Internet Statement 2018-102

 

 

Rechtsentwicklung - das ist nicht nur die AfD

Beispiele der Kapitalismuskritik von Rechts aus einem Interview mit dem sogenannten „Klimapapst“ Hans-Joachim Schellnhuber, geführt vom bekannten Philosophen Richard David Precht

 

 

 

Wassili Gerhard   19.11.2018

Das im folgenden behandelte Gespräch des philosophischen Publizisten Precht mit dem deutschen „Klimapapst“ Hans-Joachim SchellnhuberAnm. 1 , der entsprechend dem Schema von #unteilbar auf der Seite der „Guten“ einzuordnen wäre, gibt ein Beispiel, wie keineswegs nur bei der AfD äußerst rechte Positionen vertreten werden, sondern auch von Kräften, die nach der Einteilung von #unteilbar der „guten“ Seite zuzurechnen sind. „Eine Tendenz kann die andere verdecken“. Das ist eine alte Erfahrung. Rechtsentwicklung, dafür steht gegenwärtig in den Medien das Hochkommen der AfD. Natürlich, die AfD ist eine demagogische rechte Partei, die unmöglich gewordene Positionen der Rechten wieder gesellschaftsfähig machen will, die in der CDU zum Beispiel, wo solche Kräfte noch vor gar nicht so langer Zeit im rechten Flügel zuhause waren, an Bedeutung verloren haben. Sie gewinnt jedoch gerade im Osten und in abgehängten Gebieten anderswo auch Einfluß auf Kräfte, die auf ihre benachteiligte Lage aufmerksam machen wollen, da die meisten anderen Kräfte vor ihren Problemen die Augen verschließen und erst wach werden, wenn die Rechten aufspringen ̶ um dann erst einmal die gesamte Empörung in die rechte Ecke zu stellen. Da wird dann außer Acht gelassen, daß die Deindustrialisierung und der soziale Abstieg für große Teile der Erwerbsbevölkerung, als „Modernisierung“ verkauft wird und mit der Immigration verknüpft wird; die Ablehnung dieser sogenannten „Modernisierung“ wird als „Modernisierungsfeindlichkeit“ verunglimpft. Jetzt einfach nur eine Trennlinie zu ziehen nach dem Motto „wir sind mehr“, dabei auch noch mit den selbsternannten „Modernisierern“ auf der gleichen Seite zu stehen, treibt den Rechten Kräfte zu.

 

Und wo in der Welt würden denn Übergriffe oder kriminelle Umtriebe von Einwanderern, für deren Wohl man auch in Gebieten, wo viele selbst in prekären sozialen Verhältnissen leben, Steuern aufbringen muß, nicht zu Empörung führen, wie anläßlich der Übergriffe in Chemnitz und Köthen, wo Menschen zu Tode kamen, die selbst ganz bestimmt nicht ausländerfeindlich waren. Selbst der grüne Kretschmann kommt nicht umhin, das Phänomen sogenannter „Männerhorden“ beim Namen zu nennen, wenn es um sein „Ländle“ geht. Aber Menschen im Osten dürfen das nicht, weil dann voraussichtlich Rechte das dort, wo nicht wie im Westen eine Jugend- und Studentenbewegung sich ausgiebig mit bestimmten rückständigen Strömungen auseinandergesetzt hat, in rassistischer Manier aufgreifen? Diese Banden hat der Verfassungsschutz bis heute hintenrum gefördert, denn sie sind in mancher Hinsicht von Nutzen, auch in diesem Zusammenhang. Das darf man nicht ausblenden. Und liegt es denn nicht auch an großen Teilen der Linken, die das heute zu wenig in der richtigen Weise aufgreifen?Anm. 2 Und wenn wir uns die Kampagne #unteilbar ansehen, wird die Grenze zwischen Rechts und Links richtig gezogen?

 

Dieses Interview verdient gerade deshalb Interesse und wird hier aufgegriffen, weil es auf einer mehr politischen und philosophischen Ebene geführt wurde und so einige Einblicke in die rechten gesellschaftspolitischen Ansichten Schellnhubers zuläßt, die nicht besser als die der AfD sind. Und das auch, weil Precht teilweise dafür sorgt, daß Einiges mehr auf den Punkt gebracht wird. Schellnhuber, Berater der Bundesregierung, langjähriger Leiter des renommierten Potsdamer Instituts für Klimaforschung, steht wie kein Zweiter in diesem Land für die vorherrschende grüne Klimawandel-Politik, deren bekannter Repräsentant er sogar weltweit ist. Dazu kommt: Eine fachliche Diskussion über den Klimawandel wird schnell sehr kompliziert und verworren, da die komplizierten wissenschaftlichen Fragen des Klimawandels verknüpft werden mit der Frage der Ursachen, die meist innerhalb unserer Gesellschaftsordnung gesucht werden, und mit der notwendigen Gegenstrategie auf der gesellschaftlich-politischen Ebene, was vielfach völlig unentwirrbar gesellschaftliche Fragen mit den komplizierten wissenschaftlichen Fragen verknüpft, und oft genug findet man Stellungnahmen, wo man dann teilweise zustimmt und teilweise vehement widerspricht. So ist eine richtige Differenzierung erschwert. Klar ist aber, daß es nicht für die Wissenschaftlichkeit spricht, wenn teilweise jede Gegenargumentation oder gar nur Zweifel mit einem bestimmten standardisierten Vokabular wie zum Beispiel „Klimaleugner“ verunglimpft wird, das mantraähnlich eingehämmert wird, mit einer Begriffswahl, die schon jeden Zweifel in eine rechte oder irrationale Ecke stellt, also eine öffentliche Auseinandersetzung unterdrücken will. Die rechten gesellschaftspolitischen Ansichten Schellnhubers jedoch sind recht eindeutig als weit rechts stehend erkennbar. So jemand wird hierzulande breit als Autorität gewürdigt. Wenn das Rechte im grünen Gewand auftritt, greift eine erstaunliche Blindheit gegenüber rechten Positionen. Mal sollte einfach mal überlegen: Wenn sich in der AfD mehr grüne Strömungen breit machen, was überhaupt nicht für die Zukunft ausgeschlossen werden kann, da gibt es keine chinesische Mauer dazwischen, einzelne grüne Politiker reden ja schon auch von konservativen Werten, dann könnten wir plötzlich für manche erstaunliche neue rechte Konstellationen erleben.

 

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Befassen wir uns nun damit im Detail und setzen wir uns gründlich damit auseinander. Precht sagt in der Einführung zu dem Gespräch:

„Nun hat die Erderwärmung für die Menschen ja viele katastrophale Folgen. Was ich im Augenblick interessant finde ist: Horst Seehofer hat unlängst gesagt, Migration sei die „Mutter aller Probleme“.

Schellnhuber will aber Seehofer gar nicht widersprechen. Vielleicht erwartet Precht am Anfang, ein „Nein, der Klimawandel ist es“. Schellnhuber interpretiert stattdessen Seehofer so, daß dieser im Grunde ja den Klimawandel gemeint habe, und, so meint er, „die Angst des Mitteleuropäers ist natürlich, daß nun Menschen elendsgetrieben nach Europa kommen könnten“ (Schellnhuber). Nanu, Horst Seehofer wird plötzlich zum Mitstreiter für die Klimapolitik erklärt? Das bringt aber das gängige Links-Rechts-Schema vieler bereits gehörig durcheinander. Das so zurecht zu stricken, Seehofer da eine Brücke zu bauen, ist für den Verfasser von „Erzählungen“ (dazu später mehr) Schellnhuber kein Problem.

 

Eine Erzählung über Afrika - und die Realität

 

Jetzt wird zur Erläuterung eine Erzählung gestartet, daß der Klimawandel die Hauptursache dafür sei, daß die Menschen in Afrika aus ihren Lebensverhältnissen fliehen und zu uns kommen. Die Menschen würden, „wenn ihre Äcker trocken gefallen sind oder wenn ein Sturm die Felder zerstört hat“ (Schellnhuber) dann erst von Dorf zu Dorf, dann in die Slums der Städte und schließlich hier her zu uns wandern. So bewirke der Klimawandel, daß Millionen auf gepackten Koffern sitzen.Anm. 3

 

Das ist eine auch von den Grünen häufiger gebrachte Argumentation, die lange bekannte Probleme uminterpretiert und seit langem bestätigte Analysen ignoriert, damit alles in die neue Klima-Argumentation paßt. Es wird dabei bisweilen die Zahl von 200 Millionen „Klimaflüchtlingen“ in den Raum gestellt. Es dient regelrecht dazu, die Vertreibung von Millionen aus ihren Lebensgebieten ̶ was nicht das gleiche ist, wie ein wünschenswerter gegenseitiger internationaler Ausgleich, wie er auf der heutigen Stufe der Kommunikations- und Verkehrsmittel normal wäre ̶ als eine Art „Naturereignis“ darzustellen, für das „wir alle“ verantwortlich seien, weil wir uns nicht mit einem niedrigeren Lebensstandard bescheiden wollen und so die Natur herausfordern als quasi den strafenden Gott. Wie bei der katholischen Kirche: Wir sind alle Sünder und müssen Buße tun. Jede Wette, daß dabei dann das große Kapital und sein Anhang nicht mit zurücksteckt. Die eigentlichen Probleme der Fluchtbewegungen, die aus der kapitalistischen Ausbeutung und aus der internationalen Ausbeutung der ärmeren Länder durch die reichen, aus den Kriegen um Aufteilung der Einflußsphären resultieren, werden in eine „Erzählung“ über angebliche klimapolitische Ursachen umgemünzt. Es ist eine Beschönigung des heutigen globalen Kapitalismus und des ihm immanenten Neokolonialismus und Rassismus.

 

Halten wir einmal zur Verdeutlichung eine wesentlich begründetere Argumentation dagegen, die nicht eine neue Erzählung startet, sondern aus der Sicht der Betroffenen von dem ausgeht, was ist und wie es sich historisch entwickelt hat. So schreibt der afrikanische Autor Femi Akomolafe auf Journ Afrika.de am 09.02.2016 unter der Überschrift „Auf dem Weltmarkt wird Afrika keine Chance gelassen“, wesentliche Ursachen knapp und präzise anhand der realen Vorgänge:

«Viele afrikanische Länder hängen finanziell von dem Export von Rohstoffen ab. Da die Preise für die Produkte jenseits ihrer Landesgrenzen bestimmt werden, haben die Hersteller selbst kein Mitspracherecht. Kollabieren die Preise auf dem Weltmarkt, haben die betroffenen Staaten keine Chance. Den ohnehin schon armen Ländern bleibt dann gar nichts anderes mehr übrig, als weitere Schulden zu machen.

Doch neue Kredite sind immer auch an Bedingungen gekoppelt: Der Internationale Währungsfonds (IWF) öffnet den Geldhahn nur dann, wenn das jeweilige Land seine Industrie und seine Landwirtschaft für den globalen Wettbewerb öffnet. Billige Produkte aus dem Ausland überschwemmen in der Folge die lokalen Märkte und ersticken die aufkeimenden Industrien der armen Länder im Keim. Dieses Schicksal ereilt auch viele afrikanische Bauern: Sie müssen plötzlich mit extrem billigen und zum Teil auch noch subventionierten Importprodukten Schritt halten.» (Hervorhebung durch Fettdruck hier und bei folgenden Zitaten von mir.)

Hier finden wir wesentliche Ursachen auf den Punkt gebracht, warum Menschen sich gezwungen sehen, ländlichen Räume zu verlassen und in die Slums der Städte zu ziehen, so daß gegenwärtig auch in Afrika sich der Anteil der Stadtbevölkerung an der Gesamtbevölkerung in Richtung 50% entwickelt und riesige Millionenstädte (siehe: https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_größten_Städte_Afrikas) entstanden sind. (2014 waren es 40 %, weltweit 53 %, Tendenz rasch steigend.) In den Städten sind die Überlebenschancen besser, weil man die Menschen nicht einfach verhungern läßt, sie vielleicht sogar mit importierten Lebensmitteln versorgt, aber es gibt für die meisten eine reine Elendsperspektive.

 

Die Ausgangsbedingungen der meisten afrikanischen Länder sind überwiegend die hier beschriebenen. Das ist eine Folge davon, daß diese Länder in einer bestimmten Weise in den weltumspannenden Kapitalismus hineingezogen wurden, in dem sie zumeist zunächst die Rolle von Sklavenlieferanten, dann von Kolonien und Rohstofflieferanten (auch Lieferant von Soldaten für die kolonialen Mächte) spielten und nicht die Möglichkeit hatten, mit den entwickelten kapitalistischen Ländern gleich zu ziehen. Gerade in dem gegenwärtigen globalisierten Kapitalismus sind ihre Landwirtschaft und Industrie nicht konkurrenzfähig mit den rationalisierten und hoch subventionierten in den reicheren Ländern, denen sie ihre Grenzen unbeschränkt für den Export öffnen müssen. Die Argumentation, daß sie doch inzwischen selbst einen entwickelten Kapitalismus hätten ausbilden können, ist in etwa gleich viel ernst zu nehmen wie die, daß doch die Arbeiterklasse inzwischen zu einer Klasse von reichen Unternehmern hätte werden können, wenn nur alle fleißig gespart hätten.

 

Bisweilen hört man bezüglich Afrika immer noch die Geschichte von den Potentaten mit den goldenen Wasserhähnen. Da geht aber es vor allem um solche zumeist in rückständigen Strukturen verankerten Potentaten, die im Inneren die fortschrittlichen Kräfte, die eine unabhängige Entwicklung fordern, unterdrücken. Die imperialistischen Länder selbst fördern die Herausbildung solcher Kräfte im Inneren, mit denen sie dann gemeinsame Ausbeuterinteressen und die gemeinsame Gegnerschaft gegen fortschrittliche Entwicklung verbinden, und die vom Schutz durch die Imperialisten gegenüber ihrer eigenen Bevölkerung abhängig werden. So wird daraus ein profitables Geschäft: Korrumpiere Wenige und sie leisten keinen Widerstand, ja sie ebnen den Weg für die Ausplünderung der Ressourcen. Nur wenn sie widerspenstig werden und selbst eine selbstständigere Entwicklung anstreben, vielleicht nur selbst mehr vom Kuchen wollen, „entdeckt“ man plötzlich ihren obszönen Reichtum, der im Grunde nur aus Brosamen von dem besteht, was ausländische Ausbeuter aus dem Land an Profiten ziehen. Dann ist es auch meist nicht so schwer, Kräfte im Inland zu finden, um sie wieder los zu werden.

