Internet Statement 2015-47

 

Im Hinblick auf eine Demonstration im Oktober gegen TTIP & CETA

 

Klas Ber  26. 9. 2015      


Immerhin wurde diese Demo von den Medien schon recht unüberhörbar angekündigt und dafür geworben. Was nicht verwunderlich ist, wenn man dann mal die Organisationen sieht, die dazu aufrufen. Zudem gibt es in der Regierung Kräfte mit gewissen Widersprüchen zu diesem oder jenem Punkt in den Verhandlungen. Und jetzt im Herbst stehen noch einmal Verhandlungen auf der Tagesordnung. Dürfte also für einige einiges zusammenpassen.
Aber wesentlich ist natürlich: Welchen Charakter hat der Aufruf zu dieser Veranstaltung, was soll das werden?

Die Proteste und der Widerstand gegen TTIP* & Co, sind im Grunde so alt wie die Absichten eine sog. “Freihandelszone” zwischen den USA und der EU zu errichten.

Als 2013 neue Verhandlungen für eine “Freihandelszone” zwischen USA und EU angekündigt wurden, bis dahin waren Verhandlungen immer am Streit um Konkretes gescheitert, hatten sie in manchen Zeitungen sogleich ein Label weg: “Wirtschafts-Nato“.

Genauso alt ist allerdings auch der rückwärtsorientierte, nicht erst zuletzt auf Öko ausgerichtete Charakter bei diesem Protest. Angefangen beim mittlerweile allseits bekannten „Chlorhühnchen“, über die grundsätzliche Ablehnung der Gentechnik oder der Anwendung von Fracking und ähnliches mehr.

Ohne Frage ist es ein unerhörtes Ding, daß die Verhandlungen überhaupt im Geheimen ablaufen sollten. Was völlig inakzeptabel ist. Und damit haben sich die Verhandlungen wie das Abkommen von vornherein diskreditiert. Dieses Vorgehen verdeutlicht, wie wenig die Herrschenden und ihre Politiker wirklich mit Demokratie am Hut haben, entgegen dem, was hier sonst so behauptet wird. Wie sehr Demokratie bei denen lediglich Fassade ist. Das kann man sich nicht bieten lassen. Und soll man denen nun noch hinterherlaufen und sich einfach über diesen und jenen Punkt streiten? Die Veranstalter meinen das anscheinend. Aber wird man da nicht an der Nase herumgeführt?

Im Aufruf heißt es „Beide Abkommen [TTIP u. CETA] drohen Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu untergraben und auszuhebeln.“ Aber der ganze Ansatz als Geheimverhandlungen, war doch schon undemokratisch. Und von wegen Demokratie hier, die tun ja gerade, als wäre ansonsten alles paletti, damit ist es doch hier wie in den USA eh nicht weit her. G7/8, NSA und und und. Da kommt eine ganz schöne Beschönigung der herrschenden Verhältnisse raus.
Welche Rolle spielen die USA und bestimmte europäische Staaten denn international? Wie oft hat gerade die USA schon die Souveränität von anderen Staaten mit ihren Militärstiefeln und Bomben zertreten, sind sie militärisch eingefallen; haben bestimmte europäische Staaten ebenfalls dabei militärisch mitgemischt, mitgebombt und interveniert um Regierungen zu stürzen.

Daß die Verhandlungen so ganz im Geheimen ablaufen, das allerdings konnte durch den Protest in gewisser Weise durchbrochen werden und da wurde durchaus einiges erreicht, sodaß manches an die Öffentlichkeit kam oder auch gezogen wurde. Genauso zu Recht, kann man sagen, um noch einen der wichtigen Punkte anzuführen, sind diese Schiedsgerichte in der Kritik, wenn diese über der Souveränität der Staaten stehen sollen. Und so gäbe es noch einiges. Der Punkt ist aber:

Wohin zeigt der Aufruf, wohin soll es nach den Veranstaltern gehen?

„Für einen gerechten Welthandel!“, "Wir brauchen soziale und ökologische Leitplanken für die Globalisierung." So steht’s im Aufruf.

