Internet Statement 2016-53

 

 

Woher rührt die bemerkenswerte Zurückhaltung der EU in puncto Türkei-Ereignisse?

 

 

Maria Weiß   23.07.2016         

Das hat verschiedene Gründe. Die Maßnahmen des Herrn Erdogan zwecks Erreichung eines Zustandes einer Art Alleinherrschaft in der Türkei haben inzwischen etliche tausend Opfer gefordert, zwar nicht unbedingt tödlicher Art, aber Opfer in Gestalt von Vertreibung aus ihren Berufen, aus ihren Positionen, aus ihrer Umgebung, zum Teil auch Inhaftierung. Daß dies nicht ohne Auswirkung im Land selbst bleiben wird, liegt auf der Hand.

Nun ist aber die Europäische Union äußerst eng mit der Türkei verbunden. Nicht nur daß seit mindestens einem Jahrzehnt die Beitrittsverhandlungen laufen, sondern auch dadurch, daß auf wirtschaftlichem Gebiet sich ein florierender Handel entwickelt hat, von dem beide Seiten profitiert haben und auf den sie nicht verzichten möchten. Was fängt man aber mit der sogenannten Menschenrechtsfrage in einem solchen Casus an? Erstmal versucht man diese einfach zu vergessen, mal abwarten ob es jemand merkt. Die deutsche Regierung ist nebenbei ebenfalls handelsmäßig stark involviert und vor allem in Folge des Flüchtlingsabkommens abhängig von der türkischen Entwicklung und Politik, was keinesfalls übergangen werden kann. Hier droht sich ein Konfliktpotential zu entwickeln, welches nicht ohne ist, ein hausgemachtes wohlgemerkt.

Es gibt in sämtlichen Staaten sowohl Europas als auch des Mittleren Ostens einen gewissen Widerspruch, und das ist der zwischen Hegemonismus und nationalen Belangen, den man nicht außer Acht lassen darf. In Ländern wie beispielsweise Deutschland oder auch der Türkei tritt er besonders deutlich hervor. Wobei obendrein auf der anderen Seite gerade diese beiden Staaten seit vielen Jahrzehnten sehr enge bevölkerungsmäßig gewachsene Verbindungen unterhalten. Ein solch starker menschlicher Austausch, wie er sich hier, zwar etwas einseitig von der Richtung her, in Jahrzehnten zwischen diesen beiden Ländern entwickelt hat, dürfte selten der Fall sein als auch zugleich einer gewissen besonderen Berücksichtigung bedürfen. Die Religionsfrage ist dabei eine Nebensache, welche gegenwärtig geneigt ist, sich aus verschiedenen Gründen und von verschiedenen Seiten forciert unnötigerweise zur Hauptsache hochstilisieren zu lassen..
Sicherlich hat der gegenwärtige Präsident der Türkei seine sehr negativen Seiten, womit er allerdings keineswegs eine isolierte Rolle einnimmt. Auf der anderen Seite stellt er aber zugleich einen gewissen nationalen Kohäsionsfaktor dar, was man trotz der jüngsten negativen Erfahrungen nicht unterschätzen sollte, angesichts des massiven Betreibens gewisser internationaler Mächte, Staaten und ganze Gesellschaften in seinem Interesse zu atomisieren und innerlich zu zerstören.

Die geostrategische Position der Türkei als Nato-Mitglied spielt sowohl für die USA als auch für die Europäische Union eine nicht zu unterschätzende Rolle. In dieser Hinsicht ist Deutschland nur ein Land unter vielen, zumal es im Unterschied zu Großbritannien, welches sich gerade abgeseilt hat aus der EU, als auch vor allem zu Frankreich keine Atomwaffen besitzt, allerdings eine Unmasse solcher amerikanischer Herkunft auf (oder besser gesagt unter) seiner Bodendecke beherbergen darf, ohne Verfügbarkeit versteht sich. Herr Erdogan aber besitzt zwar keine Atomwaffen, spielt aber seine geostrategische Schlüsselposition zum eigenen Vorteil erbarmungslos aus. Was die Position der USA in dieser Hinsicht betrifft, so ist bereits seit mindestens Sommer 2013 ein deutliches Bestreben erkennbar, über den früheren Komplizen Erdogans, Herrn Gülen, gegenwärtig in den USA, im Bundesstaat Pennsylvania beheimatet, Subversion zu betreiben, wobei dieser selbst eine gewisse Strömung in der Türkei unterhält, welche Erdogan seit etlichen Jahren dort zu schaffen macht und die er loszuwerden bestrebt ist. Kein Wunder daher, daß er von den USA verlang, diesen in die Türkei auszuliefern, was selbige allerdings durchsichtigerweise bislang abgelehnt haben.

Im Sommer 2013 gab es in der Türkei eine Bewegung gegen Erdogan gerichtet, bei der dieser besagte Gülen und seine Anhängerschaft eine gewisse nicht ganz unerhebliche Rolle gespielt haben. Was Wunder, daß nunmehr Erdogan bestrebt ist, diese loszuwerden. Eine Art Gehacke unter Gangstern, viel mehr ist das nicht. Die Gülenbewegung vertritt ebenfalls eine vom Islam dominierte Gesellschaft, was ihn daher nur wenig von der Erdoganschen Richtung unterscheidet. Beide konkurrieren obendrein auch innerhalb der AKP. Die USA ihrerseits benutzen diesen Zwist für ihre eigenen Interessen. Macht Erdogan zu viele eigenmächtige politische Vorstöße, zum Beispiel kürzlich die Aussöhnung mit Putin oder auch ein ihnen nicht genehmes Konzep int puncto Syrien zum Beispiel, dann zwacken sie ihn mit der Gülenbewegung, was Erdogan natürlich weiß und entsprechend reagiert und es obendrein auszunutzen trachtet. Siehe der letzte „Putsch im Putsch“.

Die EU aber, und vor allem Deutschland werden dadurch in eine brenzlige Lage katapultiert., da jede der verschiedenen Seiten seine Interessen durchzusetzen trachtet, koste es was es wolle.

 

 

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