 

Wenn jedoch afrikanische einheimische Politiker die wirklichen Ursachen zu einem gewissen Grade verstehen und angehen wollen, heißt das noch lange nicht, daß sie so einfach die Hindernisse überwinden können, die der Umsetzung dieser Erkenntnis im Wege stehen. Femi Akomolafe weiter:

« Im November 2015 rief der ghanaische Präsident John Dramani Mahama die Kampagne Made in Ghana ins Leben. In einer Rede machte er klar, warum: Denn allein im Jahr 2014 hatte sein Land 1,5 Milliarden Dollar für den Import von Reis, Zucker, Fisch, Tomaten und einfachem Speiseöl ausgegeben. „Hätten wir dieses Geld in Ghana ausgegeben, wäre es in die Taschen von ghanaischen Unternehmern geflossen, die unsere Wirtschaft hier in Ghana gestärkt hätten“, klagte er. Mahama wies auf Ghanas große Vorteile gegenüber anderen Ländern hin, vor allem mit Blick auf das Klima und die Verfügbarkeit von Anbauflächen. Er forderte seine Landsleute dazu auf, zu konsumieren „was wir produzieren und zu produzieren, was wir konsumieren“.

Zwar scheint Ghanas Präsident ein grundlegendes Problem durchschaut zu haben. Doch leider ist er wenig handlungsfähig, denn die wirtschaftlichen Vorgänge in Ghana liegen fest in der Hand des IWF: [nach dem Prinzip]Anm. 4 Kredite gegen Marktliberalisierung. Ein prominentes Beispiel dafür ist die immer schwieriger werdende Lage der Geflügelbauern in Ghana. Der Präsident der Ghana National Association of Poultry Farmers („Nationaler Verein für Geflügelbauern Ghanas“), Victor Oppong-Agyei, bezifferte den Anteil der importierten Hühner auf mittlerweile 70 Prozent bzw. 350 Millionen Dollar. Der Grund hierfür ist einfach: Importierte Geflügelprodukte sind unvergleichbar billiger als die von regionalen Landwirten. „Ein importiertes tiefgefrorenes Huhn kostete einmal 10 Cedis pro Kilo, wurde jetzt aber sogar bis auf 7 Cedis reduziert. So billig können wir gar nicht produzieren. Unsere regionalen Produkte liegen bei etwa 12 Cedis pro Kilo.“»  (http://magazin.journafrica.de/entwicklung-ghana-45240 Hervorhebung und Zusatz in eckigen Klammern von mir.)

Hier werden grundlegende Probleme recht gut anschaulich gemacht. Kredite gibt es nur gegen Marktliberalisierung, also Öffnung des Marktes für Produkte, die die einheimischen Produzenten ruinieren und damit die Bedürftigkeit des Landes für Kredite schließlich noch erhöhen. Aber man braucht die Kredite für die Ernährung der Bevölkerung, die mit den im Lande produzierten Lebensmitteln nicht ernährt werden kann - ein Teufelskreis! Aktuell ist Ghana sehr verschuldet und will sich aktuell weiter verschulden, um Mittel für die Entwicklung des Landes zu erhalten. Wenn die Zinsen wieder steigen, kann das zu einem weiteren Mühlstein um den Hals werden.

 

Natürlich ist auch die innere Spaltung in Klassen ein Faktor. Wenn wir uns das Paradebeispiel eines Landes ansehen, das eine enorme Entwicklung aus eigener Kraft geschafft hat, ist das China. Das wäre nie ohne die chinesische Revolution möglich gewesen, die ungeheure Kräfte der breiten Massen freigesetzt hat, verkrustete alte Strukturen aufgebrochen hat, die das Land vor der Aufteilung in Kolonien bewahrt hat. Und das ging einher mit der Verdopplung der Bevölkerung. Und diese Revolution wiederum hätte ohne die revolutionäre Arbeiterbewegung bei uns und ohne die davon inspirierte Oktoberrevolution in Russland nicht stattgefunden. Auch wenn die Bourgeoisie im Bunde mit bürokratisch-kapitalistischen Kräften, die auf einer uralten Grundlage der spezifischen zivilisatorischen Entwicklung in China stehen, nach dem Tode Mao Zedongs das Ruder in die Hand bekommen haben und heute nur noch einen sehr durchscheinenden scheinsozialistischen Mantel umgeworfen haben: Ohne die vorherige Revolution unter Führung Mao Zedongs wäre auch der heutige Aufstieg Chinas, das nun leider unter kapitalistischen Vorzeichen zu einer bedrohlichen internationalen imperialistischen Macht geworden ist, nicht möglich gewesen. Das soll hier zur Vollständigkeit ergänzt werden.

 

 

Wenn Precht und Schellnhuber Nebelkerzen werfen und alles verwirren, sind sie in diesem Lande allerdings damit nicht alleine, denn sie reiten die grüne Welle. Wenn es in dem Interview weiter heißt: „Das Ausleben unserer Freiheit geschieht auf Kosten der Freiheit anderer“ (Precht unter bedingungsloser Zustimmung von Schellnhuber), scheint das zunächst in die richtige Richtung zu gehen, als wenn die internationale Ausbeutung gemeint ist. Aber dann wird das so ausgeführt, daß „die Menschen hierPlastiktüten nutzen, „hin und her fliegen“, zu viel heizen, also „einen Lebensstil von vorne bis hinten zu pflegen, der unter Klimagesichtspunkten eigentlich gar nicht sein dürfte“, der angeblich dazu führe daß die Menschen woanders „ kein frisches Wasser mehr haben“, „ihre Äcker verdorren“, ihre Landschaft und Wohngebiete überschwemmt werden „und, und, und“. So werden also nur wieder die eingefahrenen grünen Klischees bedient, und es wird an den grundlegenden Problemen vorbei geredet, nämlich der Ausbeutung durch den heutigen globalen Kapitalismus, durch eine Ausbeuterklasse, durch kapitalistische Länder, die ihren gestapelten Reichtum einsetzen, um ihn durch Spekulation und Kapitalexport zu vermehren und real betrachtet immer mehr einen Großteil der übrigen Welt für sich arbeiten lassen und nicht auf die eigenen Füße kommen lassen. Und am Ende wird es wieder nicht gegen die eigentlichen Vorantreiber und Hauptprofiteure gerichtet. Das kennzeichnet die grüne Richtung von Anfang an.

 

Manche auch der weniger Reichen sind hierzulande irgendwie daran beteiligt und profitieren in irgendeiner Weise mit von dieser Ausbeutung, aber die Ärmeren in diesem Land sind selbst durch die Spekulation bedroht, die zum Beispiel die Wohnungen in den Städten verteuert, was von den gleichen internationalen Spekulanten ausgeht. Oder nehmen wir im Osten manche Regionen, wo mit wegziehender jüngerer Erwerbsbevölkerung infolge von Deindustrialisierung Trostlosigkeit und Armut einziehen, wie auch vieles an Infrastruktur mit wegbricht. Wie viele Ärmere hierzulande können sich ein Hin- und Herfliegen wie beschrieben wirklich leistenAnm. 5? Und manche sitzen im Winter in zu kalten Wohnungen, weil sie sich die Energiepreise nicht mehr leisten können. Und diejenigen, die noch einer Arbeit nachgehen, bei der sie einigermaßen verdienen, müssen sich fast zu Tode hetzen, um sich diese Bezahlung „zu verdienen“, denn wenn sie nicht mehr können, sind sie sehr schnell beim Hartz-IV-Niveau angekommen. Das Problem ist die Klassengesellschaft, in der eine privilegierte Klasse auf Kosten von Milliarden in der ganzen Welt ihren Reichtum vermehrt. Um ihre Herrschaft zu erhalten, greift sie zu immer absurderen (aus der Sicht der Mehrheit auf der Welt) Maßnahmen. Ohne die Lösung dieses Problems werden auch die anderen letztlich nicht gelöst werden.

 

Kriege in Afrika

 

Was die Kriege in Afrika betrifft, so ist vor allem die internationale Rivalität um die Rohstoffe dieses Kontinents ein äußerst gewichtiger Faktor, der an inneren Faktoren anknüpft und sie immens verstärkt. Die entsprechenden Kräfte, die die Konflikte von außen befeuern, agieren gern hinter den Kulissen. Man sponsert bei inneren Konflikten eine Seite, die mit modernen Waffen ausgerüstet wird, so daß die andere Seite anderen Kräften in die Arme getrieben wird. (Das geschieht auch manchmal auf Umwegen. Boko Haram in Nigeria hat zum Beispiel von der westlichen Unterstützung fanatisch islamistischer Kräfte in Libyen und Syrien erheblich mit profitiert.Anm. 6) Beim Sieg der unterstützten Partei setzt man dann darauf, den dominierenden Einfluß in diesem Land zu bekommen und treibt den Konflikt immer weiter, der ohne das Anheizen von außen vielleicht längst beigelegt oder nie zu einer solch verheerenden Intensität gebracht worden wäre. Oder man will überhaupt nur andere Kräfte nicht hochkommen lassen und verheert lieber alles. Solche einheimischen Politiker, die das Denken nach ethnischen Separatgruppen überwinden wollen, an dem diese äußere Einmischung oft anknüpft, und ein Nationalbewußtsein fördern wollen, um eine unabhängige Entwicklung durchzusetzen, kommen dann zwischen die Mühlsteine und können sicher sein, daß sie auf den Todeslisten ausländischer Minenkonzerne und Mächte landen.Anm. 7

 

Im Fall der äußeren Intervention in Libyen spielte ganz sicher eine gewichtige Rolle, daß Libyen ein relativ reiches Land ohne Verschuldung war, und das geht heute gar nicht, wo Schulden für das internationale System eine wichtige Rolle spielen, Schuldscheine eines Landes mit großen Vorräten an Öl im Tresor wie Bargeld sind, nein besser als einfach Bargeld, siehe die Rolle des „Petrodollar“, der den USA half die Währung zu stabilisieren und deren Vorherrschaft zu bewahren. Solche Schuldscheine aus Libyen wird man jetzt eher haben, nach den umfangreichen Zerstörungen des Landes nicht zuletzt durch Nato-Flugzeuge, zumal auch erhebliche Finanzreserven Libyens mit unbekanntem Verbleib verschwunden sind, also wahrscheinlich irgendwo im internationalen Bankensystem deponiert sind. Libyen wollte mit seinem Finanzpotential einen unabhängigen afrikanischen Finanzmarkt fördern, was ganz sicher seitens des international vorherrschenden Finanzsektors nicht erwünscht war. Der Bürgerkrieg in Libyen schuf dort auch eine Brutstätte islamfanatischer bewaffneter Milizen, die zum Ausgangspunkt für die Befeuerung weiterer ähnlicher Kriege und Konflikte auf dem Kontinent wurden, so wie auch der Krieg in Syrien personell und waffentechnisch verstärkt wurde.

 

 

Armut und Unterentwicklung verstärken die Wirkung von Naturkatastrophen ganz enorm

 

Natürlich sind auch Naturkatastrophen Faktoren der Armut und der Fluchtbewegung. Gerade für weniger entwickelte Länder, die uns in Schönwetterzeiten gerne auch mal als Beispiele vorgehalten werden, wie toll ein sogenanntes „naturnahes“ Leben aussieht, sind Naturkatastrophen besonders verheerend. Hungersnöte sind in Ländern, die noch sehr von eigener Landwirtschaft leben, vor allem eine Folge der Unterentwicklung und Armut, da die Natur und das Wetter nun einmal schon immer Kapriolen schlagen und eine Vorbereitung auf einen solchen Fall, Katastrophenschutz und die Anlage von Notvorräten zum Beispiel, zunächst einmal einen Überschuß über den alltäglichen Bedarf erfordert. Auch verbreitete Monokultur ist ein Faktor, der zumeist auf das koloniale Erbe zurückgeht. Man sollte nicht vergessen: Als Deutschland weniger entwickelt war, wurde es ebenfalls regelmäßig in einem ganz anderen Maße immer wieder von Katastrophen heimgesucht. In unserer urbanen Bevölkerung ist die Erinnerung daran nicht mehr sehr präsent, aber der heiße Sommer dieses Jahres legte alte sogenannte „Hungersteine“ im Bett der Elbe freiAnm. 8, die an schlimme Hungersnöte der Vergangenheit erinnern, als der Wasserspiegel in früheren heißen Sommern schon einmal diese Steine dort freigelegt hat. Da sind oft eine ganze Reihe von Jahreszahlen eingemeißelt, beginnend vor Hunderten von Jahren. Heute verkraften wir so etwas unvergleichlich besser.

 

Man will hier mit aller Gewalt etwas konstruieren. In Berlin gibt es eigentlich sogar Probleme, daß wegen des Wassersparens der Grundwasserspiegel steigt und Keller naß werden, die vorher trocken waren. Doch man muß trotzdem jetzt unbedingt die Trommel für eine angebliche Wasserknappheit in Berlin rühren. Wasserknappheit gehört zur allgemeinen Katastrophen-Angstmache, also nutzt man die Gelegenheit eines heißen und trockenen Sommers aus, um angebliche Auswirkungen des Klimawandels zu entdecken, während bei einem kalten Sommer natürlich betont würde, daß Klima und Wetter zweierlei ist. Ach, die Spree muß mit gereinigten Abwässern aufgefüllt werden und fließt rückwärts! Katastrophe! Das wird dann sicherlich woanders genüßlich zitiert: Jetzt hat es auch Berlin erwischt. Nur wird aktuell „vergessen“ zu erwähnen, daß wegen der Flutung der ehemaligen Braunkohle-Tagebaue wie auch Renaturierung mit Förderung von Überflutungen am Oberlauf seit Jahren schon die Spree in Berlin durch gereinigte städtische Abwässer künstlich aufgefüllt werden muß und schon länger zeitweise rückwärts fließt. Dem ganzen Spektakel setzt aber die Krone auf, was in mehreren Kommentaren zu dem Artikel im Tagesspiegel „Berlins Wassermangel wird immer dramatischer“, 11.11.18, angeführt wird, so hier im folgenden von einem Kommentator, der offenbar über mehr Informationen verfügt:

„Während der letzten Legislaturperioden hatte der Senat dann auch noch entschieden, viele Tiefbrunnen der Wasserwerke aus Kostengründen zu schließen. Sparen war für die Wowereit'sche Partystadt angesagt, weil man ja auch Sekt trinken kann.
Und der Witz am ganzen ist, daß die flachen Grundwasserspiegel minderer Qualität sogar steigen, weil das Tiefwasser weniger abgepumpt wird. Jeder Architekt und Bauingenieur in Berlin kann ein Lied davon singen.
Diese vielen, ehemals vorhandenen Tiefbrunnen nun jedoch wieder zu eröffnen, erfordert ein Vielfaches des Geldes, das eingespart wurde.“

Nun muß man in einer Stadt, die etwas tiefer auf riesigen Grundwasservorkommen sitzt, auf Wasserreserven zugreifen, an die man vorher nicht gehen mußte. Aber die Medien lassen die Gelegenheit nicht aus, das zu dramatisieren und auf den Klimawandel zu schieben, wie jedes Mal, wenn das Wetter sich nicht an Maß und Mitte hält.