“Für einen gerechten Welthandel!" und das soll gehen, mit Kapitalismus und Imperialismus zusammen? Das bestehende internationale Ausbeutungssystem wird von denen nicht einmal in Frage gestellt, geschweige denn angegriffen.

Mit dem “Freihandel” verhält es sich heute aber so wie mit der sog. “freien Marktwirtschaft” oder der “sozialen Marktwirtschaft”. Es wird den Menschen was vorgegaukelt, was gar nicht existiert. Wir haben längst Imperialismus und Monopole die international eine beherrschende Stellung einnehmen. Allerdings gibt es immer auch die Konkurrenz unter denen, genauso wie daß sich weltweit der Widerstand gegen die Ausbeuterherrschaft weiter entwickelt, der das letztlich umstürzen kann.

Und erinnern wir uns nur mal an verschiedene Wirtschaftssanktionen, die verhängt worden sind. Iran und Rußland, nur als Beispiele. An dieser Stelle sei dahingestellt, was davon zu halten ist. Jedenfalls, politische Entscheidungen bestimmen den Welthandel ebenfalls. Und Ölförderländer drehen immer gern an der Schraube, ob sie mehr oder weniger fördern. Solange es noch zu so etwas kommen kann, wie stellt man sich da vor, zu einem “gerechtem Welthandel“ zu kommen ohne die Grundlagen auch nur anzutasten? Das löst auch das beste „Freihandelsabkommen“ zwischen der EU und USA nicht. Auch wenn oben drüber stehen würde: “Für einen gerechten Welthandel!". Das ist Gewäsch.

“die Macht von Konzernen und Finanzmarkt-Akteuren begrenzen, statt sie zu vergrößern;“ Das ist das Höchste, zu dem die Veranstalter aufrufen. Begrenzen, regulieren, aber bitte mehr nicht. Aber das sind lächerliche Illusionen. Warum wohl ist es wieder dahin gekommen, daß Kapital und Finanzkapital heute wieder ohne jede Rücksicht und brutal agieren können, wie zur Zeit des Manchester-Kapitalismus und das auch noch global?

Nein, was dieser Aufruf zeigt: Hier wird das kleinbürgerliche Beharrungsvermögen im Lande bestärkt, dazu Illusionsmacherei, gepaart mit dem ganzen Ökologismus, was die Verhältnisse so konservieren soll, daß so eine Schicht hier auf den Verhältnissen der internationalen Ausbeutung schön weiter mitschwimmen und mitprofitieren kann, wie ein Fettauge auf der Brühe. Das ist das worauf bei denen das “Soziale” hinaus läuft.
Und da vor allem auch keine revolutionären Gegenbestrebungen zum Zuge kommen dürfen, die zum Umsturz drängen, will man der Globalisierung, wenn man sie schon nicht verhindern kann, “ökologische Leitplanken” verpassen. Nein, schönen Dank.
Man darf sich nicht von diesen Kräften vor den Karren spannen lassen. Das hat zudem keine Perspektive, weil es früher oder später von der internationalen Entwicklung überrollt werden wird, und es notwendig ist, an der grundsätzlichen Infragestellung des Kapitalismus und dem Ziel der Beseitigung jeglicher Ausbeutung festzuhalten.

*


Hintergrund für das Abkommen ist die international sich verschärfende Konkurrenz und die Bestrebungen imperialistischer Kräfte um Hegemonie. Die Verhandlungen und Auseinandersetzungen um das TTIP kann man nicht losgelöst von der internationalen Entwicklung betrachten. Man braucht nur Obama oder Boehner zu hören um zu wissen, worum es geht und gegen wen es sich besonders richtet.

"Blocking free-trade agreements won’t block globalization. But it will make it more likely that the rules will be written by China and not the United States. On this point Obama and Speaker of the House John Boehner, who are at odds on almost everything else, agree.
“These kind of agreements make sure that the global economy’s rules aren’t written by countries like China; they’re written by the United States of America,” Obama said in a statement. Added Boehner: “When America leads, the world is safer, for freedom and free enterprise, and if we don’t lead, we’re allowing and essentially inviting China to go right on setting the rules of the world economy.” (Star Tribune, 16.Juni 2015)

Und TTIP ist auch nicht alleine in einem ökonomischen Rahmen zu betrachten.

