Internet Statement 2010-22

 

 

Bundespräsident Horst Köhler  - für eine imperialistische Interessenspolitik auch mit militärischem Einsatz, aber auch für die reaktionäre "ökologische Revolution" eingetreten -  ist abgetreten


Klas Ber, 31.5./1.6. 2010

und das ist überhaupt nicht bedauerlich.

Kurz nach 14 Uhr geht die Meldung durch die Nachrichten, daß Horst Köhler mit sofortiger Wirkung vom Amt des Bundespräsidenten zurücktritt. Nur wenige Zeit danach tritt er dann selbst mit seiner kurzen Rücktrittserklärung vor die Presse und die Öffentlichkeit.

"Meine Äußerungen zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr am 22. Mai dieses Jahres sind auf heftige Kritik gestoßen. Ich bedauere, dass meine Äußerungen in einer für unsere Nation wichtigen und schwierigen Frage zu Missverständnissen führen konnten. Die Kritik geht aber so weit, mir zu unterstellen, ich befürwortete Einsätze der Bundeswehr die vom Grundgesetz nicht gedeckt wären. Diese Kritik entbehrt jeder Rechtfertigung. Sie lässt den notwendigen Respekt für mein Amt vermissen.
Ich erkläre hiermit meinen Rücktritt vom Amt des Bundespräsidenten - mit sofortiger Wirkung…."

Diese Äußerungen von H. Köhler, dem Bundespräsidenten dieser Republik, vom 22. Mai, zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr waren und sind auch wirklich unmißverständlich und entschieden zurückzuweisen. Eine derartige Politik, die darin zum Ausdruck kommt, die hier vorgegeben und etabliert werdem soll, kann auch keinesfalls geduldet werden. Und da kann man auch den Rücktritt nicht bedauern - dessen Rücktritt hätte man sowieso fordern müssen.
Daß seine Kritiker aus der sog. Opposition, SPD, Grüne, Linke dies nicht taten und über seinen Rücktritt jetzt auch noch ihr Bedauern ausdrücken (‚das haben wir nicht gewollt'), zeigt doch wieder, wie sehr sie letztlich doch miteinander verbunden sind und wie wenig von diesen Kräften und ihrer Kritik zu halten ist.

Aber zunächst einmal, was waren Horst Köhlers Äußerungen in diesem Interview vom 22. Mai.? Hier noch mal ein etwas längerer Auszug der betreffenden Stelle, wie es im Interview des Deutschlandradio wiedergegeben ist, mit der Hervorhebung von mir.

"Ricke: In der politischen Debatte wird auch darüber nachgedacht, ob das Mandat, das die Bundeswehr in Afghanistan hat, ausreicht, weil wir uns inzwischen in einem Krieg befinden. Brauchen wir ein klares Bekenntnis zu dieser kriegerischen Auseinandersetzung und vielleicht auch einen neuen politischen Diskurs?

Köhler: Nein, wir brauchen einen politischen Diskurs in der Gesellschaft, wie es kommt, dass Respekt und Anerkennung zum Teil doch zu vermissen sind, obwohl die Soldaten so eine gute Arbeit machen. Wir brauchen den Diskurs weiter, wie wir sozusagen in Afghanistan das hinkriegen, dass auf der einen Seite riesige Aufgaben da sind des zivilen Aufbaus - also Verwaltung, Korruptionsbekämpfung, Bekämpfung dieser Drogenökonomie -, gleichzeitig das Militär aber nicht alles selber machen kann. Wie wir das vereinbaren mit der Erwartung der Bevölkerung auf einen raschen Abzug der Truppen.