 

 

Das Beispiel von Japan und die Bedeutung der Kernenergie
Moderne Möglichkeiten helfen bei der Bewältigung von Naturkatastrophen

 

Ich muß auch einmal besonders auf das sehr lehrreiche Beispiel von Japan verweisen, das regelmäßig wegen seiner geografischen Lage von enormen Naturkatastrophen heimgesucht wird: häufige Erdbeben, Wirbelstürme, Tsunamis - aber da das Land hoch entwickelt ist, da es sich als ein sehr lange schon unabhängiges entwickeltes Land langfristig ausreichend auf die eigenen Probleme fokussieren konnte und die entsprechenden Ressourcen entwickeln konnte, hat es eine besondere Fähigkeit entwickelt, Naturkatastrophen standzuhalten. Nehmen wir die Tsunami- und Erdbeben-Katastrophe vom 11.März 2011 mit ca. 18.000 Todesopfern, die alle bisher dort bekannten Naturkatastrophen und alle Vorausberechnungen übertraf. Wie viele Millionen Todesopfer hätte es bei dieser dichten Besiedlung in einem armen und unterentwickelten Land gegeben, wieviele wären in der Folge durch Hunger und Seuchen umgekommen?

 

Perfiderweise wird diese Katastrophe hierzulande mit dem Namen Fukushima bzw. dem Kernkraftwerk dort verknüpft, als wenn die Kernkraftwerke das Problem waren und diese 18.000 Todesopfer verursacht haben. Dabei haben die japanischen Kernkraftwerke diese außergewöhnliche Katastrophe ohne Freisetzung schädlicher Mengen von atomarer Strahlung überstanden und haben sich planmäßig abgeschaltet, bis auf diese eine schon fast ein halbes Jahrhundert alte Anlage, die 1971 an besonders ungünstiger Stelle gebaut wurde und wegen ihres Alters bereits kurz vor der Stillegung stand. Deshalb wurde sie wohl auch fahrlässigerweise schlecht instand gehalten. In Japan redet man vom Tōhoku-Erdbeben („Erdbeben an der Pazifik-Küste vor der Tōhoku-Region 2011“) Tatsächlich stehen die Kernkraftwerke für den hohen Entwicklungsstand Japans, der trotz nicht gerade idealer natürlicher Voraussetzungen ̶ außer vielleicht im Hinblick auf die Erschwerung ausländischer Eroberung durch die Insellage ̶ erreicht wurde und dieses Land solche Katastrophen besser als andere Regionen und Länder überwinden läßt. Da hilft es auch nichts, wenn die Naturkatastrophe hierzulande nach dem Kernkraftwerk benannt wird, Windmühlen zur Stromerzeugung als innovativ und „erneuerbar“, Kernkraftwerke als Sauriertechnologie bezeichnet werden, obwohl es gerade bei denen in letzter Zeit eine erhebliche Weiterentwicklung gibt, gerade auch in Hinsicht Sicherheit und Handling abgebrannter Brennstoffe, und die Perspektiven der weiteren Entwicklung noch gar nicht voll absehbar sind. Die Entsalzung von Meerwasser und die Urbarmachung von Wüstenland fallen mir da sofort ein, die in extrem reichen Ölstaaten des Mittleren Ostens, also unter völligen Ausnahmebedingungen, heute schon lokal sehr begrenzt angegangen werden.

 

Gerade in diesem Punkt zeigt sich der rückwärts gerichtete Charakter der gängigen Klimapolitik, wie sie vorherrschend vertreten wird, obwohl auch manche Vertreter nicht umhin können zuzugeben, daß zur Reduzierung der CO2-Emissionen gerade die Kernkraft einen wichtigen Beitrag leisten kann. Angesichts der von den Klimavorhersagern geschilderten Herausforderungen wäre die Nutzung der Energie, wie sie unerschöpflich in der Materie steckt, logischerweise besonders dringlich gebotenAnm. 9. Japan jedenfalls läßt sich seine Nutzung der Kernenergie nicht nehmen, schraubt aber nach dieser selbst für Japan unerwartet schweren Naturkatastrophe die Sicherheitsanforderungen weiter in die Höhe und schaltet die Kernkraftwerke erst nach und nach wieder ein, manche, die zu beschädigt sind, sowieso nicht mehr lange laufen sollten oder an zu ungünstiger Stelle stehen, werden auch nicht wieder angeschaltet.

 

Die wenigen großen gefährlichen Havarien, die es bisher bei der zivilen Nutzung der Kernenergie gegeben hat, wären weitgehend vermeidbar gewesen. Man muß sie jedoch auch in Relation damit setzen, welchen Schaden der Verzicht auf die Nutzung dieser Technologie anrichtet. Die Menschheit konnte nur bis heute überleben und sich auf die heutige Höhe entwickeln, weil sie es verstanden hat, ihre Nutzung der Naturkräfte immer höher zu entwickeln. Daraus schöpfte und schöpft sie die Ressourcen, sich nicht nur zahlenmäßig zu vergrößern, sondern gleichzeitig sich auch qualitativ weiter zu entwickeln. Dabei ist allerdings auch die zahlenmäßige Stärke in Verbindung mit dem Entwicklungsniveau ein positiver Faktor, denn in einer größeren global vernetzten Gesellschaft werden neue Ideen und Entwicklungen massenhaft auf allen Kontinenten nahezu gleichzeitig neu aufgegriffen, aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet und in verschiedene Richtungen mit anderen Entwicklungen kombiniert und weiterentwickelt, so daß das Innovationstempo und die Vielfältigkeit der Nutzung neuer Entwicklungen und Erkenntnisse sich unglaublich steigern. Die Entwicklung dieser Form der Energiegewinnung liegt in der Kontinuität dieser Entwicklung, von der sich Deutschland partiell abkoppelt. Eine solche Entwicklung abschneiden zu wollen, die potentiell ein unerschöpfliches Reservoir an Energie anzapft, sie als „Sauriertechnologie“ zu diffamieren und am liebsten ein völliges Denkverbot in diese Richtung erlassen zu wollen, das ist der Gipfel an reaktionären Scheuklappen beim Denken.

 

Zur Ausbreitung dieser Denkweise wurden auch Emotionen geschürt, wurde auch der Schrecken der Atomwaffen genutzt. Der Horror von Hiroshima und Nagasaki hat sicher dazu beigetragen, und die Vorstellung, daß genügend dieser Waffen die Erde unbewohnbar machen könnten. Aber auch schon im zweiten Weltkrieg hatten die größten Mächte so viele chemische Waffen gehortet, daß es für die nachhaltige Zerstörung und Unbewohnbarmachung großer Teile der Erde, vor allem Europas, gereicht hätte. Vor diesem Krieg war das nicht unbekannt, aber die Atomangst verdrängte dies später in den Hintergrund. Die USA wollten mit der Atompropaganda nach dem zweiten Weltkrieg ihre Dominanz als unangreifbar im Bewußtsein verankern und förderten diese Schreckensvision. Der Revisionismus in der Sowjetunion schloß sich dem an. Auf dieser Welle ritt auch die Anti-Kernkraft-Bewegung in unserem Land, wobei noch dazu kam, daß dieses Land der Hauptschauplatz einer atomaren Auseinandersetzung bei einem damaligen Atomkrieg geworden wäre. Die Kernenergie (die uns in normalerweise verkraftbarer Dosis ständig als Teil der Natur umgibt, an der See und im Gebirge, wo gerne Urlaub gemacht wird, stärker,) generell als eine teuflische Bedrohung darzustellen, die aus der Welt zu verschwinden hat, wurde damit erleichtert. Bemerkenswert ist daran jedoch, daß der Fokus auf die zivile Nutzung der Kernenergie gelegt wurde, während die Anti-Kernenergie-Bewegung die Nutzung für Massenvernichtungswaffen nur am Rande streift. Das richtet sich vor allem gegen die industrielle Entwicklung in diesem Land, das sogar über eigene Uranvorkommen in Thüringen verfügt, die nach der Wiedervereinigung jedoch sofort unzugänglich gemacht wurden. Vielleicht war dies eine Bedingung, daß der Wiedervereinigung zugestimmt wurde.

 

Und nicht nur das allein. Im Kosovokrieg stimmte eine rot-grüne Regierung, die gegen die zivile Nutzung der Kernenergie war, einem völkerrechtswidrigen Krieg zu, in dem massenhaft abgereichertes Uran verschossen wurde, gewonnen aus radioaktiven Abfallstoffen, die übrigens auch bei der Herstellung von Nuklearbomben anfallen, denn zur Gewinnung von waffenfähigem Plutonium und ähnlichem muß auch Kernspaltung in Reaktoren, die direkt für militärische Zwecke laufen, betrieben werden.Anm. 10 Wäre nur ein Bruchteil dieser Radioaktivität, wie sie durch den Beschuß mit Uranmunition willkürlich dort freigesetzt wurde, bei einem Castortransport freigesetzt worden, welches Geheul hätte es deshalb gegeben!

 

Auch im weiteren hat diese Verwendung von Uranmunition nicht aufgehört. Wie ist das möglich, daß der Protest dagegen doch relativ unterkühlt bleibt, kein Vergleich mit einem Castortransport? Dieses ganze Land Bundesrepublik Deutschland hat sich bei seiner Entwicklung nach dem zweiten Weltkrieg besonders auf den „Schutzschild“ der USA verlassen, der auch mit auf dem nuklearen Potential dieser Supermacht aufbaut. Immerhin war dieses Drohpotential auch ein Argument Chruschtschows bei seiner Durchsetzung des Revisionismus in der Sowjetunion, ihn als „alternativlos“ hinzustellen, was in der weiteren Folge auch die Wiedervereinigung Deutschlands in der Form, daß die DDR dem System der Bundesrepublik angegliedert wurde, befördert hat. (China hat sich dem nicht untergeordnet und ist damit bisher besser gefahren, davon profitiert sogar die jetzige Ausbeuterklasse dort noch.) Da ist diese Schizophrenie nicht mehr ganz so unbegreiflich. Letztlich sind auch die Grünen eine Fettblase auf der privilegierten Stellung der Bundesrepublik.

 

Es geht eben gegen das Potential dieser Technologie, unbegrenzt Energie zur Verfügung zu stellen, was dem Ideal des „Energiesparens“ entgegensteht, das im Umkehrschluß die Verschleuderung menschlicher Energie bedeutet und die weitere Innovation bremst. Wenn es einst bei der rot-grünen Regierung hieß: Energie muß teurer und Arbeit muß billiger werden - was wir ja in unserem Land auch tendenziell in der konkreten Umsetzung erleben können, dann bedeutet es eben Wegzug von Produktionszweigen, Entwicklung neuer Produktion woanders, massenhafte Billigjobs und auch Hunderttausende, die sich ihre Stromrechnung und ihre Heizkosten nicht mehr leisten können - und letztlich dann auch die verstärkte Bedeutung der Finanzspekulation, weil dieses Land natürlich ein reiches Land bleiben will und als international führender Billiglohnstandort nicht geeignet ist. Man führt als die Kehrseite gleichzeitig auch massenhaft Armutsflüchtlinge ein und schafft eine parallele Armutsstruktur unterhalb dessen, was der einheimischen Bevölkerung in der Regel zugemutet wird, weil es nur mit Finanzgeschäften, „nur mit Häuptlingen und ohne Indianer“ auch nicht funktionieren kann.

 

Da kommen wir hin mit all dieser ach so menschenfreundlichen grünen Kritik am Kapitalismus von rückwärts, auch wenn sie sich teilweise äußerlich als links gewandet hat. Dies mußte sein, weil sie bei ihrer Entstehung möglichst viel vom Potential der politisch aktiven Jugend in diesem Land profitieren wollte, die eben subjektiv überwiegend links war. Schon Ende der sechziger Jahre erkannten gründlicher denkende Vertreter der äußersten Rechten, daß sie an dieses Potential heran müssen, im Bestreben rechte Inhalte wieder gesellschaftlich durchzusetzen, weil Organisationen vom Typ NPD (oder damals die „Aktion Widerstand“ als Sammelbecken) dafür nicht geeignet sind, weil sie zu sehr mit dem zurecht historisch geächteten Naziregime gleichgesetzt werden. Die Schaffung der grünen Partei ist auch von dieser Richtung mit betrieben worden, da sie geeignet war, äußerst rechte Positionen wieder allgemein zu verbreiten, auch eine Massenfeindlichkeit bis hin zur Menschenfeindlichkeit in dem Sinne, daß der Mensch als „Fehlentwicklung der Natur“ verunglimpft wird.

 

Die vielen Immigranten aus Osteuropa - Klimaflüchtlinge?

 

Bei der Immigration reden manche stereotyp nur von „Geflüchteten“, vorzugsweise aus Afrika - das sind ja angeblich alles Klimaflüchtlinge. Die Flüchtlinge aus Syrien sind großenteils Kriegsflüchtlinge, aber auch Klimaflüchtlinge? Und was ist denn mit den Immigranten aus Osteuropa? Jeder zweite neu geschaffene Job in diesem Land geht an einen Immigranten aus Osteuropa, wie kürzlich in den Medien gemeldet wurde, und das sind in der Regel nicht die am besten bezahlten, denn die werden in der Regel nicht neu geschaffen. Sind die vielen Menschen aus Osteuropa, die hier für Niedriglöhne oder unter prekären Bedingungen arbeiten, die als Fernfahrer wie Nomaden für Monate in den Fahrerkabinen leben, oder die per Werksvertrag hier sind und unter miesen Bedingungen untergebracht sind und arbeiten, etwa auch Klimaflüchtlinge?