“A safer world is the encompassing concern of 17 former secretaries of defense and retired military leaders who have backed fast-track authority in an open letter to Congress: “The stakes are clear. There are tremendous strategic benefits to TPP and T-TIP, and there would be harmful strategic consequences if we fail to secure these agreements. In both the Asia-Pacific and the Atlantic, our allies and partners would question our commitments, doubt our resolve and inevitably look to other partners. America’s prestige, influence and leadership are on the line.”
At a time of increasing economic and security uncertainty, it’s a time for the U.S. to lead, not retreat. Obama and Congress need to keep pushing on trade — not for any politician’s legacy, but for America’s future prosperity and security" (ebenda)


Warum wohl hat Biden, der Vizepräsident der USA, gerade 2013 auf der Sicherheitskonferenz den Vorstoß bekannt gemacht und dafür geworben?

„ ‚Die Zeit ist reif’: US-Vizepräsident Biden wirbt auf der Münchner Sicherheitskonferenz für die baldige Verwirklichung eines europäisch-amerikanischen Binnenmarktes - und liegt damit auf der Linie des deutschen Außenministers. Westerwelle verspricht sich davon Wohlstandsgewinne im dreistelligen Milliardenbereich.“ (SZ, 2. Februar 2013)

Wie sich das TTIP, genauso wie das TPP, in die gesamte geopolitische Strategie der USA einordnet, schreibt z.B. die FAZ am 08.Juni 2015, unter „China ein Schnippchen schlagen“, mit Berufung auf den amerikanischen Verteidigungsminister.

"Da bei TPP fünf asiatische Staaten (außer Japan noch Brunei, Malaysia, Singapur und Vietnam) mitmachen wollen, leuchtet vielen Amerikanern Obamas geostrategisches Argument ein, dass man damit China ein Schnippchen schlage. Dass es um mehr als Exportmärkte geht, hat auch der Verteidigungsminister jüngst klargemacht: Das Handelsabkommen sei für die Streitkräfte genauso wichtig wie ein neuer Flugzeugträger, verkündete Ashton Carter. Für das europäische Abkommen sprechen ebenfalls geopolitische Erwägungen. Aus Sicht der meisten Fachleute geht es auch dabei in erster Linie um China, dem der Westen zur Selbstbehauptung einen für alle Welt attraktiven Kodex von Arbeits-, Umwelt- und Sozialstandards entgegensetzen müsse."

Kurzum es hat auch viel damit zu tun, daß sich die USA als Welt-Hegemon behaupten wollen. Und die Länder der EU haben ihre Interessen dabei im Auge. Sie wollen sich gegen die wachsende internationale Konkurrenz behaupten, befürchten auf der Strecke zu bleiben und ohne die USA abgehängt zu werden. (Wobei man nicht vergessen sollte, welchen Anteil die Ökopolitik hier an der Niederhaltung der Entwicklung hat.)
In einem Interview äußert der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie zu TTIP u.a. folgendes:


„Was sind für Sie die drei wichtigsten Gründe, schnell ein Abkommen wie TTIP abzuschließen?
Erstens: mehr Wohlstand und Beschäftigung auf beiden Seiten des Atlantiks. Zweitens: neue Chancen für Europa. Wir müssen aufpassen, dass wir im weltweiten Wettbewerb nicht auf der Strecke bleiben. Die USA verhandeln auch mit asiatischen Ländern über ein neues Freihandelsabkommen, China und Russland sind sehr aktiv. Da darf die EU sich nicht abhängen lassen, zumal der allergrößte Teil des gegenwärtigen globalen Wachstums außerhalb Europas entsteht. Drittens: Wir haben jetzt die Gelegenheit, ein starkes, Maßstäbe setzendes Abkommen zu verhandeln. Die Sache lohnt sich. Zölle und Abgaben müssen reduziert, überflüssige Regeln beseitigt werden. Im Handel zwischen den USA und der EU werden immer noch Zölle von rund zehn Milliarden Euro fällig – Jahr für Jahr. Jede Milliarde, die wegfällt, senkt Kosten und Preise.“ (Neue OZ, 27.6.2015, Ulrich Grillo im Interview)

*


Der DGB und verschiedene Gewerkschaften haben sich entschlossen, ebenfalls zu dieser Demonstration aufzurufen.

