Internet Statement 2012-30

 

Das ist überhaupt keine Alternative!

Zu dem Interview Steinbrück - Jauch vom 7. Oktober 2012

Maria Weiß  7.10.2012     

Sicherlich ist Peer Steinbrück von seinem intellektuellen Format her gegenwärtig so ungefähr der einzig mögliche Kandidat, den die SPD überhaupt zu bieten hat. Von daher ist es natürlich kein Wunder, daß dieser aufgestellt wurde. Aber was hat er denn selbst zu bieten?
Was er inhaltlich daher redet, zum Beispiel heute Abend in dem Gespräch mit Günter Jauch, das war ziemlich mager. Das läßt im Grunde eine ganze Menge im Unklaren. Mal abgesehen von einigen Absichtserklärungen, was Banken und Steuerreformen angeht, ist da nicht viel drin gewesen. Die ganze Energiefrage ist völlig außer Acht gelassen worden. Auch die Frage der weiteren ökonomischen Entwicklung ist ebenfalls außer Acht gelassen worden, dazu wurde gar nichts gesagt.

Statt dessen wurde sich ausdrücklich auf Schröder und dessen Hartz-IV-Politik berufen und diese ausdrücklich unterstützt und gar als das „geniale“ Programm zur Rettung des Staates und seiner Krise in den ersten 10 Jahren des neuen Jahrtausends gelobt. Es wurde als erklärtes Ziel proklamiert, von Steinbrück, eine rot-grüne Regierung anzustreben und, ähnlich wie die letzte dieser Sorte unter Schröder, nunmehr eine „Agenda 2020“ aus der Taufe zu heben.

Wirklich schöne Aussichten !

Auch die ganze Energiepolitik Merkels wurde mit keinem einzigen Wort erwähnt. Nicht mal die Wende in der Atompolitik, gar nichts. Das läßt im Grunde eine Menge Fragen offen.
Abgesehen von der bekundeten Absichtserklärung, eine Koalition aus Rot-Grün zu wollen, hat dieser Kandidat die Katze eigentlich nicht wirklich aus dem Sack gelassen. Eine Alternative zur Merkel-Regierung wird in dieser Weise daraus nicht.

Bemerkenswert ist wirklich, daß dieser Kandidat erklärtermaßen einerseits Rot-Grün anstrebt und keine große Koalition, zugleich aber genau die Merkelsche Politik in wesentlichen Punkten fortzusetzen beabsichtigt. Das deutet darauf hin, daß in Wirklichkeit die Bourgeoisie überhaupt keine echte Alternative zu dieser aufzubieten hat und daß bei der SPD und Konsorten auch nicht an eine echte Opposition zu denken ist, geschweige denn bei den Grünen. Ob die Marktwirtschaft sich der Demokratie anpassen muß (was die SPD und die Grünen angeblich möchten) oder umgekehrt die Demokratie der Marktwirtschaft, dazwischen besteht kein großer Unterschied, höchstens insofern als daß im ersteren Fall der Staat vielleicht wieder ein kleines Übergewicht erlangt und ein bißchen mehr absahnen kann.

Was aus den ganzen Ausführungen dieses Kandidaten heraustrat, war ganz deutlich die Absicht, vor allem das gegenwärtige Wirtschaftssystem zu retten, sozusagen die „Fliehkräfte“ in der Gesellschaft zu neutralisieren und den Zusammenhalt - was immer das in seinen Augen sein mag - der Gesellschaft zu stärken. In diesem Zusammenhang ist auch bemerkenswert, daß Steinbrück als ein solches Instrument dafür die Kirche betrachtet, d.h. die idealistische Seierei, das Hinwegtünchen über die tatsächlich existierenden Gegensätze wird damit an die Spitze gestellt. Vielen Dank, darauf kann man verzichten. Und ganz nebenbei, auch der russische Präsident Putin beliebt es neuerdings, sich religiös zu gebärden und zusammen mit dem Patriarchen abbilden zu lassen und überhaupt die russische orthodoxe Kirche erneut in den Staatsapparat einzubinden bemüht zu sein. Es braucht nicht viel Verstand um zu sehen, was dahinter steckt.

Auch in der Rentenfrage beispielsweise wird ein völlig unklarer Standpunkt vertreten. Natürlich ist es formal richtig zu sagen, daß die Prozentzahl (beim Lohn) allein nicht ausreicht, sondern das Gesamtvolumen entscheidend ist, daß beispielsweise 51 Prozent von 2000 Euro natürlich mehr sind als 51 Prozent von 1000 Euro, das ist logisch. Bloß wie soll diese Erhöhung auf 2000 Euro (eine Verdoppelung quasi) erreicht werden? Darüber wird nichts gesagt, das wird völlig offen gelassen. Will die SPD sich unter Steinbrück etwa massiv für höhere Löhne (ganz beträchtlich höhere müßten es sein wie das Beispiel zeigt) einsetzen? Wie soll das funktionieren? Das ist das, was bei diesen Ausführungen im Dunkel bleibt.

Will die SPD etwa zusammen mit den Gewerkschaften sich für höhere Löhne einsetzen? Es müßten schon erheblich höhere Löhne sein, um bei einer absinkenden Prozentzahl in der Rente, wie es geplant ist, auf ein solches Ergebnis zu kommen, daß damit Altersarmut verhindert wird, wie es hier postuliert wurde. Man darf gespannt sein, was daraus wird. Die Erfahrung zeigt allerdings, daß derartige Ankündigungen vor Wahlen noch nie eine sonderlich lange Lebensdauer aufwiesen. Gerade die SPD ist dafür bekannt, zuweilen mit Wahlversprechen kurzen Prozeß zu machen. Auch die Ankündigung, sich für gleichen Lohn für gleiche Arbeit bei Leiharbeitern und Stammbelegschaften einzusetzen, ist unter diesem Gesichtspunkt eher mit Fragezeichen zu versehen, wenngleich die Forderung selbst in der Tat völlig richtig und ihre Durchsetzung längst überfällig ist.

