Internet Statement 2017-74

 

 

 

Die zweite Hälfte (der Menschheit)

 

 

 

Maria Weiß   15.07.2017    

Wer oder was sind eigentlich die so genannten G20? Das heißt, die 20 Staaten auf der Welt, die es geschafft haben, in diesen erlauchten Kreis imperialistischer Potentaten einzudringen und sich dort fest zu setzen. Schaut man sich die Landkarte an, dann ist das wirklich hoch interessant, vor allem wo die großen Löcher klaffen. Das Auffälligste an Letzteren ist erstmal ganz Afrika, mit Ausnahme des kleinen Zipfels Südafrika. Das zweite ist der ganze vorderasiatische Bereich, das heißt das Gebiet, welches zwischen Polen, Rußland (der westliche Teil vor allem) Kasachstan, Afghanistan und China liegt. Als drittes kommt dazu der gesamte arabische Bereich, mit Ausnahme von Saudi-Arabien. Diese Länder gehören nicht zu dem sogenannten erlauchten Club der G20, und das hat wohl auch seinen Grund. Und diesem Grund sollte man mal nachgehen.

Der größte und am meisten auffällige Block der Nichtteilnehmerländer an der G20-Runde ist Afrika, wo es sich offenbar nicht lohnt, eine Entwicklung zu forcieren, zumindest erweckt es den Anschein und dies entspricht auch der realen Alltagserfahrung dieser Millionen von Menschen, die dort leben, tagtäglich.

Der zweite Bereich ist die Zone zwischen Rußland und China. Dieser ganze vorderasiatische Bereich, aber auch der Balkan zum großen Teil, und zwar der nicht zur EU zählende Balkan. Diese Länder sind es offenbar auch nicht wert, in diesem erlauchten Kreis der G20 Zutritt zu erhalten. Als Drittes ist ein Teil von Südamerika zu nennen, vor allen Dingen der am meisten nordwestlich gelegene Teil. Das reicht auch schon zur Beurteilung. Das sind diejenigen Staaten, die am wenigsten an der ganzen industriellen Entwicklung auf der Welt teilhaben bis jetzt und sich daher überhaupt mit ihrer Entwicklung schwer tun, und denen es auch zum Teil schwer gemacht wird, weil sie sozusagen in der Knautschzone verschiedener unterschiedlicher imperialistischer Mächte liegen. Das gilt vor allen Dingen für den vorderasiatischen Bereich und den Balkan. Der ehemalige asiatische Teil Rußlands zählt nebenbei auch noch mit dazu.

Was wir brauchen ist Emanzipation. Der Nutzen des letzten G20-Gipfels besteht vor allen Dingen darin, daß dieses Verhältnis einmal thematisiert wird. Das dürfte weitaus wichtiger sein, als irgendwelche Sponti- und Anarchistenquerelen. Auch besser gestellte Hamburger Vorgartenbesitzer sollten sich darüber vielleicht mal ein paar Gedanken machen. Die Hälfte der Menschheit ist arm und nach wie vor von einer Entwicklung ausgeschlossen. Man glaube doch nicht, daß irgendeiner der imperialistischen Staaten oder deren Exponenten auch nur irgendein wirklich bewegendes Interesse daran hätte, das zu ändern. Es sei denn, sie könnten sich Extraprofite dadurch erhoffen. Global denken heißt aber, den gesamten Erdball in diese Überlegungen mit einzubeziehen und nicht etwa nur die angeblich so genannte „bessere Hälfte“.

Wer gehört eigentlich zu den so genannten G20? Europäische Staaten wie Albanien, Serbien, Kroatien und andere gehören zum Beispiel nicht dazu. Georgien gehört auch nicht dazu. Diese Staaten befinden sich in der so genannten Knautschzone zwischen den Rivalitätskämpfen zwischen Ost und West. Auch afrikanische Staaten, wo eine massive Entwicklung in den letzten Jahrzehnten stattgefunden hat, zum Beispiel in Nigeria, gehören nicht zu den G20. Nein. Wovon hängt das eigentlich ab, ob man zu diesem erlauchten Club dazu gehört oder nicht? Und wer entscheidet das? Es ist schon eine große Gnade, daß die Türkei dazu gehört. Aber andere Staaten des Mittleren Ostens, mit Ausnahme von Saudi-Arabien, gehören nicht dazu. Warum nicht? Selbst Iran zählt nicht dazu, obwohl dieses Land von seiner ökonomischen Entwicklung her durchaus ein würdiges Mitglied sein würde oder sein könnte. Iran gehört nicht dazu, aber Saudi-Arabien. Warum? Weshalb zählt überhaupt Saudi-Arabien dazu? Außer Öl haben sie doch nichts zu bieten. Das muß einfach hinterfragt werden, wer zu den so genannten G20 zählt und wer alles nicht, sonst kann man doch überhaupt keine vernünftige Einschätzung darüber gewinnen. Und auch keine vernünftige Aktion dagegen unternehmen, nebenbei. Davon ist aber bei diesen ganzen Action-Exponenten wenig zu merken, daß sie sich darüber mal Gedanken machen. Zumindest kann man davon nichts lesen. Vielleicht gibt es ja solche Diskussionen in diesen Kreisen. Das wäre gut, wenn man davon mal etwas hören und vielleicht sogar sich damit auseinandersetzen könnte. Das wäre weitaus interessanter und wichtiger als irgendwelche Steinewerfer oder Auto-Anzünder oder Wohnungs- oder Geschäfteplünderer, wie sie jetzt in Hamburg am Werk gewesen sind, und deren Motive und soziale Herkunft völlig im Unklaren bleibt. Wer sagt denn, daß dort nicht eine Unmasse von Trittbrettfahrern auf diese Weise versucht hat, sich zu bereichern. Aber hört man die Polizei und die offiziellen Stellungnahmen bürgerlicher Organe, so sind es natürlich so genannte Linksextreme gewesen - wie könnte es auch anders sein. Es sollte eine detaillierte Untersuchung darüber stattfinden, wer sich dort wirklich die Techtel-Mechtel geliefert hat. Es ist kaum anzunehmen, daß Menschen, die mit einer auch nur irgendwie fortschrittlichen Einstellung gegen diesen Kapitalisten- und Parasitengipfel demonstrieren wollen, sich an solchen Aktionen beteiligt haben.