Aber wo führen diese Gewerkschaften eigentlich noch entschiedene Kämpfe, auch mit Streiks, um gegen das Kapital was durchzusetzen. Prekäre Beschäftigungsverhältnisse, von denen man alleine nicht leben kann, werden mehr und mehr.

Wenn man da in dem Aufruf der IG Metall folgendes liest, kommt einem doch eine Frage hoch. Da heißt es:

„Sie [die IGM] kritisiert vor allem den Investitionsschutz. Er stärkt die Rechte der
Industriekonzerne gegenüber souveränen Staaten. Unternehmen können Regierungen vor einem privaten Schiedsgericht verklagen, wenn sie ihre Investitionen gefährdet sehen.“

Und dann werden einige Beispiele aufgezählt, wo Firmen gegen die Regierungen geklagt haben. Unter anderem:

„Das US Unternehmen Noble Ventures investierte in ein privatisiertes Stahlwerk in Rumänien. In der Klage wirft das Unternehmen der rumänischen Regierung vor, es nicht angemessen vor Streikmaßnahmen der Arbeitnehmer, zu denen auch Betriebsbesetzungen gehören, geschützt zu haben.

Solchen Klagen wäre durch TTIP zwischen der EU und den USA Tür und Tor geöffnet. Mit der Begründung möglicher Gewinnausfälle können Unternehmen dann gegen Verbesserungen von Verbraucherschutz und Arbeitnehmerrechten klagen. Diese Kapitulation des Rechtstaates vor den Konzernen muss verhindert werden.“

Das ist ja richtig, auch daß man sich gegen diese Art von Investitionsschutz stellen muß, aber ist da nicht doch viel Heuchelei dabei?

Da wird über eine Gefahr der Kapitulation des Staates vor den Konzernen gejammert. Dieser Staat ist doch engstens mit dem Kapital und Finanzkapital verbunden, auch mit dem internationalen. Und wie er das schützt, hat man in der Bankenkrise gesehen. Also was soll das Gejammer. Das allein ist schon bezeichnend dafür was für ein Verhältnis die beiden haben.
Eine selbständige Gewerkschaft würde sagen, wir lassen uns unsere Rechte nicht nehmen und mobilisieren dafür unsere Mitglieder, wenn nötig auch mit Streik. Aber dazu ist die Gewerkschaft viel zu eng mit den Staat verquickt.
Und die IGM hat hier selbst noch vor kurzem engstens mit der Regierung zusammen gearbeitet, als es um das Tarifeinheitsgesetz ging. Und nur eine Minderheit der DGB-Gewerkschaften, nämlich Verdi, GEW und NGG, wandten sich dagegen, als es darum ging, mit einem Gesetz kleinere eigenständige Gewerkschaften an die Kette zu legen.
Die GDL war zu dieser Zeit gerade im Streik für ihre Rechte.
Die IGM ist sich doch nicht die Kraft, mit der sich die Souveränität der Arbeiter und Angestellten verteidigen ließe, das müssen wir schon selber tun.

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Anmerkung

* ”Transatlantic Trade and Investment Partnership”, TTIP. Früher „Trans-Atlantic Free Trade Agreement“, TAFTA, oft auch einfach nur „Transatlantisches Freihandelsabkommen“.
CETA, “Comprehensive Economic and Trade Agreement” mit Kanada. Die Verhandlungen zu CETA wurden allerdings schon Mitte 2014 abgeschlossen.

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