In einem Interview auf heise.de/telepolis führt der Historiker Hannes Hofbauer folgende Fakten an:

„Der menschliche Aderlass an der Peripherie ist enorm, Bulgarien hat in den vergangenen 25 Jahren 20 Prozent seiner Bevölkerung verloren; wenn man die aktivsten Teile der Bevölkerung her nimmt, jene, die zwischen 20 und 45 Jahre alt sind, beträgt der Verlust sogar 41%. Eine kürzlich erschienene Studie des IWF hat errechnet, dass zwischen 1990 und 2012 20 Millionen Osteuropäer nach Westen emigriert sind. Ohne diese Massenauswanderung, so der IWF weiter, hätte das BIP-Wachstum 7% mehr betragen. An dieser Stelle stockt der geübte Beobachter, ist es doch üblicher Weise der IWF, der genau jene Mobilität einfordert, die periphere Räume entleert.“
(https://www.heise.de/tp/features/Massenwanderungen-haben-sowohl-in-den-Herkunftslaendern-als-auch-den-Ziellaendern-der-Migranten-4205760.html?seite=2)

Sind die Millionen, die aus Osteuropa nach Westen gezogen sind, vom Klima vertrieben? Und nehmen wir die zwei Millionen aus dem Gebiet der ehemaligen DDR einmal mit dazu, die der Arbeit hinterher in den Westen gezogen sind, weil man ihre alten Betriebe und Einrichtungen platt gemacht hat - sind das alles Klimaflüchtlinge??? Oder hat das nicht doch viel eher etwas mit dem Kapitalismus zu tun, der dort zwar „Aufschwung“ versprochen hat, aber dieses Versprechen nicht halten konnte und wollte, weil das vor allem den Aufschwung der Bourgeoisie meint? Ist nicht indessen die gegenwärtige Scheinblüte dieses Landes, der „Aufschwung“ hier, damit verknüpft, daß sich dieses Land, oder besser die in diesem Land herrschende Klasse, billig „frisches Blut“ von überall her hereinholt? Das ist eben kein von Menschen ausgelöster Naturvorgang, sondern eine gesellschaftliche Erscheinung, das ist internationale Ausbeutung, wie es sie nicht erst seit gestern gibt.

 

 

 

Noch mehr zu den rückwärtsgewandten gesellschaftlichen Vorstellungen
Manchmal muß man einen Spatzen sezieren, um die Dinge besser zu verstehen

 

Schellnhuber (und auch Precht) legen im Verlauf des Interviews ein reaktionäres Denken an den Tag, wie es heute vor allem für die Wohlhabenden in den satteren entwickelten Ländern typisch ist. Von diesen beiden Herrschaften, die gewiß nicht im Mangel leben, wird eben dieser gepriesen. „Klimaexperte (!?) Precht“ mit routiniert eindringlicher Stimme und Gestik:

„Eigentlich dürfte es derzeit kein wichtigeres politisches Thema geben als den Klimawandel. Doch noch immer tun wir so, als ob es viel Wichtigeres gäbe: Den Wohlstand steigern und uns auf neue Technologien vorbereiten, die immer mehr Energie verbrauchen.“ (Hervorhebung von mir.)

Wie wir am Beispiel von Japans Fähigkeit Naturkatastrophen zu widerstehen gesehen haben, ist Wohlstand vermindern, auf neue Technologien verzichten im Namen des „Energiesparens“ gerade alles andere als die Lösung für Herausforderungen durch die Natur. Und wenn wir eine wirklich klassenlose Gesellschaft durchsetzen wollen, so wird das nur auf einem noch viel höheren Niveau der Entwicklung als heute dauerhaft durchsetzbar sein. Prechts Plädoyer ist die satte Sicht von Leuten, die keine großen materiellen Sorgen haben und in der heutigen Welt, in der die Finanzausbeutung einen immer größeren Stellenwert hat, sich auf der Sonnenseite wähnen und darauf vertrauen, daß schon irgendwie jemand dafür angeheuert werden wird, für ihre Bedürfnisse zu sorgen. Und so repräsentieren sie eigentlich eine winzige Minderheit auf der Welt. Die Mehrheit auf der Welt schwimmt eben nicht im Wohlstand bis zum Überdruß.

 

Zu einem späteren Zeitpunkt kommt er aber dann auch nicht umhin, einmal seine Vorstellungen über die Mehrheit in der Welt herauszulassen

„Wenn ich sagen würde: Wenn jeder Mensch so konsumieren würde wie ich, dann wäre die Welt kaputt. Also kann ich ja nicht wollen, von mir selber, daß ich einen Lebensstil führe, von dem ich nicht will, daß die Menschen in Afrika, in China, in Indien usw. ihn auch führen.“ (Precht)

Da haben wir es doch. Die Menschen dort sollen nicht den Lebensstil führen, den er führt, und von dem er vielleicht ein paar Abstriche machen will, sondern den, den er für angemessen hält. (Am deutschen Wesen soll die Welt genesen?) Zu sagen „das kann ich nicht wollen“ und das konsequent umzusetzen, da ist dann noch die Doppelmoral dazwischen. Geht es nicht vor allem um die Verewigung der bestehenden Gesellschaftsstruktur wie auch der Folgen der ungleichen Entwicklung und des Kolonialismus? Was die Menschheit braucht ist Entwicklung, auch um mit künftigen Herausforderungen fertig zu werden, auch mit solchen durch den Wandel des Klimas, und Klimaveränderung ist ja früher oder später auf jeden Fall zu erwarten, aber auch darüber hinaus um die Mittel für eine „nachhaltige“ klassenlose Gesellschaft zu schaffen.

 

Bei Schellnhuber zeigt sich ein entsprechender Hintergrund mit ganz besonderer Penetranz, es mischt sich noch speziell ein Zug des alten deutschen Spießertums und des Klerikalismus mit hinein. Man nehme folgende Äußerungen, die relativ dicht beieinander lagen:

 

„Dieser Lebensstil, der letztendlich die Schöpfung zerstören wird, [...] der ist nicht wirklich Teil, glaube ich, unserer abendländischen Kultur.“ (Schellnhuber)

„Aber diese geradezu Obsession zu verschwenden, also kaufen, ... konsumieren und dann wegwerfen, das ist wirklich in den sechziger Jahren in Deutschland eingezogen, und das ist, glaube ich, tatsächlich die Folge einer amerikanischen Gehirnwäsche, die sozusagen das ehemalige Nazideutschland dann erfahren hat.“ [Die Menschen hätten sich durch Nachahmung Amerikas von der „faschistischen Schuld“ befreien wollen.] „Verschwendung statt Entnazifizierung oder Verschwendung als Entnazifizierung“. (Schellnhuber)

„Gut auszukommen mit dem, was man hat, nicht, vielleicht noch ein bißchen was auf die Seite zu legen und auch an andere denken, war eigentlich so der Kern dieser selbstverständlichen Ethik, nicht? Und ich bin schon der Meinung, daß das im Grunde genommen letztendlich durch Intervention abgeschafft wurde.“ (Schellnhuber)

Jetzt muß Schellnhuber nur noch behaupten, daß es in dem Milieu, das er beschreibt, keine armen Landarbeiter und Knechte gab, die nicht allzu viel zum Zurücklegen hatten, deswegen auch keine eigene Familie begründen konnten und völlig unter der Fuchtel wohlhabender Bauern oder auch Handwerksmeister standen. Selbst wenn sie nicht extra schlecht behandelt wurden oder auch mal ein Almosen bekamen, die haben natürlich nicht so gezählt und mußten halt ihr „gottgegebenes“ Schicksal ertragen. Daß er eher die Wohlhabenderen in diesem Milieu im Auge hat, versteht sich.

 

Precht greift diese Ansichten eines anscheinend wohlhabenden, hinterwäldlerischen und konservativen Spießertums nicht an sondern auf, und er beschönigt sie gar, indem er sagt, das christliche Kreuz sei durch das Hakenkreuz und das Hakenkreuz durch den Mercedesstern ersetzt worden. Als wenn die protestantische Kirche, abgesehen von Ausnahmen, so konträr zum Nazifaschismus gestanden hätte. Eher ist doch der Übergang ein gleitender gewesen, zumal nach dem zweiten Weltkrieg lange Zeit das, was heute AfD heißt, in den rechten Flügeln von „Volksparteien“ verortet war. Die Frage ist stattdessen berechtigt, ob nicht gerade dieses von Schellnhuber geschilderte Milieu sehr anfällig für den Nazifaschismus war, der damals demagogisch versprach, das herkömmliche, traditionelle Kleinbürgertum und Besitzbürgertum vor dem globalisierten modernen (und „amerikanisierten“) Kapitalismus zu schützen. Da erinnert man sich doch auch gleich an die jüngste Rede Gaulands in der FAZ vom 6.10.18, wo er auch in einer solchen Richtung argumentiert, uns vor dem „wurzellosen“ globalisierten Kapital zu schützen. Im Grunde würde Schellnhuber mit diesen seinen Ausführungen selbst sehr gut in die AfD passen.

 

Rückwärts gewandte Kapitalismuskritik, zurück zu einem angeblich besseren inländischen Kapitalismus, der nicht durch „fremdländische“ Einflüsse verdorben ist, das ist selbst ein Wesenselement des Faschismus (und findet sich auch so ähnlich bei der AfD). Dieser greift den Kapitalismus im Kern dafür an, daß er seine eigenen Totengräber hervorbringt, alle traditionellen, überkommenen und „geheiligten“ Fundamente der Klassengesellschaft untergräbt (auch solch ein Milieu wie geschildert) ... und, sinngemäß formuliert, durch die gefühllose bare Zahlung ersetzt, wie Marx sagte. Faschismus bekämpft nicht nur fanatisch alle gesellschaftlichen Kräfte, die den Kapitalismus durch eine weiter entwickelte Gesellschaft überwinden wollen, sondern auch Kräfte im Kapitalismus selbst, die revolutionäre Elemente aus seiner Sicht nicht genügend unterdrücken oder sie begünstigen, und wenn nur unwillentlich. Dabei wird bei Bedarf auf Elemente früherer Klassengesellschaften zurückgegriffen, bis hin zur Sklaverei. Der „alte“, „abendländische“, angeblich weniger „wurzellose“ Kapitalismus - was immer das sein soll - das war jedenfalls insgesamt betrachtet keineswegs besser als der heutige „amerikanisierte“. Aber der Widerspruch zwischen dem Stand der Produktivkräfte und der privaten Aneignung hat sich wirklich verschärft.

 

Auch Precht versteht sich auf Kapitalismuskritik von Rückwärts und deklamiert unter Zustimmung von Schellnhuber:

„Diese Ethik [wie sie Schellnhuber vertritt] steht unserem Wirtschaftsmodell entgegen. Also der große wirtschaftliche Erfolg, den Deutschland hat, hängt damit zusammen, daß die Leute nicht nach Bedarf einkaufen, den sie tatsächlich haben, sondern nach eingeredetem Bedarf, wir leben in einer Bedarfsweckungsgesellschaft, nicht in einer Bedarfsdeckungsgesellschaft, und alles das läßt die Ökonomie erblühen.“ (Precht)

Nun, von Wesen des Kapitalismus selbst versteht Precht offensichtlich nicht so viel. Wenn man daran gewöhnt ist, daß die Waren, die man kauft und sich vor allem auch leisten kann, zumeist von irgendwoanders her auf der Welt sind und die kapitalistische Ausbeutung, die damit verbunden ist, nicht mehr so direkt vor Augen hat, dann kommt man wohl eher auf solche Ideen, daß der Kapitalismus eine Art Füllhorn sei. Das ist er für die Mehrheit nicht, insbesondere wenn man das heutige System global betrachtet, was man zwingend heute muß. Daß für die meisten Menschen auf der Welt eher das Problem darin besteht, wie sie die notwendigsten Bedürfnisse decken und überleben, das ist hier ausgeblendet. Und das gilt gerade auch für diejenigen, die mit auslaugender Arbeit in den heutigen „Weltfabriken“ den angeblichen Überschuß produzieren, den sie sich selbst zumeist nicht leisten können. Das gehört aber dazu als die untrennbare andere Seite davon. Die Waren, die meinetwegen ein Precht im Überfluß hat, müssen zunächst produziert werden. Und insgesamt ist eben nicht künstlich eingeredeter Konsum das eigentliche Problem, die Produzenten können sich die Waren oft selbst nicht einmal leisten. Auch hierzulande nicht.

Die sogenannte „Wirtschaftswunderzeit“ in den Sechzigern, von der hier Schellnhuber so negativ als „Gehirnwäsche“ redet, habe ich selbst erlebt und ganz anders in Erinnerung. Ich kann mich an die vielen neuen Dinge erinnern, die plötzlich nicht mehr nur für Reiche erschwinglich waren, nach einer Nachkriegszeit mit allgegenwärtigen Ruinen und Kriegsversehrten noch 10 Jahre nach Kriegsende, in der wirklich für Viele Mangel herrschte und z.B. vieles heute Selbstverständliche noch nicht selbstverständlich war: Messer die nicht blau anlaufen, Telefon, Fernsehen, Staubsauger, Waschmaschinen, Kühlschränke, Autos, Urlaubsreisen ins Ausland (private Computer und Handys waren überhaupt noch völlig utopisch) - das alles war vor dieser Zeit besonders Wohlhabenden vorbehalten. Wir zogen, als weiterer Nachwuchs sich ankündigte, aus den 1 1/2 Zimmern in Untermiete in eine Neubauwohnung, aber hatten lange keine Möbel, um das eine Zimmer mehr zu möblieren. Gerade in einer Zeit, als zunehmend in Familien mit Kindern beide Elternteile arbeiten gingen, vielleicht am Fließband oder im Akkord, waren die neuen erschwinglichen Dinge zum Teil unter den neuen Umständen allernotwendigste DingeAnm. 11. Damals hielt ein modernerer Kapitalismus Einzug, der mit seiner Arbeitshetze und geistlosen Taktarbeit viele auspowerte, aber auch andererseits mit einem anderen Lebensstandard die Menschen auf eine höhere Leistungsfähigkeit brachte. Auch die Arbeiterbewegung erlebte in den sechziger Jahren einen Aufschwung auf der Grundlage der wachsenden Industrie, wie auch die Jugend- und Studentenbewegung. Da ist es ein Hohn, wenn Precht wie der alte Klischee-Opa in Schellnhubers Ton einfällt, („Früher war alles besser“) und sagt:

„Wenn sie jetzt sagen: Eigentlich sollten die Leute sich auf das Wesentliche reduzieren, sollten mal überlegen, wie ihre Großeltern gelebt haben, womit die eigentlich glücklich und zufrieden sind. Die sind auch nicht pausenlos auf die Bahamas geflogen, die sind vielleicht gar nicht sogar geflogen. Die weiteste Reise meiner Großeltern ging nach ÖsterreichAnm. 12, das reicht doch auch, das ist doch auch gut. Sie wissen - mit sowas würden sie keine Wahlen gewinnen.“ (Precht, Hervorhebung von mir)

 

Das ist offenbar Schellnhuber auch klar, jenseits aller Glücksversprechen. Aber er hat schon über eine Lösung nachgedacht:

 

„Man könnte über die Architektur der Demokratie nachdenken, zum Beispiel ist es ja so, daß wir immer Wiederwahlen zulassen, zum Beispiel von Ministern, Kanzlern, Parlamentariern. Ich habe einmal bei einer Podiumsdiskussion ganz unschuldig ins Spiel gebracht, ich bin kein Politologe, wie wäre es wenn wir Amtszeiten auf acht Jahre ausweiten würden aber keine Wiederwahl möglich wäre? ... Ich glaube, wir sollten über neue Formate nachdenken.“ (Schellnhuber)

 

Neu ist das allerdings nicht. Sich an die Macht bringen lassen und dann den Wählern keine Rechenschaft mehr ablegen müssen. Das hat schon mal jemand gemacht, der dann 12 Jahre regiert hat und auch nicht wiedergewählt werden konnte. Precht wird immer noch nicht kritisch, sondern fragt, hilfreich den Faden fortspinnend, wie man als CEO eines großen Unternehmens oder verantwortlicher Politiker „aus der Wachstumsspirale ausbrechen“ könnte. Er fragt, ob nicht eine Verbotskultur erforderlich wird.