Ich glaube, dieser Diskurs ist notwendig, um einfach noch einmal in unserer Gesellschaft sich darüber auszutauschen, was eigentlich die Ziele dieses Einsatzes sind. Und aus meiner Einschätzung ist es wirklich so: Wir kämpfen dort auch für unsere Sicherheit in Deutschland, wir kämpfen dort im Bündnis mit Alliierten, mit anderen Nationen auf der Basis eines Mandats der Vereinten Nationen, einer Resolution der Vereinten Nationen. Alles das heißt, wir haben Verantwortung. Und ich finde es in Ordnung, wenn in Deutschland darüber immer wieder auch skeptisch mit Fragezeichen diskutiert wird. Meine Einschätzung ist aber, dass insgesamt wir auf dem Wege sind, doch auch in der Breite der Gesellschaft zu verstehen, dass ein Land unserer Größe mit dieser Außenhandelsorientierung und damit auch Außenhandelsabhängigkeit auch wissen muss, dass im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege, zum Beispiel ganze regionale Instabilitäten zu verhindern, die mit Sicherheit dann auch auf unsere Chancen zurückschlagen negativ, bei uns durch Handel Arbeitsplätze und Einkommen zu sichern. Alles das soll diskutiert werden, und ich glaube, wir sind auf einem nicht so schlechten Weg."

Das ist doch durchaus deutlich und gar nicht mißverständlich, daß H. Köhler, wie schon das eine oder andere Mal zuvor, hier wieder einmal etwas weiterbefördert, diesmal in Richtung aggressiver Kriegspolitik. Reaktionäre imperialistische Interessen, die in der Bourgeoisie herrschen, bringt er offen zum Ausdruck. Und das kommt nicht von ungefähr jetzt in der Krise, die dieses kapitalistische System mit samt seinem Staat immer tiefer ergreift, daß da der oberste Repräsentant dieses Staates solche Dinge rausläßt. Das ist doch ein Ausdruck davon, daß Teile der Bourgeoisie, hier aus dem Staat, in solche Sachen aus der Krise flüchten wollen.

Neulich war es schon diese stinkreaktionäre sog. ökologische Revolution, für die er sich und sein Amt in die Auseinandersetzung geworfen hat. Das ist sozusagen die andere Seite der Medaille. Die Unterdrückung der Produktivkräfte hier nach innen, und die militärische Aggression nach außen. Und beides mal, immer wieder, werden die Menschen dabei betrogen, wird ihnen vorgelogen, es sichere ihre Einkommen und Arbeitsplätze.

Was sagen denn die Gewerkschaften dazu, wo ist jetzt deren entschiedene Abfuhr für diese Politik und Köhler? Das können die doch nicht einfach ausklammern.
Was der Vorsitzende des DGB, M. Sommer, zu Köhlers Rücktritt schreibt, ist allerdings die Spitze. "Ich habe Sie als untadeligen, aufrechten und gradlinigen Bundespräsidenten geschätzt, dessen Verfassungspatriotismus unzweifelhaft war und ist." Wie kann man Köhler nach all dem auch noch dermaßen lobhudeln und noch was von "Verfassungspatriotismus" faseln. Das ist so etwas von Kumpanei die zwischen diesen Kräften, und mit diesem Staat herrscht, daß man nur sagen kann: Von solch einer Führung sollte man sich trennen.
"Arbeitsplätze und Einkommen zu sichern" auf Kosten anderer Länder und Völker, gar noch mit militärischen Mitteln - von einem selbständigen Proletariat jedenfalls muß das entschieden bekämpft werden.

Insofern war die einsetzende Kritik dagegen auch richtig, aber auch erst der Anfang, und es war im Grunde auch abzusehen, wenn das weiter geht: der konnte im Amt auch nicht weiter bleiben. Dem ist H. Köhler nun wohl zuvor gekommen. Selbst seine Parteifreunde müssen wohl gemerkt haben, daß er untragbar wird, entsprechend gering war deren Unterstützung, bis auf Herrn Guttenberg. Daß Köhler keine Unterstützung mehr erhalten hat, das kann nur jemand bedauern oder gar kritisieren, der doch auf irgendeine Art mit dieser Politik und dem System zusammenhängt, wie das in etlichen Nachbetrachtungen der Medien zum Rücktritt geschieht.

