußte?
Dieser Verrat hatte allerdings seine Vorgeschichte in der gesamten Auseinandersetzung in der revolutionären Bewegung des Jahrzehnts zuvor, was hier nur angedeutet werden kann.

Es sollten zum Thema Ökofaschismus noch tiefere gesellschaftliche Zusammenhänge beachtet und studiert werden.

Was hat die Entwicklung der Anti-AKW-Kampagne und das hiervon ausgehende immer weitere Infiltrieren des ökologistischen Prinzips in die gesamte Politik und Kultur dieses Landes mit der Entwicklung des Kapitalismus, mit dem Kampf der Bourgeoisie um die Erhaltung ihrer Herrschaft zu tun? Die heutigen Regierungen, gleich ob rotgrün oder Große Koalition, verkünden, die gesamte Politik müsse sich der angeblichen Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen unterordnen, nach derzeitiger Sprachprägung: es gelte die Erde vor der Erwärmung durch den Menschen zu retten, wobei der Mensch – in Wirklichkeit ist natürlich nur der sog. Massenmensch gemeint, nicht die selbsternannten „Eliten“ - dabei aufs erste schon mal erhebliche Einbußen bei Löhnen und demokratischen Rechten hinnehmen müsse. Da sollte man sich doch fragen, ob diese Ideen in ihrem Wesen sehr verschieden von den ökofaschistischen sind. Daß die Bourgeoisie Gefallen findet an der Senkung der Masseneinkommen, an Regierungsformen aus gewissen oligarchischen Hintergrundstrukturen heraus, schließlich an der Dezimierung von Menschen, für die das Kapital keine Verwendung mehr hat, ist ja nicht schwer nachzuvollziehen. Daß das sog. „Ökoprinzip“ sich aber auch in der sog. Linken voll etabliert hat, dazu stehen messerscharfe Auseinandersetzungen an. Wie hat das kommen können, und welchen Beitrag will die SoL zur Aufklärung hier leisten?

Für die Ökofaschisten gibt es keine teuflischere soziale Kraft als den modernen Arbeiter, der gestützt auf die Entfaltung der Produktivkräfte nach besserem Lebensstandard, nach mehr Entfaltungsmöglichkeiten für sich und seine Kinder und letztlich zur gesellschaftlichen Emanzipation strebt. Das ist die innere Triebkraft der ultrarechten Versuche, die Natur, die nach gewissen hinterwäldlerischen Vorstellungen auf diesem gesellschaftlichen Entwicklungswege am Untergehen sei, über den Menschen, d.h. über den Klassenkampf zu stellen. Das knüpft auch an kleinbürgerliche Tendenzen an. Und so betrachtet existiert auch ein verbindendes Element mit den Ängsten der Bourgeoisie, daß „übermäßige“ Industrialisierung in bestimmten Ländern, „übermäßige“ Konzentrationen anspruchsvoller und Kampferfahrungen sammelnder moderner Lohnabhängiger die „natürliche“ gesellschaftliche Ordnung gefährden können. Die Ideologen der „sozialen Marktwirtschaft“ nach dem 2. Weltkrieg, die hauptsächlich mit der CDU verbundenen Röpke, Müller-Armack etc. waren damals bereits Gegner der Kernenergie und Verfechter einer sog. Kreislaufwirtschaft, einem Gruhl keineswegs völlig fern (und einer heutigen „MLPD“, die nicht zufällig mit ÖDP-Elementen verbunden ist). Allerdings kamen diese Ideen in den 50er und 60er Jahren zunächst weniger zum Tragen, weil die internationalen Gegensätze damals eine rasche industrielle Entwicklung der BRD erforderten. Dem Marxismus sind solche Ideen völlig wesensfremd.

Aber dann kann man in unserem Lande, ähnlich auch in anderen entwickelten kapitalistischen Ländern, etwa seit den revolutionären Aufwallungen Ende der 60er/Anfang der 70er Jahre durchaus beobachten, wie die Bourgeoisie versucht, das Anwachsen dieser modernen Faktoren hierzulande zu bremsen, z.B. Produktion in andere Regionen der Welt zu verlagern und insgesamt eine beträchtliche Entindustrialisierung gerade in Deutschland und auch in weiten Teilen Europas zu betreiben. Von daher gibt es seitdem auch wieder eine stetig zunehmende Propaganda von Ökoideen seitens der Bourgeoisie, vor allem über Medien und Schulen, eine Anfeuerung solcher Regungen, eine Instrumentalisierung und Pervertierung auch kapitalismuskritischer und demokratischer Regungen für Ökokampagnen seit dieser Zeit. Die Anti-AKW-Kampagne war von Anfang an ein Konzentrat solcher Absichten und ein wesentliches Vehikel der ökologisierenden Deformation des Landes.

