Internet Statement 2012-15

 

Das sind Auswirkungen der kapitalistischen Krise

Arbeiterkorrespondenz, 17.5. 2012     

Der Konzern, zu dem das Werk gehört, in dem ich arbeite, ist momentan nicht liquide und das ist nicht das erste Mal. Das wurde gestern in einer Abteilungsversammlung mitgeteilt. Darum hat der Vorstand kurzfristig beschlossen, konzernweit die Produktion und alles andere für einen Tag, am Montag, ruhen zu lassen, also für einen Tag zu schließen. Bezahlt bzw. ausgeglichen wird das, bei uns jedenfalls, mit Freizeitausgleich für bereits geleistete Mehrarbeit in der Woche und an Wochenenden. Die Schließung für einen Tag gilt für alle Werke, dabei ist das Werk hier in Berlin momentan und seit einiger Zeit das einzige, das dem Kapital Gewinn bringt. Trotzdem wird auch dieses Werk für einen Tag still gelegt.

Noch letzte Woche wollte die Werksleitung unbedingt, daß doch auch am morgigen „Brückentag“, der bei uns als freier Tag vereinbart ist, und am Sonnabend noch produziert wird, auf freiwilliger Grundlage. Es hat sich aber keiner dazu bereit gefunden. Die Kollegen sind erbost darüber, wie sie mit der ganzen sog. Flexibilisierung behandelt werden und ihr Familienleben darunter leidet und wie ihre Arbeit behindert wird, z.B. durch häufig fehlende Ersatzteile und anderes was nicht bestellt werden kann weil angeblich kein Geld da ist.

Es existieren Zahlungsschwierigkeiten, so daß schon Rohstofflieferanten die Lieferung abgelehnt haben, da sie nicht bezahlt bzw. nicht rechtzeitig bezahlt werden. Ohne Rohstoffe, Schrotte usw. können wir keinen Guß für die weitere Halbzeugproduktion herstellen. Die Gießerei wird wohl sogar erst wieder ab Mittwoch nächste Woche anlaufen. Bis dahin wird dann in den anderen Abteilungen noch alles, was im Werk in den Produktionslinien liegt, fertig gestellt.

Zahlungsschwierigkeiten existieren schon seit längerem. Der Vorstand des Konzerns, Sitz Italien, hatte schon vor längerer Zeit eine Begleichung der Rechnungen von 90 Tagen eingeführt. Und immer wieder hört man seitdem von Beschwerden von Firmen, die ihr Geld nicht rechtzeitig bekommen. Wenn man da mal nachfragt, bekommt man Antworten wie: einerseits ist das natürlich eine schlechte Zahlungsmoral, aber die „öffentliche Hand“ bezahlt ihre Rechnungen ja noch schlechter und den Lohn zahlen wir doch noch pünktlich.

Es gibt seit letztem oder vorletztem Jahr auch ein „Konzept“, welches Material möglichst für wenige Zeit in den Produktionslinien zwischen einzelnen Produktionsschritten zwischenlagert. Das ist eigentlich nicht so ungewöhnlich im Prozeß, so ein Werk durchzurationalisieren und auch nicht falsch. Aber hier kommt die Vorstellung hinzu, daß wenn zuviel zwischenlagert, dann soll die vorangehende Produktion solange gestoppt werden bis die Aufträge abgearbeitet sind. Auf der anderen Seite gibt es dagegen keine Neu-Investitionen in oder für bestimmte Anlagen, die diesen Stau verursachen. Das soll durch Strukturveränderungen verbessert werden, was nur bedingt geht - aber in der Realität ist es Illusionsmacherei

Das Kapital kann auf Grund seines eigenen Systems, auf Grund der Krise in der es steckt, seinen Profit nicht mehr wie gewünscht realisieren und drosselt statt dessen die Produktion, wälzt so weit es kann die Lasten der Krise ab, was nichts anderes als verschärfte Ausbeutung bedeutet und zum Schaden der Arbeiter und der ganzen Gesellschaft gereicht.

Abgewälzt wird dies soweit es geht eben auch auf die Belegschaft, die dann z.B. gleich wieder in einigen Abteilungen am darauffolgenden Sonnabend arbeiten muß. Möglich ist das über die Flexibilisierung der Arbeitszeit, die vor Jahren schon, übrigens mit Zustimmung der Gewerkschaft und einer Mehrheit im Betriebsrat, eingeführt wurde. Und diese Möglichkeiten nutzt die Firma immer aggressiver. Mit der Zeit spüren nun immer mehr der Kollegen was das bedeutet, nachdem man ihnen das anfänglich bei der Einführung noch schön geredet und nur scheibchenweise angewandt hat.

Überhaupt ist die Flexibilisierung der Arbeit mitsamt ihrer gleichzeitigen Ausdehnung auf den Sonnabend einer der Maßnahmen, womit das Kapital seine Krise auf die Arbeiter abwälzt.
Genauso gehört zum flexiblen Einsatz der Arbeiter auch die Reduzierung der sog. Stammbelegschaft und dann darauffolgend ihre Aufspaltung in den Teil der Belegschaft, der noch einen unbefristeten Vertrag hat und denjenigen Teil, der nur noch mit befristeten Verträgen eingestellt wird, oft mehrmals und über Jahre hinweg. Hinzu kommen die Kollegen, die von anderen Leihfirmen verliehen werden, die für einen Lohn, der kaum oder eher gar nicht zum Leben reicht, arbeiten müssen. Dazu gehört die Auslagerung von Teilen der Produktion oder die Vergabe von Teilen der Produktion mit Werksverträgen. Und nicht zu vergessen auch starke, brutale Lohnsenkungen, die mit Androhung von Entlassungen oder gänzlicher Werksschließung erzwungen und durchgesetzt werden. Einer der früheren Geschäftsführer äußerte einmal recht offen: wenn man in der Senkung der Lohnkosten nicht weiter kommt, dann macht man eben Outsourcing.

Es ist eben durchaus „Klassenkampf von oben“ was hier läuft. Und ausgehaltene Elemente in der Gesellschaft wollen abwiegeln und uns weis machen, es gäbe ihn hier gar nicht mehr - Quatsch. Auf Organisationen der Arbeiteraristokratie, Kräfte, die von der (vor allem internationalen) Ausbeutung mitprofitieren, können wir nicht setzen, die wiegeln alles ab. Einfach in Verweigerung verharren ist ebenfalls verkehrt. Was wieder auf die Tagesordnung gehört ist, daß wir unseren Klassenkampf anpacken, den proletarischen, und diesen organisieren und entwickeln, schließlich alle Produktivkräfte befreien und die Gesellschaft von allen Ausbeutungsverhältnissen befreien.

Es wäre doch gelacht, wenn wir es nicht besser könnten.

Diese Frage stellt sich momentan mehr denn je in sämtlichen europäischen Ländern, wobei das Unsrige, als obendrauf Schwimmendes und von den übrigen profitierendes Land, gegenwärtig es am aller schwersten macht, dagegen aufzustehen. Nicht ohne Grund hat die Bourgeoisie, ihre obersten Kreise international, eine teuflische Furcht davor, daß in Griechenland so etwas wie eine revolutionäre Umwälzung stattfinden könnte. Dabei ist Griechenland nur die Spitze des Eisbergs oder eben das schwächste Glied in der Kette.

kb

 

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