Von Seiten eines selbständigen Proletariats und der Massen ist da nichts zu bedauern an seinem Abgang, sondern die Auseinandersetzung mit dieser aggressiven reaktionären Politik muß weiter geführt werden. H. Köhler war sozusagen nur eine Spitze, der hat mal relativ deutlich, ohne einlullende Phrasen, ausgesprochen worum es der Bourgeoisie hier eigentlich wirklich geht.

 

Festhaltenswert ist auch, wenn man so die Äußerungen der verschiedenen Politiker zu Köhlers Rücktritt hört, daß dabei gerade auch aus der sog. Opposition, SPD, Grüne, Die Linke, diejenigen, die gestern noch Köhler wegen seiner Äußerung kritisiert hatten, diese nun ihr Bedauern über seinen Rücktritt zum Ausdruck bringen. Da ist zu hören‚ das haben wir nicht gewollt' oder ‚die Kritik ist doch kein Grund zum Rücktritt.'

Warum sagt keiner dieser Kritikern: jawohl, wer so etwas vertritt, kann nicht Bundespräsident sein. Der kann uns nicht repräsentieren. Das wäre die richtige Konsequenz. Nein, allenthalben ist Bedauern über den Rückritt zu hören. Von der CDU/CSU/FDP Regierungskoalition sowieso, aber auch von der sog. Opposition, die die ihn gestern noch kritisiert hat, von der SPD über die Grünen, Trittin, bis zu Gysi (Linkspartei).
Zeigt das nicht, wie sehr diese Kräfte letztlich doch eine gemeinsame Grundlage, dieser Staat, verbindet, und wie wenig von der Kritik dieser Kräfte zu halten ist?

Ein gutes Beispiel ist der Grünen-Politiker Trittin, der gestern noch als einer der scharfen Kritiker in den Medien herausgestellt wurde - "Fraktionschef Jürgen Trittin hatte Köhler vor Kanonenboot-Politik gewarnt und mit einer 'losen Deckskanone an der Spitze des Staates' verglichen." - und der jetzt erklärt: seinen Rücktritt haben wir damit nicht gewünscht. Ist schon klar warum, schließlich war H. Köhler, sozusagen von der obersten Staatsspitze her, Vertreter der reaktionären "ökologischen Revolution". Vertreter eines Sparregimes gegen die Massen und gleichzeitig gegen Steuersenkungen.

Trittin erklärte: "Der Rücktritt von Horst Köhler verdient Respekt. Auch wer seine Auffassung zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr nicht teilt, muss anerkennen, dass er sich um eine ernste Antwort in dieser schwer umstrittenen Frage bemüht hat. Dieses hat zu harten auch zu kontroversen Diskussionen geführt. Wir hätten uns gewünscht daß Horst Köhler seine Äußerungen klarstellt, nicht daß er zurücktritt.
Horst Köhler hat in seiner Amtszeit wichtige Anstöße gegeben, gerade in unserem Verhältnis zum Nachbarkontinent Afrika, den er immer als Partner, nicht als Objekt der Hilfe betrachtet hat. Und er hat sich nicht gescheut auch gerade unbequeme Wahrheiten, etwa über die Konsequenzen des Klimawandels auszusprechen.
Horst Köhler war der Kandidat mit dem Schwarz-Gelb seinen Anspruch dieses Land zu regieren unterstrichen hat. Schwarz-Gelb hat ihm, das war wohl seine Überzeugung am Ende, nicht die Unterstützung gegeben die er für nötig hielt"

( http://www.gruene-bundestag.de/cms/videos/dok/342/342257.koehlers_ruecktritt_verdient_respekt.html)