Wenn die Regierungen heute mehr oder weniger ökologistische Politik machen, dann ist das keineswegs in erster Linie das Ergebnis davon, daß Bürgerbewegungen sie zur Rücksicht zwingen würden, sondern es ist eine Grundtendenz innerhalb der Bourgeoisie. Aber die spricht natürlich selbst ungern offen ökofaschistisch, sondern bevorzugt das Spiel über die Bande. Es ist gelungen, große Teile der Linken zunächst für die Anti-AKW-Kampagne einzuspannen und im weiteren auch zum Schweigen gegenüber der Verminderung der Arbeiterklasse, gegenüber der Schwächung ihres gesellschaftlichen Gewichts, gegenüber ihrer Spaltung, ja gegenüber der Bevölkerungsverminderung überhaupt zu bringen.

 

Die heutige Linke ist völlig vermaulkorbt in der Frage der Produktionsverlagerungen und der Demografie, wenn sie nicht sogar in manchen Teilen erklärt, das alles sei eigentlich ganz gut. Sie propagiert den Atomausstieg und die sog. „Erneuerbaren Energien, wesentliche Faktoren einer weiteren Schwächung der industriellen Basis, teilweise mit größeren Fanatismus und viel mehr Einheit als die Bourgeoisie, in der manchmal auch andere Interessen sich geltend zu machen versuchen. Die heutigen Regierungen praktizieren einen mainstream-Ökologismus, der nichts weiter als Ökofaschismus soft ist, weniger verbalradikal als dieser, aber schleichend effektiv, und die sog. Linke versteht sich in vielen Fällen als ihr Mahner und Einpeitscher – einer fundamental reaktionären, gegen die Entwicklung von Grundlagen großer revolutionärer Bewegungen gerichteten Politik!

Die Anprangerung bestimmter Exponenten des direkten Ökofaschismus kann auch dazu dienen, von der Auseinandersetzung mit dem realen Ökologismus abzulenken und der längst fälligen Auseinandersetzung mit dem Einfluß dieser radikal anti-klassenkämpferischen Politik auszuweichen. Es gilt aber vor allem, den Zusammenhang zu erfassen.

Was also hat der Ökofaschismus mit der Raubbau- und Ausschlachtungspolitik großer Teile der deutschen Bourgeoisie gegenüber den eigenen Lohnabhängigen und der eigenen Nation zu tun? Solche Fragen sollten gestellt werden – den Ökofaschismus als ein reines Rechtsaußenphänomen zu brandmarken, ohne seine Verankerung in der Mitte der Bourgeoisie und der kleinbürgerlichen Spießer ins Auge zu fassen, die allesamt noch immer von der internationalen Ausbeutung profitieren, würde ihn nur begünstigen. Und noch ein anderer Aspekt: was hat er mit dem Kampf der verschiedenen internationalen Kapitalgruppen und imperialistischen Länder untereinander zu tun? Es liegt auf der Hand, daß konkurrierende Länder es mit Genugtuung sehen, wenn ein Konkurrent sich in der Energieversorgung zunehmend auf besonders teure und unsichere auslandsabhängige Formen festlegen läßt.


Unter der Überschrift „Klimawandel oder doch nur Gelaber?“ versammelt der Artikel außerdem auch einige Zitate bürgerlicher Leute, die den ultrarechten Charakter der ganzen Klimaprophetie und damit der Politik von CDU/CSU, SPD, Grünen, FDP, DieLinke etc. , die Neonazis nicht zu vergessen, wenigstens in bestimmten Aspekten angreifen. Ja, es ist eine traurige Tatsache, daß solche bürgerlichen Rechten in dieser Sache sich bisweilen sachlich-kritischer gegenüber dem mainstream des Kapitals verhalten als faktisch die ganze Front aus Ökos, kleinbürgerlichen sog. Globalisierungskritikern und schließlich fast der gesamten sog. Linken, die alle zusammen 2007 in Heiligendamm in einer wirklich einmaligen Distanzlosigkeit der deutschen Regierung den Rücken stärkten bei den Anstrengungen, die anderen Mächte stärker in ihre grundverlogene CO2-Reduzierungspolitik einzuspannen. Wäre es nicht endlich an der Zeit zu fragen, wie faktisch die gesamte sich als links verstehende Bewegung in eine Position hat kommen können, die regierungstreuer, anpasserischer an den kapitalistischen Mainstream ist als mancher rechte Bourgeois?

 

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