 

Schellnhuber widerspricht und sagt, man brauche eine „Zumutungskultur“. Daß das am Ende vor allem ein Unterschied in der äußeren Form ist, und von wem er diese geschickte Wortverdreherei abgeschaut hat, das kommt noch.

 

 

Parallelen zum Mussolini-Faschismus - Manche sehen den faschistischen Wald vor lauter grünen Baumkronen nicht!

 

Es wird lange über die Digitalisierung gesprochen, mit der angeblich die „Nachhaltigkeit“ erreicht werden kann. Künstliche Intelligenz werde eingesetzt, um Energie zu sparen, die Straßenbeleuchtung auszuschalten, wenn gerade niemand auf der Straße ist. Das alles um die Energie einzusparen, die man extra knapp macht. Aber dann kommt die Frage: würde nicht zur Herstellung und Unterhaltung davon wieder Energie gebraucht werden? „Die einzelne digitale Technologie [...] verbraucht jetzt immer weniger Strom, aber die Summe der Technologien, die wir insgesamt einsetzen, wird immer größer.“ (auch Rebound-Effekt genannt) Das findet allerdings im Kapitalismus sowieso ständig statt, so lange er zu Innovationen fähig ist. Energie ist nicht kostenlos zu haben, also versucht man sie effektiv einzusetzen, ohne daß es dazu einen ideologischen Selbstzweck braucht. Dann kann man die eingesparte Energie für etwas anderes nutzen. Aber nicht etwa, daß sie auf den Unsinn ihrer eigenen Vorstellungen kommen. Schellnhuber meint, da würde es irgendwann eine Sättigung geben, weil nicht jede Familie in Deutschland 10 SUVs brauche. Wieder geht es nur um die Probleme der wirklich Reichen, gar von Millionären, und die Mehrheit wird ausgeblendet, man braucht wieder „Erzählungen“. Perspektiven über den Kapitalismus hinaus sind natürlich ebenfalls völlig ausgeblendet. Dann aber müsse man auch regulieren, und auf die „Zumutungen“ zurückkommen, meint Schellnhuber:

 „Daß ich als Gesetzgeber letztlich dann irgendwo auf die Bremse treten muß und sage: Wir betreiben eine Energiewende mit großen Subventionen, alle zahlen dafür mit, nicht, damit der Strom klimafreundlicher wird, daß er vielleicht sogar billiger geliefert werden könnte irgendwann [verdächtig viele Einschränkungen], aber dann, bitteschön, macht alle diese Effekte nicht wieder kaputt, indem ihr maßlos immer mehr konsumiert, nicht. Und da muß man Leitplanken setzen und muß Leitlinien geben und bestimmte klimaschädliche Geschäftsmodelle müssen in der Tat schlicht ausgemustert werden.“ (Schellnhuber)

Soviel zum Thema „und auch an andere denken“ weiter vorne. Und er hat da schon ein Rezept parat, wie man das durchsetzen könnte, das nicht neu und nicht originell ist (und sich auf eine Minderheit stützt, die bestimmt nicht diejenige ist, der es am schlechtesten geht) :

„Ich denke, es gibt immer 10, 15 Prozent in einer Gesellschaft, die Verantwortung übernehmen wollen. Der berühmte Ökonom, der italienische Ökonom Pareto hat von den „vital few“ gesprochen, also den entscheidenden sozusagen Wenigen, das sind immer so 10, 15 Prozent in einer Gesellschaft, nicht. Und ich glaube, daß es wichtig ist, diese 10, 15 Prozent zu gewinnen, übrigens nicht indem man ein ganz bestimmtes drakonisches Gesetz verabschiedet, sondern indem man eine gute Geschichte erzählt, ein gutes Narrativ heißt das neuerdings, aber das ist immer noch eine Geschichte in diesem Fall, eine Geschichte, in der Menschen gerne vorkommen wollen, wo sie gerne dabei sein wollen, wenn das Happy End geschieht. Und dafür können sie diese 10, 15 Prozent der Menschen, die in irgendeiner Form privilegiert sind - entweder hatten sie eine gute Ausbildung, sie haben reiche Eltern, wie auch immer, oder sie sind einfach nur neugierig und talentiert - die können sie gewinnen, und von denen ausgehend muß dieses Narrativ sich weiter verbreiten, nicht, und dann können Politik und Gesellschaft ziemlich gut zusammenspielen.“ (Schellnhuber)

Hier wandelt er mit seiner auf Wilfredo ParetoAnm. 13 bezogenen Argumentation auf den Spuren eines Vorbildes, das die Anerkennung des Faschistenführers Mussolini besaß. Pareto soll Mussolini auch den Rat gegeben haben, trotz „Elitenherrschaft“ das Parlament formal bestehen zu lassen, um die Menschen besser betrügen und kontrollieren zu können. (Auch da gab es sicher keine Wiederwahl) Auch die Theorie einer privilegierten Führerschicht, von der die (von Faschisten zumeist als dumm angesehene) Masse geleitet werden müsse, gehört zum Faschismus dazu, wie auch die Instrumentalisierung von Mythen (Erzählungen). Precht geht über diese Zusammenhänge hinweg, die er als philosophisch belesener Mensch eigentlich kennen sollte, und bietet stattdessen aus seinem philosophischen Arsenal wieder hilfreich zwei weniger verdächtige mögliche Wege für die Schaffung eines „wirksamen Narratives“ an: Argumentieren mit Kant oder utilitaristisch.

 

Schellnhuber greift beides nicht auf, sondern offenbart dem gegenüber seine Präferenz für die „katholische, spirituelle Haltung zur Bewahrung der Schöpfung“ (Schellnhuber), obwohl er selbst nicht katholisch sei, aber er sei schon immer spirituell gewesen. Wieder der reaktionäre Hammer, der auf Prechts elegantere Lösung noch eins drauf setzt. Damit fordert er Parallelen zum Franko-Faschismus oder zum Protofaschismus der „Action Directe“ in Frankreich heraus, wo sich Katholizismus und Faschismus besonders gut vertragen haben, aber insgesamt betrachtet natürlich nicht nur dort.

 

Precht spinnt den Faden jedoch gleich wieder weiter:

„Eine Ehrfurchtsethik arbeitet mit Begriffen wie Ehrfurcht, wie Demut, wie Sich-Bescheiden, Maßhalten, und alles das sind ja Dinge, die dem Kapitalismus elementar widersprechen. [Warum sprach Ludwig Erhard dann von Maßhalten? Es ist immer noch die Frage, wer im Kapitalismus „Maßhalten“ betreiben soll.] Also paßt eigentlich eine nachhaltige Klimapolitik und der Kapitalismus überhaupt zusammen, oder brauchen wir ein anderes System?“(Precht)

Schellnhuber erwartungsgemäß:

„Das Klimaproblem ist einfach in einer solchen Geschwindigkeit unterwegs, daß wir sicherlich nicht erst den Systemwechsel vornehmen können. Wir müssen schon versuchen, innerhalb der Systeme, die wir haben, in China, in Rußland, in Brasilien, in Deutschland, in den USA die Wende herbeizuführen. Ich glaube eher, daß es umgekehrt ist. Wenn wir es tatsächlich schaffen würden, eine große Erzählung zu verbreiten, an der sich viele Menschen beteiligen, dann wird wahrscheinlich ein Teil der kapitalistischen Träume sowieso platzen und es werden verschiedene Mythen verschwinden.“ (Schellnhuber)

Und wenn sich der Finanzkapitalismus von heute mit diesen Verhältnissen arrangieren würde, dann hätte er zumindest so bessere Voraussetzungen, eine fortschrittliche Opposition zu unterdrücken. Die Großindustrie hatte auch wenig Probleme damit, sich im Nazifaschismus einzurichten. Allen Wasser predigen und selbst Wein saufen, als wenn das herrschenden Klassen jemals Mühe gemacht hätte.

 

Was für eine Wende will nun Schellnhuber herbeiführen?

 

Der moderne Kapitalismus mit seiner hochentwickelten gesellschaftlichen Produktion, seinem bereits hohen Grad der internationalen Arbeitsteilung läßt doch die Möglichkeiten vorstellbar werden, die bei der Beseitigung der privaten Aneignung der Früchte und der Instrumente dieser hochentwickelten Produktion greifbar werden. Hartmut Dicke hat stets vertreten, daß sich angesichts der hochentwickelten Produktivkräfte hierzulande die klassenlose Gesellschaft geradezu aufdrängt. Das gilt jedenfalls für die Bundesrepublik vor nicht ganz 50 Jahren. Angesichts dieser Perspektiven trotzdem rückständige Produktionsverhältnisse zu verteidigen und die Arbeiter in Verhältnissen leben und arbeiten zu lassen, die zu diesen Möglichkeiten in offenkundigem Widerspruch stehen, muß doch revolutionäre Bestrebungen hervorrufen, die direkt die klassenlose Gesellschaft ins Visier nehmen. Das hat sich hier bei der Jugend- und Studentenbewegung und dem Anknüpfen eines großen Teils, Zehntausender an die revolutionäre Arbeiterbewegung von vor dem Nazifaschismus gezeigt, und das obwohl die gesamte Bourgeoisie hier derartig vieles aufgefahren hatte: Korrumpierung, Terror, Faschismus, Weltkriege, eine Begünstigung der wirtschaftlichen Entwicklung seit den fünfziger Jahren. Das alles konnte nicht verhindern, daß wieder revolutionäre Elemente neu aufkamen. Das ist der eigentliche Hintergrund der Verlagerung der Produktion in andere Regionen der Welt und der Dezimierung der Arbeiterklasse in diesem LandAnm. 14. Und zur ideologischen Rechtfertigung davon dient die grüne Propaganda, die eben diese fortgeschrittenen Produktionsmittel zum Schlimmsten in der Welt erklärt und sie eindämmen will.

 

Schellnhuber vertritt gesellschaftliche Kräfte, die sich innerhalb der bestehenden kapitalistischen Gesellschaft eingerichtet haben und diese Verhältnisse deshalb verteidigen und verewigen wollen. Gleichmäßig auf alle verteilter Mangel, sollte es ihn jemals geben, was selbst schon eine Schimäre ist, wird dies niemals schaffen können, denn der Mangel wird nie „gerecht“ verteilt werden können, selbst wirklich gleiche Verteilung bei ungleichen Individuen wird beispielsweise nie als idealer Zustand empfunden werden. Und was Mangel ist, mißt sich an dem, was möglich ist, spätestens in der nächsten Generation. Wer mehr leistet, wird auch zu Recht mehr für sich einfordern, und solange er im Sinne aller handelt, wird ihm das auch allgemein zugestanden werden. Deshalb ist auch ein Sozialismus schon im Begriff zu scheitern, der im eigenen Saft schmort, nur zurückschaut und nicht sich und seinen Staat durch die klassenlose Gesellschaft überflüssig machen will, in der für ungleiche Bedürfnisse auch eine adäquate Verteilung möglich ist, ohne daß einer dem anderen deshalb etwas wegnehmen muß. Erst auf dieser Stufe wird die Spaltung in Klassen für jeden einsichtig ein Widersinn werden. Das ist etwas völlig anderes als Predigen von Bescheidenheit und Genügsamkeit, und es ist auch kein Zufall, daß ein Lebensniveau, wie es heute nur für eine Minderheit in der Welt gilt, für die Beispiele von Precht und Schellnhuber herangezogen wird. Wer auf einem entsprechend hohen Niveau lebt, ist vielleicht für eine gewisse „Bescheidenheit“ zu gewinnen, wenn er dafür seine Privilegierung insgesamt sichert. Und außerdem sind diese Rezepte auch völlig untauglich, sollte die Prophezeiung der Klimaerwärmung eintreten und bewältigt werden müssen.

 

Es gibt keine Alternative zu einer schnellen Weiterentwicklung der Menschheit, materiell und gesellschaftlich, und zwar mit allen Möglichkeiten, die vorhanden sind. Hätte es schon zur Zeit des alten Roms Grüne gegeben, hätten sie den Schiffsbau verbieten wollen, denn wenn man bis heute Schiffe aus Holz bauen würde, wären noch mehr Wälder zu Karstgebieten geworden, sofern die Menschheit überhaupt bis heute Bestand gehabt hätte. Es gibt nicht nur eine quantitative, sondern auch eine qualitative Entwicklung. Beides sind zwei Seiten einer Medaille. Europa und die USA, auch nicht im Bunde mit China oder Rußland, werden den Milliarden in der übrigen Welt nicht diktieren können, wie weit sie sich zu entwickeln haben, daß sie z. B. ihre Kohle nicht nutzen dürfen, wenn sie die für ihre Entwicklung brauchen, oder keine Kernkraftwerke oder keine Großindustrie oder keine moderne Landwirtschaft haben dürfen. Diese müssen sich nicht nur auf das gleiche Niveau entwickeln können - sondern darüber hinaus!

 

Vor allem muß eine Gesellschaft erreicht werden, in der nicht mehr das Interesse einer Klasse, die vermittels der Ausbeutung und Unterdrückung der Mehrheit existiert, die Richtschnur vorgibt. Aber schon gar nicht Repräsentanten dieser Klasse, die zum Zweck der Aufrechterhaltung der Klassenherrschaft die materielle Entwicklung aufhalten wollen, die die Voraussetzungen zur Abschaffung der Klassenherrschaft hervorbringt. Wenn mit dem Vorwand der Klimaveränderung die Herrschaft dieser Klasse verlängert wird, wird eine Klimaveränderung letztlich das kleinere Problem gegenüber den Folgen davon sein.