Die so genannten G20, das heißt die vom internationalen Kapital auserwählten Staaten zu einer Teilnahme oder zu einer gewissen zunächst beschränkten Teilnahme am großen Tisch der Ausbeutung sind überhaupt gar nicht so wichtig. Viel wichtiger ist der weit überwiegende Teil der Ausgeschlossenen. Ganz davon abgesehen daß sowieso diese ganzen angeblich so potenten Exponenten dieses Gipfels wie zum Beispiel Deutschland, welches momentan dabei ist, sich auf Kosten anderer europäischer Länder gesund zu stoßen, gar nicht so wichtig sind, an der kurzen Leine geführt werden. Daß das auf die Dauer nicht gut gehen kann, liegt auf der Hand. Und die Beispiele, die es dafür in der Geschichte gegeben hat, die sind wirklich aussagekräftig genug, um davor zu warnen, solchen Entwicklungen noch einmal statt zu geben. Eine erneute Entwicklung in diese Richtung in Europa wird den endgültigen Ruin dieses Kontinents besiegeln.

Angela Merkel vertritt vor allen Dingen das deutsche Kapital. Das sollten sich alle andern in Europa, welche dieser auf den Leim zu gehen geneigt sind, mal durch den Kopf gehen lassen. Die europäische Union kann darüber auch nicht hinweg täuschen, denn da zählt auch vor allen Dingen das ökonomische Gewicht innerhalb dieses erlauchten Clubs.

Einen Vorteil hat die französische Rechte gegenüber der jetzigen Regierung: sie sieht die Dinge nicht durch die Brille des internationalen Finanzkapitals, was natürlich nicht heißt, daß man deren eigene egoistische nationalistische nach hinten gerichtete Stellung auch nur in irgendeiner Weise verteidigen kann, sie haben zu recht die letzte Wahl verloren. Aber man muß diese Widersprüche sehen. Fortschrittliche Menschen sowohl in Frankreich als auch in Deutschland müssen bestrebt sein, diesen verheerenden und verderblichen Bestrebungen, wie sie oben geschildert wurden, entgegen zu treten. Und solange die Linke in Frankreich sich der Anti-Atomenergie-Bewegung anheim fallen läßt, ist damit nicht viel zu wollen. Wer die fortgeschrittensten Produktivkräfte auf dem Gebiet der Energiegewinnung leugnet, der hat eben keine Chance, eine Gesellschaft zu leiten. Oder anders ausgedrückt der hat eine solche Chance von vornherein vergeben.

Fortschrittliche und revolutionäre Kräfte in Europa, in den verschiedenen europäischen Staaten haben momentan einen schweren Stand, denn sie sind gespalten in einer ganz wesentlichen Frage, und zwar in der Frage der Entwicklung der fortgeschrittensten Produktivkräfte oder deren Bremsung. Und solange diese Spaltung nicht überwunden werden kann, kann der Kapitalismus sich freuen, denn er hat damit eine entscheidende Bremsung für seine Überwindung noch in der Hand. Es bleibt daher nichts anderes übrig, als die grüne Richtung, egal in welchem europäischen Land, einer grundlegenden Kritik zu unterziehen und daraus die entsprechenden sozialen, politischen als auch ökonomischen Schlußfolgerungen zu ziehen. Wenn die Linke dieses nicht schafft, dann dürfte damit ein Jahrhundertkampf um den sozialen Fortschritt verloren sein. Es gibt keinen erfolgreichen Kampf um den sozialen Fortschritt ohne den Kampf um die Durchsetzung der fortgeschrittensten Produktivkräfte, denn wenn wir letzteren der Bourgeoisie überlassen, sind wir immer einen Schritt zu spät. Anders ausgedrückt: wer die fortgeschrittensten Produktivkräfte bremst, der hat den Kampf um den sozialen Fortschritt schon verloren. Denn welche Produktivkräfte sonst als die fortgeschrittensten sollten denn die reaktionären Produktionsverhältnisse sprengen oder zu sprengen imstande sein?

Man muß Zäsuren machen, man muß an einem bestimmten Punkt sagen: bis hier und nicht weiter. Das macht man doch im alltäglichen Leben auch, sonst würde man sich ja permanent überfressen. Manche Leute sind wirklich komisch. Den historischen Rassismus verurteilen sie zu recht, aber den alltäglichen, den pflegen sie gelinde gesagt zu übersehen.

 

 

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