Wenn Herr Trittin sich eine Klastellung gewünscht hat, so hat es so einen Versuch doch gegeben. Von Horst Köhler, bzw. über sein Amt, wurde ja eine Klarstellung versucht, das sich die Äußerung angeblich nicht auf Afghanistan bezogen haben soll. Das aber war nicht mehr als eine Ausrede, der Versuch sich aus der Sache wieder rauszuwinden. Es wäre also gut mal zu wissen, wie Herr Trittin sich selbst die Klarstellung vorgestellt hat. Korrigieren konnte sich Horst Köhler wohl kaum, hat er doch ausgesprochen, was zumindest unter Teilen der Bourgeoisie hier Sache ist, wenn dies auch sonst nicht so öffentlich in ihren Interviews gesagt wird, weil es sehr wohl und mit recht auf Widerstand stößt. Und dieser Widerstand muß weiter gehen.

Der heutige taz-Kommentator, eben auch einer, der auf seine Art bemüht ist die Äußerung runterzuspielen und Köhler deckt, der mit dem Rücktritt so gar nicht zufrieden ist, meint:

"Mit seiner Einlassung zu Militäreinsätzen und wirtschaftlichen Interessen Deutschlands vertrat Köhler eine Linie, die im vom Parlament beschlossenen Weißbuch zur Sicherheitspolitik steht. Man kann sie mit Recht für verwerflich halten. Köhler aber beging auf dem verminten Feld von Krieg und Auslandseinsätzen lediglich den Fehler, auszusprechen, was politischer Konsens ist - was sich aber niemand zu sagen traut. Kritik hätte er leicht aussitzen oder eben offensiv kontern können." (taz Kommentar v. 1.6.2010)

Das wird so hingestellt als ob genau das was Köhler gesagt hat hier schon Konsens wäre. Das könnte diesen Kräften so passen. Dann bitteschön, soll mal ruhig konkret geschrieben werden, wer heute an diesem politischen Konsens so alles beteiligt ist? Das Weißbuch des Verteidigungsministerium stammt von 2006, zur Zeit der großen Koalition. Bei der Bevölkerung wird das jedenfalls auf Widerstand stoßen, wie der Einsatz in Afghanistan.

Man kann allerdings aus verschiedenen Verlautbarungen zum Rücktritt Köhlers durchaus seine eigenen Schlüsse ziehen. Hier noch ein weiteres Beispiel, die SPD, die von Anfang an den Bundeswehreinsatz in Afghanistan mit dem Slogan bemäntelte, die Sicherheit Deutschlands sei auch am Hindukusch zuverteidigen. In ihrem Bedauern um den Rücktritt des Bundespräsidenten kann man bei der SPD lesen, daß sie seine Äußerungen für keinen Rücktrittsgrund hält. Na, wenn das für die kein Grund ist, jemanden aus dem Amt zu jagen, sondern zu bemängeln er hätte nicht genug Rückhalt von der Regierung erhalten, muß das eine ziemliche Übereinstimmung im Kern der Sache geben.

"Mit Bedauern und Respekt hat der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel die Rücktrittsankündigung des Bundespräsidenten zur Kenntnis genommen. Offensichtlich habe Horst Köhler zu wenig Rückhalt bei Union und FDP gehabt - die umstrittenen Interviewäußerungen des Bundespräsidenten allein seien kein Rücktrittsgrund." gibt die SPD auf ihrer Internetseite ihren Vorsitzenden Sigmar Gabriel wieder.

Aber auch die Partei Die Linke hängt an diesem Bundespräsidenten. Gysi erklärte auf der Pressekonferenz:

"Der Rücktritt von Bundespräsident Horst Köhler verdient Respekt, zumal er als erster Repräsentant die wahren Gründe für den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan genannt hat. Dennoch erscheint seine Reaktion auf Kritik an seinen diesbezüglichen Äußerungen überzogen. Auch der höchste Repräsentant der Bundesrepublik muss sich öffentlicher Kritik stellen. Man merkt, dass er vorher kein Politiker war, sonst hätte er das ausgehalten."
(Pressemitteilung v 31.05.2010, http://www.linksfraktion.de/pressemitteilung.php?artikel=1213741904)

 

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