 

*

 

Der Kapitalismus, diese Klassengesellschaft, die schon zwei Weltkriege hervorgebracht hat sowie eine Welt, in der es keinen Tag ohne Krieg mit modernen Waffen gibt, wo die Kriege seit dem zweiten Weltkrieg inzwischen dessen Opferzahl längst überstiegen haben, ist dringend fällig zur Ablösung. Schon daß die sozialistischen Staaten nicht mehr da sind, die den Kapitalismus in Frage stellten, hat ungeheuer negative Folgen, auch wenn diese Staaten letztlich vor allem an ihrem eigenen Unvermögen gescheitert sind, weiterhin schnell Richtung klassenlose Gesellschaft auf einem höheren Entwicklungsniveau genügend voranzukommen. Dabei spielte natürlich auch eine Rolle, daß der Sozialismus sich in „schwächsten Gliedern“ der internationalen kapitalistischen Ordnung durchsetzte, in denen zwar die bestehende Ordnung besonders schwach war, aber die Voraussetzungen für den Übergang zur klassenlosen Gesellschaft auch weniger herangereift waren. Viele Kompromisse mußten gemacht werden, aber es ist ein sehr kompliziertes Feld, die richtigen Kompromisse zur richtigen Zeit zu machen. Mit Großmachtdünkeln darf man zum Beispiel keinen Kompromiß machen. Die Ausbeuterherrschaft hat sich dort wieder durchgesetzt - auch schon als sie sich noch sozialistisch nannten: erst unterschwellig und dann immer offener bildete sich wieder eine herrschende Ausbeuterklasse heraus. Das war ihr größtes Problem. Auch die parasitäre neue Ausbeuterklasse, die sich innerhalb der ehemals sozialistischen Staaten herausgebildet hat, die sich als sozialistische Macht rechtfertigte, aber den Sozialismus zu Grunde richtete, war ein Hindernis für die Entwicklung, so daß die Menschen in einigen dieser Staaten einen offenen Kapitalismus vorzogen. Aber die Enttäuschung folgt auf dem Fuß, denn der Kapitalismus, der nicht mehr in gleicher Weise herausgefordert wird, muß sich auch weniger einen scheinsozialen und innovativen Anstrich geben.

 

Der Zahn der Zeit wird weiter an der Klassenherrschaft nagen, die objektiven Gesetzmäßigkeiten werden weiter wirken, bis sie aktiv gestürzt wird, und sie muß aktiv gestürzt werden und wird nicht von alleine fallen. Der Klassenkampf kann in einer Klassengesellschaft nicht beseitigt werden. Das heißt nicht, daß es nicht auch noch Fortschritt innerhalb des Kapitalismus gibt. Der Kapitalismus schafft seine Totengräber und die materiellen Mittel zu seiner Überwindung, das ist eine Seite an ihm, die nicht völlig beseitigt werden kann, auch wenn manche fieberhaft daran arbeiten. Alles hat eben seine zwei Seiten, wenn auch eine als Hauptseite und eine als Nebenseite. Er bricht die alten, in archaischen Zeiten wurzelnden, Milieus auf, auf deren Grundlage sich uralte Klassen- und Völkerspaltungen entwickelt haben. Als er sich gegen die ältere Feudalordnung durchsetzen mußte, trat diese Seite mehr in den Vordergrund. Wenn es nicht so wäre, hätte er sich auch nicht global durchsetzen können. Und die grüne Richtung will eben genau diese Seite am Kapitalismus beseitigen, was nie völlig gelingen wird, aber der Versuch richtet bereits genug Schaden an. Heute muß der Kapitalismus selbst seine Herrschaft gegen eine fortschrittlichere Gesellschaftsordnung verteidigen, die sich angesichts des heutigen Entwicklungsstandes aufdrängt, auch wenn er wieder mehr die Oberhand zu haben scheint.

 

 

Antikapitalismus von Rechts und ideologische Quellen der Grünen

 

Daß dies alles gerade in der Linken, was sich jedenfalls so nennt und sich zum Teil auch subjektiv dafür hält, heute nicht so erkannt wird, hat natürlich seine Ursachen. Es lief ähnlich ab, wie einst Ende des neunzehnten/Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts ein großer Teil der Sozialdemokratie für den Bürgerlichen Klassenstaat eingespannt wurde: indem man damals für sie, insbesondere für Karrieristen, die mit dem Aufschwung der Sozialdemokratie sich dort immer zahlreicher tummelten, Positionen in der kapitalistischen Gesellschaft schuf, so in Arbeitsschutz, Sozialforschung, Gewerkschaftsbürokratie und im Sozialapparat, was natürlich durch Extraprofite anderswo wieder hereingeholt werden mußte und neben der Korrumpierung auch imperiale Bestrebungen verstärken mußte. Das ist natürlich kombiniert mit der Schaffung einer saturierten, bestochenen Schicht unter den Arbeitern und innerhalb anderer Gesellschaftsschichten. Der Imperialismus versucht dabei auch, das eigentlich gesetzmäßige Aufreiben der Zwischenschichten aufzuhalten und eine „Mittelschicht“ aufrecht zu erhalten. Jemand wie Bernstein, der entsprechende Erscheinungen als angeblichen „Beweis“ nahm, daß die von Marx konstatierte Prinzipien damit widerlegt seien und angebliche „orthodoxe Marxisten“ wie der „Papst des Sozialismus“ (wie er sich selbst einmal bezeichnete) Kautsky, die den wissenschaftlichen Sozialismus in eine hohle Dogmenlehre verwandelten und die reale Entwicklung und die tatsächlich vorgehenden Veränderungen nicht wissenschaftlich analysierten, sorgten für entsprechende Verwirrung auf theoretischem Gebiet. Frühere theoretische Irrwege, wie der Lassalleanismus, die sich harnäckig hielten, mußten sich natürlich ebenfalls auswirken und boten Anknüpfungspunkte für die Ausweitung des Einflusses (klein-)bürgerlicher und noch rückständigerer Ideologie. Auf der anderen Seite wurden diejenigen Kräfte, die an der sozialen Revolution auch in der Tat weiter festhielten, die dann im weiteren auch eine neue revolutionäre Partei, die KPD gründeten, weiterhin mit großem Terror bedroht, auch mit Mord an revolutionären Vertretern, worauf letztlich auch entsprechende Taten bis hin zum Faschismus folgten.

 

Analog lief es im Prinzip auch gegenüber der Jugend- und Studentenbewegung, wo die Bourgeoisie kleinbürgerliche Ideologien massenhaft zu verbreiten suchte, die eine angebliche zunehmende Auflösung des Proletariats in der sogenannten Mittelschicht verkündeten (Markuse). Dabei ist das im Kapitalismus unmöglich und kann auch, wenn man die weltweite Ordnung heute insgesamt betrachtet, so nicht bestätigt werden; wenn man jedoch nur ein einziges Land wie unseres für sich betrachtet, kann man schon verwirrt werden. Schon früh versuchten karrieristische Elemente, oft waren es auch Abkömmlinge der herrschenden Klasse und der Kräfte ihres Apparates, in einer rasch sich ausweitenden und erstarkenden Bewegung selbst Karriere zu machen. Sie leisteteten eine besondere Sabotagetätigkeit, als der fortgeschrittenste Teil dieser Bewegung in der Erkenntnis, daß die eigentlichen Wurzeln der gesellschaftlichen Mißstände tiefer lagen, daß eine isolierte Studenten- und Jugendbewegung die Beseitigung nicht leisten kann, kleinbürgerliche Theorien verwarf und mit Kräften der alten KPD, die dort den Revisionismus verurteilten, zusammenging und die KPD/ML gründete. Hartmut Dicke hat die Infiltration der Bewegung durch karrieristische Agenten der Bourgeoisie schon von früh an kritisiert, und die Schrift „Die linkssektiererische Linie in der KPD/ML“, die er unter dem Pseudonym Klaus Sender verfaßte, behandelt gerade solche Umtriebe innerhalb der „Roten Garde“ in West-Berlin und der KPD/MLund prägte früh unsere Organisation, deren Gründer wegen der Kritik an solchen Umtrieben ausgeschlossen wurden.

Solche bürgerlichen Agenten innerhalb der neuen „ML-Bewegung“ leisteten innerhalb der KPD/ML eine erhebliche Zersetzungsarbeit, während andere mehrere Konkurrenzorganisationen mit „Führungsanspruch“ gründeten, die zehntausende zumeist gutwillige und opferbereite Menschen banden. Mit einem sozialistischen Lager auf der Welt, in dem bereits die Hälfte der Weltbevölkerung lebte, mit dem Marxismus in Mode innerhalb der Jugend, wähnten manche Karrieristen sich auf einem aufsteigenden Ast. Als jedoch der Übergang zum offenen Kapitalismus in den sich sozialistisch nennenden Ländern immer deutlicher wurde und schließlich auch in China, wo sich unter Mao Zedong die Revolution länger gehalten hatte, der Umsturz sich anbahnte, da sannen diese Kräfte nach Möglichkeiten, die Bewegung offen in ein dem Kapitalismus konformes Gleis zu leiten. Außerdem wurden im Rahmen der Terrorismuskampagne alle Kräfte mit Verfolgung bedroht, die an einer revolutionären Perspektive festhielten, und der Wind wehte zunehmend rauher. Es bot sich für die karrieristischen Elemente vor allem ein „Antikapitalismus“ von Rechts für den Übergang an, wo natürlich dann in der Folge auch Hineinwachsen in die Institutionen des Staates der „sozialen Marktwirtschaft“ in den „sozialen Kapitalismus“ steht. Der „kleinbürgerliche Sozialismus“ ist sowohl gegen die weitere Entwicklung des Kapitalismus, als auch gegen die Bewegung des Proletariats, die beide tendenziell das Verschwinden der Zwischenschichten bedeuten, und so landet er schließlich doch bei einem Kapitalismus, der seine Weiterexistenz auf der Grundlage internationaler Ausbeutung verspricht. Auch von der emotionalen Seite bot er sich an, denn die intellektuelle Jugend wollte natürlich nicht so gern in das Getriebe der Fabriken geraten. Es war schon absehbar, daß die weitere Entwicklung auch die Arbeitsbedingungen der Intellektuellen denen der Industriearbeiter ähnlicher machen wird. Die grüne und „alternative“ Bewegung arbeitete an der Schaffung von „Nischen“ in der kapitalistischen Gesellschaft, hat auch viele Institutionen geschaffen, wo „grüne Oberlehrer“ ihr gutes Auskommen finden.

 

Entsprechende „grüne“ politische Konzepte wurden auch in der Demokratischen Partei in den USA in einer modernisierten Form entwickelt (man siehe z.B. die Theorien von Amory B. Lovins), aber auch der deutsche Faschismus hat vorher schon Derartiges in einer frappierenden Ausformung hervorgebracht, die von dem Bild des Faschismus abweicht, wie es heute vor allem in den Medien vorherrschend ist, dem preußisch militaristischen erzkonservativen und saubermännischen Bild, wo alles auf die Person Hitlers und seine Legenden zurückgeführt und zugeschnitten wird, und die dem zu Grunde liegenden gesellschaftlichen Prozesse vernachlässigt werden. Man sieht hauptsächlich den deutschen Faschismus als Regierungspartei nach 1933, der sich mit dem zur Hälfte noch preußisch-junkerlichen Wehrmachts-Offizierskorps verbündete, sich dem Großkapital und dem gesetzten Spießertum andiente und dafür 1934 einen Teil seiner kleinbürgerlichen und lumpenproletarischen Fußtruppen, den Strasserflügel und die SA-Führung unterbutterte, als er sie nicht mehr brauchte und sie zum Hindernis wurden.

 

Es gab in dieser NSDAP aber lange auch einen sogenannten „linken Flügel“, der mehr dem Kleinbürgertum entsprach und auf „antikapitalistisch“ machte, Warenhäuser oder Zinsen abschaffen zu wollen vorgab, der nicht unwesentlich für den Erfolg der Nazis vor 1933 war (weshalb man äußerst mißtrauisch allem gegenüber sein sollte, was heute mit dieser Vokabel „antikapitalistisch“ daherkommt und nicht genau erkennen läßt, was das Ziel sein soll.) Hier mal eine Probe, wie „antikapitalistisch“ ein Otto Strasser, Führungsfigur dieses Flügels, sich gebärden konnte. Als 1934 die SA-Führung (plus diverse mißliebige Personen, mit denen man eine Rechnung offen hatte) ermordet wurde, schrieb er von der Schweiz aus:

„Soziale Gerechtigkeit? — War sie nicht das Herz- und Kernstück der hitlerischen Propaganda? Sollte das »Dritte Reich« nicht der »antikapitalistischen Sehnsucht der 95 % des deutschen Volkes« Erfüllung bringen, den Sturz des Goldenen Kalbes durchführen und jenseits von Kapitalismus und Marxismus einen »Deutschen Sozialismus« errichten, der als Fanfare im Namen der Partei klingt und als detaillierte Forderung die 25 Punkte des Programms erfüllt?! — Wenig nur vermag selbst die vom Propagandaministerium gespeiste Systempresse darüber zu sagen. Denn die Sprache der Tatsachen ist hier beredter als die Sprüche der Festreden. Die Tatsache aber lautet: nach 12 Monaten Hitler-Regierung ist der Kapitalismus stärker und agressiver denn je.
Die Arbeiterschaft, ihrer eigenen Interessenvertretung beraubt, ist schutzlos preisgegeben einer schamlosen Ausbeutung, welche in sinkenden Löhnen, verschärften Arbeitsbedingungen und völliger Entrechtung ihren furchtbaren Ausdruck findet.“ (
Otto Strasser. „Die deutsche Bartholomäusnacht“)

Vertreter einer solchen Strömung haben auch assistiert beim Zustandekommen der Grünen und „Alternativen“. Auch ich erinnere mich an ältere Männer, die zu unserem Büchertisch kamen und sagte: „Ist doch egal,ob man links oder rechts ist, Hauptsache radikal!“ Wir haben dem natürlich vehement widersprochen.