In der Praxis zeichnet sich jetzt schon das Gegenteil ab. Wenn zum Beispiel in punkto Energiefrage überhaupt nichts gesagt wird, zu den ganzen sich ankündigenden Strompreiserhöhungen kein einziges Wort verloren wird, auf der anderen Seite hier aber Lohnversprechungen gemacht werden, dann kann man nur sagen: da ist der Betrug bereits vorprogrammiert. Was nützt ein höherer Lohn, wenn er denn überhaupt zustande käme, wenn er längst durch massive Strompreise oder andere Schikanen, die die Grünen innerhalb der Koalition sich dann ausdenken werden und die erfahrungsgemäß gerade die schlechter Verdienenden teuer zu stehen kommen, überboten wird?

Auch ist die Frage, was die verschiedenen von Steinbrück angekündigten Steuererhöhungen, bzw. Einführung neuer Steuern eigentlich bewirken werden, sogar die Kapitalsteuer, welche geplant ist, als auch erst recht die Vermögenssteuer, welche gerade Unternehmen treffen, muß hinterfragt werden. Was soll das eigentlich ökonomisch gesehen bewirken? Außer daß der Staat sich weiter schadlos hält? Eine wirtschaftliche Stabilisierung, geschweige denn Aufschwung wird mit so was sicher nicht befeuert.

Obendrein kommt das just zu einem Zeitpunkt da offen hier darüber debattiert wird, wie Europa „re-industrialisiert“ werden kann. Wie verträgt sich das mit solchen Plänen? Wird da nicht vielmehr von vornherein wieder ein Bremsklotz eingebaut?


Die gegenwärtige Krise setzt der ganzen Bourgeoisie und sämtlicher ihrer Vertreter im Staat ganz erheblich zu, und die so genannten „Fliehkräfte“, die Steinbrück erwähnte, die den „Riß innerhalb der Gesellschaft“ vertiefen, sind genau diejenigen, die sie für die Zukunft im Auge haben als solche, die sich gegen diese ganzen Vorhaben zur Wehr setzen und vielleicht auch ganz neue Dinge im Auge haben. Deswegen sollte man sich von dieser hier vorgelegten scheinbar „vernünftigen“ Sachlichkeit nicht täuschen lassen, sondern ganz genau das Augenmerk darauf legen, was tatsächlich gesagt und getan wird.

Es stimmt wirklich mißtrauisch, daß Steinbrück es nicht für nötig hielt, zu solch einer grundlegenden Frage wie der Energiefrage ein Wort zu verlieren.
Gerade Hamburg und Niedersachsen sind innerhalb von Deutschland Zentren für eine Begünstigung des Ökologismus, der De-Industrialisierung dieses Landes seit langer Zeit. Vertreter aus diesen Bundesländern, auch von der CDU allerdings, haben, neben der jetzigen Regierung, auch in der Vergangenheit vor allen Dingen in dieser Hinsicht ein großes Maß an Vehemenz an den Tag gelegt, diesen zu fördern und beispielsweise vernünftige Entwicklungen wie die Atomenergie zu sabotieren bis hin zur gänzlichen Liquidation. Man denke an Albrecht (Vater von Ursula von der Leyen, nebenbei bemerkt), der als Ministerpräsident des Landes Niedersachsen seinerzeit die Wiederaufbereitungsanlage blockierte und schließlich verhinderte, als auch natürlich an Schröder, welcher im Jahr 2000 den ersten Beschluß zur Liquidation der Kernenergie in diesem Land auf dem Kerbholz hat, gefolgt von Merkel mit ihrem erneuten und sofortigen Ausstiegsbeschluß vom letzten Jahr anläßlich eines Unfalls am anderen Ende der Welt. Das darf man nicht vergessen, wenn man diese ach so sachlichen und scheinbar klugen Ausführungen eines Peer Steinbrück im Fernesehen verfolgt. Helmut Schmidt (auch ein Hamburger) hat maßgeblich in seiner Regierungszeit die Politik der De-Industrialisierung in diesem Land vorangetrieben.

Dies alles darf man bei einer scheinbar sachlichen und auch nicht völlig unsympathisch herüberkommenden Persönlichkeit wie Steinbrück nicht außer Acht lassen. Hartz IV wurde von ihm voll gerechtfertigt, diese rigorose Politik des Staates, sich selbst auf Kosten des ökonomisch schwächeren Teils der Bevölkerung zu sanieren – Schrödersche Politik des sich abhängig Machens von russischen Energielieferungen. Dies wurde bei diesem ganzen Interview mit keinem Wort erwähnt, was zu denken geben sollte. Mal abgesehen davon, daß man auch nicht vergessen darf, daß Schröder gerade über diese seine Politik gestolpert ist und sein Amt als Bundeskanzler an Merkel hat abgeben müssen, im Jahr 2005.


Es stellt sich vielmehr die Frage, ob es nicht reicht mit den ganzen Agendas der Bourgeoisie und ihrer verschiedenen Lakaien, die allesamt nur dazu dienen, das System der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen zu retten, oder ob nicht auch hier eine Umwälzung prinzipieller Natur die bessere Lösung ist.

 

 

 

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