 

Den Einfluß rechter Elemente auf ihr Zustandekommen kann die grüne Partei zwar nicht völlig vertuschen, aber er findet sich hauptsächlich in wenigen Büchern, die der eine oder andere im Schrank hat, aber wird in vielen massenhaft verbreiteten Darstellungen ausgeblendet oder zumindest klein geredet. Die zweifelhafte Ehre, sich die erste „Umweltschutzpartei“ nach dem Krieg genannt zu haben, gebührt der AUD (Aktionsgemeinschaft Unabhängiger Deutscher), einer Partei, die ideologisch aus dem Strasserflügel der NSDAP hervorgegangen ist und schon früh versuchte, die Jugend- und Studentenbewegung zu infiltrieren, sich vergeblich als „parlamentarischer Arm der APO“ anbot. 1965 führte sie destotrotz auch Gespräche mit der NPD über die Bildung einer gemeinsamen WahlparteiAnm. 15. Deren Vorsitzender August HaußleitnerAnm. 16 wurde 1979 einer der drei gleichberechtigten Vorsitzenden der Grünen und überführte 1980 seine Partei, die schon an Bundestagswahlen teilgenommen hatte, und 1978 zusammen mit der „Grünen Aktion Zukunft“ (Vorsitzender Herbert Gruhl) an der bayrischen Landtagswahl teilnahm, in die Grünen. Zu dieser Zeit wurde eine Doppelmitgliedschaft per Satzung ausgeschlossen, weniger wegen der AUD, sondern gegen vorgeblich linke Parteien gerichtetAnm. 17. Solche Elemente haben anfangs an vielen Stellen bei den Vorläufern der Grünen eine Rolle gespielt, neben z.B. einem „Bund für Lebensschutz“, der heute für „Holocaustleugnung“ bekannt ist, in dessen Räumen Verhandlungen im Vorfeld der Gründung stattfanden. Es gab anfangs eine ständige Auseinandersetzung innerhalb der Grünen mit der mehr von den amerikanischen Demokraten inspirierten Richtung, wo Petra Kelly z.B. herkam, was in der immer kolportierten Auseinandersetzung zwischen „Fundis“ und „Realos“ nur ungenügend widergespiegelt wird. Schon damals existierte eine große Bandbreite von Richtungen in dieser Partei und eine Kampagne wie #unteilbar heute hätte sie eigentlich spalten müssen. Man einigte sich vor allem auf die Bekämpfung der Kernenergie und der Großindustrie, überhaupt der „Großtechnik“, und das hielt diese breite Koalition zusammen. Als damals manche die Gegnerschaft zur Kernenergie zum Kriterium machten, ob man fortschrittlich oder reaktionär sei, war bestimmt nicht allen Anhängern klar, daß diese Einheit sogar die NPD mit umfaßte, die ebenfalls gegen Kernkraftwerke war. (uns warfen diese Leute aber vor, deren Nachfolger heute mit der CDU koalieren, daß wir wie die CDU seien und man deshalb nicht mit uns zusammenarbeiten könne.) Man überspielte die Frage Rechts/Links bisweilen mit dem Slogan: „Wir sind nicht links nicht rechts, sondern vorn.“

 

Es ist deshalb auch kein Wunder, daß ein Schellnhuber für seine reaktionären Positionen nicht angegriffen wird, denn die Grünen haben viel dafür getan, solche Positionen wieder gesellschaftsfähig zu machen und damit auch wichtige positive Errungenschaften der Jugend- und Studentenbewegung bekämpftAnm. 18. Manche alten rechten Naturschutzorganisationen, die mit den Nazis sympathisiert haben, und deren Nachfolger haben heute wieder eine große Reputation. Da werden andere Maßstäbe für die „Vergangenheitsbewältigung“ angelegt als bei Kräften, die man bekämpft. Mit dem reaktionären Erbe der deutschen Naturschutzbewegung setzt man sich bei den Grünen nicht wirklich auseinander, siehe zum Beispiel eine wichtige Grundsatzrede Anton HofreitersAnm. 19. Diese war vielfach eine den Kapitalismus von Rechts kritisierende Bewegung, deutschtümlerisch und völkisch. Viele strebten dem Hitlerfaschismus zu, der an der Macht das erste landesweite Naturschutzgesetz verabschiedete und die NSDAP als Tierschutzpartei propagierte (mit einem Vegetarier an der Spitze). In der Jugend- und Studentenbewegung gab es zwar auch irgendwann einen ökologistischen Flügel, aber der wurde auch kritisiert und war eine Fraktion, deren Positionen nicht allgemein waren. Aber in dieser Partei versteht man sich auf einen besonders breiten Spagat, von angeblich links bis konservativ, von Mieterbewegung bis Finanzindustrie, je nach dem, welche Klientel man für das grüne Programm gewinnen will, das Grüne hält alles zusammen. So gibt es auch neuerdings in Hessen ein Lob der „grünen Finanzindustrie“. Was von dieser Partei zu erwarten ist, wenn sie an die Macht kommt, dafür sollte man nicht vergessen, daß sie Hartz IV mit eingeführt haben, den ersten völkerrechtswidrigen Angriffskrieg mit deutscher Beteiligung nach dem 2. Weltkrieg mit trugen, wie auch die Deregulierung der Finanzmärkte, als sie an der Bundesregierung beteiligt waren..

 

Grüne und Finanz-Spekulation: Da wächst zusammen, was zusammengehört

 

Die Deutsche Welle vermeldete am 24.08.2018 unter der Überschrift „Startschuss für grüne Finanzindustrie“:

„Ein Zusammenschluss aus Politik und Wirtschaft soll die Nachhaltigkeit im Finanzsektor fördern und hat einen ersten Bericht vorgelegt. Ergebnis: Das Thema ist im Finanzsektor angekommen, doch es gibt noch viel zu tun.“ und etwas weiter: „Nachhaltige Geldanlagen haben sich einer Studie zu Folge im vergangenen Jahr bereits auf rund 1,4 Billionen Euro summiert, Tendenz: rasant steigend.“

Der grüne hessische Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir lobt anläßlich der Gründung des Gremiums "Green and Sustainable Finance Cluster Germany" aus Kreisen von Finanz und Politik die Bestrebungen für „nachhaltige Finanzinvestitionen“. Wie schön, betuchtere Anhänger der Grünen investieren sauberes Geld und bauen keine schmutzigen Industrieanlagen oder großen Kraftwerke, die den Strom für Industrie liefern, sondern nette Öko- und sonstige „nachhaltige“ Projekte für eine Wirtschaft, die zunehmend von „sauberem“ Geldreichtum lebt, der zwar in der Vergangenheit nicht wenig auch aus der Ausbeutung der eigenen Bevölkerung in „schmutzigen“ Fabriken gewonnen wurde, aber wo der Profit heute zunehmend aus der Finanzwirtschaft und dem Kapitalexport kommt, wo die schmutzigen Fabriken zunehmend woanders stehen und die Menschen dort für viel weniger Lohn und unter elelnderen Bedingungen arbeiten und die Werte erwirtschaften, um dafür zu sorgen, daß es etwas Reales zum Investieren und Profitmachen gibt. Und da dies immer weniger hier stattfindet, greift leider auch bei manchen, die sich als links bezeichnen, der Spruch „aus den Augen, aus dem Sinn“.

 

Die Ausbeutung der Arbeitskraft durch das Kapital stellt nach wie vor den Kern der kapitalistischen Gesellschaft dar, während das Finanzwesen einen ökonomischen Überbau davon darstellt, auch wenn bisweilen der Schwanz mit dem Hund wedelt. Zwar ist zum Teil das Finanzwesen unverzichtbar für einen modernen Kapitalismus, für die Beschleunigung wirtschaftlicher Vorgänge und das Aufbringen großer Kapitalmittel für moderne Industrie, und das eventuell ebenfalls für die Übergangszeit des Sozialismus, wo noch keine klassenlose Gesellschaft erreicht ist - gehört aber dann zu den Institutionen, die unbedingt zuerst zu enteignen und in gesellschaftliches Eigentum zu überführen sind. Aber gerade angesichts der tendenziellen Deindustrialisierung der „alten“ Industrieländer nimmt der parasitäre Charakter dieses Finanzsektors zu, was auch eine Wirkung auf das Wesen dieser Länder hat.

 

Hierzulande wächst die Bedeutung der Finanzwirtschaft, zum Hohn Finanzindustrie genannt. Die läßt andere für ihr teils fiktives Kapital arbeiten und die Zeche und die Zinsen der eigenen Kredite zahlen. Die netten „Energetischen Modernisierungen“, die die Mieten hochtreiben, zählen bestimmt auch dazu oder die „Energiewende“, die die Strompreise hochtreibt und dergleichen mehr. Daß die Windräder als famose Finanzanlage gehandelt werden, mit garantierten Einnahmen, selbst wenn der Strom nicht verwertet werden kann, ist auch nicht neu. In den internationalen Finanznetzwerken, so in den Versammlungen der „C40-Initiative“, ursprünglich „Clinton-C40-Initiative“, jubelt man schon seit einiger Zeit, daß die Investitionen für das Anpassen der großen Städte an die Vorgaben der Klimapolitik das große Geschäft der Zukunft für die großen internationalen Finanzinvestoren darstellt, insbesondere in den sogenannten „Global Cities“, wo sich tendenziell die Hälfte der Menschheit zusammendrängt. Am 31.07. schrieb euphorisch die Deutsche Welle: „Städte sind die Versuchslabore der internationalen Klimaschutzpolitik.“ Und Berlin steht da ganz vorne.

 

Da lassen sich richtig hohe Renditen erzielen, und die Stadtbewohner, bei denen gerade in den wohlhabenden Ländern etwas zu holen ist, dürfen dafür zahlen und sich einschränken, Unsummen für „Tiny Flats“ bezahlen, wo Designer alle Funktionen auf kleinem Raum unterbringen. Und die Ärmeren? Die müssen sehen, wo sie bleiben. Aber dafür retten sie ja auch den Planeten - oder doch nur die Profite der Finanzoligarchie? Die, Banken und Schattenbanken, brauchen immer neue Anlagen für das immer reichlicher herausgeschleuderte virtuelle Geld, mit dem die Wirtschaft geflutet wird, seit bei der letzten großen Finanzkrise das Kartenhaus zusammen zu brechen drohte. Sie verwalten viele Billionen, auch Renten- und Pensionsfonds, und sollen sie vermehren. Und wenn man auch die Schuldscheine reihum verkaufen kann und so wieder neues virtuelles Geld produzieren kann, so beißen doch am Ende der Kette irgend einen die Hunde, und der muß irgendetwas dafür geben, damit nicht alles zusammenbricht. Das kann Erspartes sein, für das wirklich eine Leistung erbracht werden mußte, gearbeitet oder gar produziert wurde, irgendetwas Materielles, das wirklich einen Wert darstellt. Nur Schulden gegen Schulden zu tauschen, das geht nicht gut. Aber da gibt es ja noch hunderte Millionen oder Milliarden Menschen auf der Welt, wo man irgendetwas holen kann, Arbeiter in Fabriken, Bauern mit Feldern, Länder mit Rohstoffen. Dahin verleiht man Geld oder kauft Boden auf, der für wirtschaftliche Unternehmungen letztlich unverzichtbar ist, gerne auch im Umkreis der Städte.

 

So verwüstet letztlich das (auch das „nachhaltige“) Parasitentum die Erde, indem der Reichtum der alten Industrieländer so investiert wird, statt daß er in sinnvollen wirtschaftlichen Aufbau gesteckt wird, in „dreckige Fabriken“ (die man heute viel sauberer betreiben kann), die den Menschen Arbeit bringen und dringend benötigte Güter produzieren, die auch Jobs für die gut ausgebildete Jugend vieler Länder bringen könnte, die heute keine entsprechende Beschäftigung findet, wenn dort etwas entwickelt wird, nicht zuletzt auch Kraftwerke, moderne Landwirtschaft. Eben die Dinge, womit zum Beispiel dieses Land hier ursprünglich seinen Reichtum erarbeitet hat, mit dem es dann ins globale Finanzbusiness mit einsteigen konnte. Die entwickelten Länder in der Welt müßten gerade den weniger entwickelten dabei helfen, ihren Entwicklungsrückstand aufzuholen, damit sie ihre Rohstoffe selbst nutzen können, eine eigene moderne Wirtschaft aufbauen und nicht zuletzt die Landwirtschaft effektiver entwickeln gemäß ihren eigenen Bedingungen, statt grüne Politik und Finanzkapital zu exportieren. Das würde auch eine normale Migration fördern, die nicht einfach eine Armutswanderung wäre, sondern ein Austausch, wie er in einer vernetzten Welt selbstverständlich sein sollte - und nicht nur in eine Richtung. Aber wer glaubt wirklich, daß die Herrschenden in den alten entwickelten Ländern dies tun wollen? In unserem eigenen Land haben wir doch erlebt, daß die Konzern- und Bankenvertreter in der Treuhand nach 1990 nicht einmal in einem Teil des eigenen Landes die Wirtschaft entwickeln wollten, um ihre Vorherrschaft nicht zu gefährden. Damit die Menschen in Afrika dort eine Perspektive haben und nicht millionenfach fliehen, ist eine ganz andere Entwicklung von Industrie und Landwirtschaft dort erforderlich, und nicht eine Scheinlösung, daß die Mobilsten hier aufgenommen werden, damit sie hier ein neues Subproletariat bilden oder dafür sorgen, daß im Kriegsfall genügend Soldaten vorhanden sind. Und daß hierzulande die dazugehörige Industriearbeiter-Bevölkerung und was damit zusammenhängt, großenteils auf ein Abstellgleis geschoben wurde, das ist auch die Kehrseite, wenn man sagt: „Dreckige, umweltzerstörende Großindustrie und Großtechnik - nicht bei uns.“

 

 

 

 

Anmerkungen

Anm. 1  gesendet am 07.10.2018 im ZDF mit dem Titel „Ist die Erde noch zu retten?“ Noch anzusehen
unter der URL: https://www.zdf.de/gesellschaft/precht/ist-die-erde-noch-zu-retten-100.html .

Anm. 2  Dabei spielt vielleicht auch eine Rolle, daß in´man auf keinen Fall in den Verdacht geraten will, nationale Interessen zu verteidigen, weil das schon in den Geruch von Rechts kommt. Klar, der „kleinbürgerliche Sozialismus“, der im sogenannten „Nationalsozialismus“ ideologisch mit drinsteckt, behauptet, daß die Nation sich abschotten und den Klassenkampf im Inneren befrieden müsse, daß man sich nur gegen fremde Einflüsse von Außen abschotten müsse, von denen alles Schlechte ausgehe. Solches Gedankengut findet man auch deutlich bei der AfD. Das heißt aber nicht, daß es heute keinerlei gerechtfertigten nationalen Fragen mehr geben kann und man umgekehrt „antideutsch“ werden müsse. Das ist ebenfalls eine völkische Argumentation, mit der man sich ins Unrecht setzt, nur eben eine antideutsche, was es nicht besser macht - oder kann Faschismus biologisch vererbt werden? Daß es äußerst schädlich sein kann, berechtigte Anliegen in dieser Hinsicht den Rechten zu überlassen, sollte man eigentlich aus der Geschichte gelernt haben, denn der Hitlerfaschismus hat auch aus seinen Angriffen auf das Versailler Diktat politischen Nutzen gezogen. Man hat ihm seitens der Linken dieses Thema viel zu sehr überlassen. Dabei hatte auch die KPD dieses Versailler Diktat zum Beispiel in der Erklärung Leitsätze der Zentrale der KPD vom 19. Mai 1919 zum Versailler Friedensvertrag richtig charakterisiert:

„Ihr Zweck ist die vollständige militärische Knebelung des neuimperialistischen Deutschlands, seine wirtschaftliche Ausschaltung aus derm Konkurrenzkampf der übrigen imperialistischen Staaten um die nichtkapitalistischen Länder, seine Verwandlung in einen Tributärstaat, dessen Kapitalisten ihre Zwischenmeister werden, seine dauernde Isolierung von der Weltrevolution und die Versetzung in die Unmöglichkeit, als Kraft der Weltrevolution militärisch aufzutreten.

Diese Friedensbedingungen erdrücken den neudeutschen Imperialismus, sie erdrücken aber zugleich die kommende proletarische Revolution.“
( siehe die
verlinkten Dokumente im Zusammmenhang mit der Schrift von Hartmut Dicke Proletarische Revolution und nationale Frage - Die Doppellage am Ausgang des ersten Weltkrieges

Also mußte auch die nationale Unterdrückung angeprangert und bekämpft werden. Zuzulassen, daß die Hitlerpartei sich als der große Kämpfer gegen den Versailler Vertrag aufspielt, wo sie doch letztlich national wie international den Haudegen des internationalen Imperialismus, der Mächte, die Deutschland unterjochten, spielten mit ihrer Politik der Unterdrückung der fortschrittlichen Kräfte nach innen und des Krieges gegen den Sozialismus nach außen, das zu wenig zu tun war verhängnisvoll. Letztlich haben diese Mächte Hitler gefördert und hochkommen lassen, ihm Erfolge zugeschanzt, bis hin zum Münchener Abkommen und darüber hinaus. Erst als Hitler danach eine taktische Wendung machte und sich gegen Polen und damit gegen das mit Polen verbündete Frankreich und Großbritannien wendete, bekam diese Entwicklung einen Bruch.

 

 

Anm. 3    

Daß die Menschen im Zuge der industriellen Revolution vom Land in die Armenviertel der Städte wanderten, das hatten wir vor 150 Jahren hierzulande. Aber wir hatten auch die industrielle Revolution im eigenen Land, die mit der Mechanisierung den Arbeitskräftebedarf der Landwirtschaft reduzierte, während es in Afrika die Importe unserer rationalisierten und subventionierten Landwirtschaft sind, die die Agrarbevölkerung in die Städte treiben. Aus solchen Menschen wurden bei uns dann nicht nur Auswanderer nach Übersee, sondern vor allem die Fabrikarbeiter für die moderne Industrie, das moderne Proletariat. Eine solche Entwicklung der modernen Industrie, insbesondere die damit verbundene gesellschaftliche Entwicklung, will man aber seitens großer Teile des internationalen Kapitals in Afrika so nicht haben, zumal man natürlich auch keine potentielle Konkurrenz will.

 

Die großen deutschen Konzerne produzieren mittlerweile mehr, oder lassen produzieren, in Fabriken in aller Welt und haben die Industriezweige mit den organisierten Arbeitermassen im Inland reduziert, um der Klassenauseinandersetzung hier zu entgehen. Das Land lebt immer mehr von Kapitalexport und Finanzgeschäften. Und die moderne Klassenauseinandersetzung will man auch nicht vor der Tür in Afrika. Vor allem die chinesischen Kapitalisten nutzen heute in besonderem Maße die Afrikaner als noch billigere Arbeitskräfte als ihre inländischen rechtlosen Wanderarbeiter und investieren Milliarden in Afrika, auch in Fabriken. Das tun sie allerdings nicht zuletzt auch, um an die Rohstoffe dort zu gelangen. Die hiesige Bourgeoisie dagegen will anscheinend lieber schon in Afrika Arbeitskräfte selektieren, um sie dann als Subproletariat und zur Spaltung der hiesigen Bevölkerung nutzen zu können, und um die Lücken zu füllen, die durch die völlig ungenügende Geburtenrate entstanden sind. Man dezimierte die eigene Industriebevölkerung hierzulande mit der Reduzierung und Verlagerung ganzer Industriezweige, mit Hartz IV und praktisch einer Bestrafung für das Kinderbekommen, aber schließlich braucht man immer noch junges Blut für einfache schwere, schlecht bezahlte und schmutzige Arbeiten und für die Armee als Kanonenfutter, und die stehen nicht genügend aus der eigenen immer stärker überalterten und „zu anspruchsvollen“ Bevölkerung zur Verfügung. Eine abgewandelte moderne Variation des Sklavenhandels früherer Zeiten zur Lösung des Problems? Ist das der eigentliche Hintergrund der „Humanität“ einer Frau Merkel? Eine Kampagne wie #Unteilbar, ist auch deshalb zu kritisieren, weil sie solche Aspekte genau ausblendet.

Anm. 4  Hier wie an anderer Stelle sind Einfügungen in eckigen Klammern von mir eingefügt.

Anm. 5  Eine Umfrage 2014 kam übrigens zu dem Ergebnis, daß unter den befragten Wählern verschiedener Parteien ausgerechnet die der Grünen am häufigsten mit dem Flugzeug fliegen. Vielleicht sollte man nicht von sich auf andere schließen?
Siehe Spiegel, 12.11.2014  http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/gruenen-waehler-halten-rekord-bei-flugreisen-a-1002376.html

Anm. 6   „Die Welt“ am 14.05.2016: Terror in Libyen - Boko Haram und IS rücken enger zusammen https://www.welt.de/politik/ausland/article155347734/Boko-Haram-und-IS-ruecken-enger-zusammen.html

Anm. 7   Das kann man sehr gut exemplarisch an der Geschichte der Demokratischen Republik Kongo/Zaires sehen, mit der wir uns gründlicher auseinandergesetzt haben, wo schon viele Millionen Einwohner von Kolonialismus und Neokolonialismus und deren Folgen dahingerafft wurden. Siehe z.B. das IS 2003-33 oder IS 2017-88. Aktuell versucht die kongolesische Regierung neue Gesetze durchzubringen, die dem Land einen höheren Anteil an den Einnahmen aus dem Lithiumabbau sichern sollen. Schon verstärkt sich erwartungsgemäß die Propaganda gegen die Regierung dort und die Aktivität von rebellierenden Gruppen im Inneren.

Anm. 8 https://www.businessinsider.de/wegen-der-trockenheit-tauchen-entlang-der-elbe-steine-mit-uralten-gruseligen-inschriften-auf-2018-8
oder:
https://apnews.com/9512be71cc8f40a7b6e22bc991ef2c6c

Anm. 9  Die immer mal wieder behauptete Knappheit von Kernbrennstoff ist irreführend und stützt sich auf Zahlenangaben, die falsch interpretiert werden. Allein das im Meer aufgelöste Uran würde für Hunderte von Jahren reichen und bis dahin wird Uran gar nicht mehr nötig sein, denn die Kernenergie steckt in jeglicher Materie, Uran ist nur besonders leicht spaltbar. Die übliche Methode der Errechnung der verfügbaren Vorräte funktioniert so: Es werden die entdeckten Vorkommen gezählt, die zu gegenwärtigen Marktpreisen und mit den gegenwärtig üblichen Fördertechnologien erschlossen werden können. Ist die Nachfrage gering, sinkt der Preis und damit sinkt auch die Menge. Steigt die Nachfrage, dann wird intensiver gesucht, dann lohnt sich die Förderung schwieriger abbaubarer Vorkommen, und dann wird an neuen Technologien getüftelt, abgesehen vom ständigen Entwicklungsfortschritt, der ohnehin nicht stehen bleibt, so daß schwerer erreichbare Vorkommen gefördert werden können, und schließlich würde man auch versuchen, das im Meer gelöste Uran herauszufiltern, was ungeheure Mengen sind. Ähnlich funktioniert es auch beim Erdöl, wo schon vor ca. 50 Jahren, 1972, vom Club of Rome das Ende der bekannten Vorräte in 20 Jahren vorausgesagt wurde, (bei angeblich besonders großzügiger Annahme vom Fünffachen der bekannten Vorräte 50 Jahre), das von Erdgas in 22 (49) Jahren („The Limits to Growth“ S. 58). Aber was schert sie ihr Geschwätz von gestern? Trotzdem wird „The Limits to Growth“ (Die Grenzen des Wachstums) bis heute als Argument verwendet, dessen Thesen schon bei seinem Erscheinen vom damals noch sozialistischen China ebenfalls entschieden zurückgewiesen wurden. Seitdem werden immer neue Apokalypsen-Prognosen gemacht.

Anm. 10  Deshalb gibt es auch lange schon in den USA vor allem bei der Partei der Demokraten Vertreter, die im Sinne der Vorherrschaft der USA auch gegen die zivile Nutzung der Kernenergie sind, weil sie es anderen Ländern erleichtern würde, ihrerseits auch an waffenfähige Spaltprodukte zu kommen.

Anm. 11  Natürlich war darunter auch Schrott. Ich erinnere mich speziell an hübsche bunte Messer mit Plastikgriffen, die im Nu abgebrochen waren. Man lernte dadurch genauer auszusuchen. Aber man konnte sich auch Ersatz leisten. Die alten unansehnlichen Messer, die an der Unterseite von Porzellantellern immer wieder scharf geschliffen werden mußten, wollten wir nicht zurückhaben. Hätte es damals billige Einwegwindeln gegeben an Stelle der widerlichen durchgesuppten Stoffwindeln, die erst gewaschen werden mußten (in der Badewanne) und dann ausgekocht, wie wären wir froh darüber gewesen, heute werden sie verteufelt.

Anm. 12  Damit waren die auch schon besser gestellt. Andere haben das Ausland nur als Arbeitsemigranten oder Soldaten gesehen. Reisen nach Österreich waren auch schon für Wohlhabende vorbehalten, die meisten haben vor der „Amerikanisierung“ (lt. Schellnhuber) überhaupt keine Urlaubsreisen ins Ausland machen können.

Anm. 13   Wilfredo Pareto (1848 -1923) war ein bekannter Ingenieur, Ökonom und Sozialwissenschaftler, der auch Ideen und Theorien lieferte, die allgemein in die heutigen Sozialwissenschaften mit eingeflossen sind. Seine teils adlige Abkunft ist insofern von Bedeutung, daß er stets besonders die Rolle von Eliten - manchmal heißt es bei ihm auch stattdessen Aristokratie - hervorhob, was ihm auch Anerkennung durch Mussolini einbrachte. Dem Faschismus kommt es typischerweise auf die Schaffung einer Aristokratie an. Der parlamentarischen Demokratie wirft er dagegen vor, daß nicht die „Klügsten“ (also die Aristokratie), sondern die („dumme“) Mehrheit entscheidet. Pareto wird vielfach in einen Zusammenhang mit dem Mussolini-Faschismus gesehen. Im folgenden Zitat von Johannes Agnoli kommt ebenfalls eine gewisse Ähnlichkeit mit Schellnhubers „neuer Architektur“ zum Ausdruck.

„Pareto hatte 1922 Mussolini den Rat erteilt, um der Stabilisierung der Macht willen das Parlament in gewandelter Form weiter am Leben zu lassen: Massen, die demokratischen Gefühlen zuneigen, seien am besten durch ein Organ neutralisierbar, das ihnen die Illusion einer Beteiligung an der staatlichen Macht vermittelt. Nicht die gänzliche Abschaffung des Parlaments mache den Neuen Staat stark, sondern die Verlegung der Entscheidungsbefugnisse vom Parlament in den engeren Kreis nicht öffentlich tagender „Eliten“. Johannes Agnoli: Thesen zur Transformation der Demokratie – ad usum des RC. 1967.

Das klingt ja, als wenn die heutigen Politiker heute allgemein bei Pareto lernen. Tatsächlich trennt den Faschismus keine Chinesische Mauer von der bürgerlich-parlamentarischen Ordnung. In einem früheren Artikel habe ich dazu schon ausgeführt:

»Der Jurist Hermann Heller, Schöpfer des Begriffes „Sozialer Rechtsstaat“, dessen Denken nach dem Krieg nach offizieller Lehrmeinung die Verfassungsordnung der Bundesrepublik mit beeinflußt hat, schrieb 1929 zum „Fascismus“, damals noch mit dem Namen Mussolini verbunden, der schon fast ein Jahrzehnt in Italien Diktator war:

„Was den Fascismus interessant macht, was weiteste Kreise in Europa am Fascismus fasziniert, ist seine Behauptung, er biete durch seinen korporativen Staatsgedanken eine fundamentale, allen Gesellschaftsklassen zumutbare Lösung der politischen Krise. Man sieht in ihm die Synthese nationaler und sozialistischer Gedankengänge, die zur positiven Überwindung des staatsauflösenden Klassengegensatzes geeignet sein soll. Der französische Fascist George Valois definiert den Fascismus geradezu als ‘Nationalisme + Socialisme’ (Le Fascisme, 1927, S. 21).“ [...]

„In der Tat - das Klassenproblem ist der springende Punkt. Hier muß die Frage nach der konkreten politischen Autorität, Hierarchie, Elite usw. ihre konkrete Antwort bekommen. Ist der neue korporative Staat die neue politische Gestalt, welche die Krise des Klassenstaates befriedigend löst, dann hat auch die Diktatur als Mittel zu diesem Zweck ihre sinnvolle Rechtfertigung. Sonst nicht!“ (Hermann Heller. „Europa und der Faschismus“, 1929, Seite 105, Hervorhebung von mir.)«

Die „Gnade des rechtzeitigen Todes“ (frei nach Helmut Kohl) bewahrte Pareto davor, sich weiter in die Praxis des Faschismus an der Macht zu verstricken, aber viele nennen seinen Namen zusammen mit dem von Georges Sorel.

Anm. 14  Es gibt natürlich den Faktor der internationalen Konkurrenz, daß die Arbeiter hier zu den viel schlechter bezahlten Arbeiteren anderswo in Konkurrenz gesetzt werden, die neu in die kapitalistische Produktion hereingezogen werden, auch in anderen Regionen der Erde. Das findet im Kapitalismus ständig statt. Einfach gestützt darauf die Löhne hier zu senken hätte in früheren Verhältnissen die Klassenauseinandersetzung in diesem Land angeheizt, und das wollte man ja gerade nicht. Stattdessen hat man also durch das Hereinholen von Millionen ausländischer Arbeiter innerhalb weniger Jahre, gerade in die später verlagerten Industriebereiche mit Fließband- und Akkordarbeit, und mit der Vorgaukelung einer Verbesserung für die inländischen Arbeiter oder wenigstens ihre Kinder (und eben mit der Verbreitung der grünen Politik) dieser Entwicklung und dem Zusammenkommen der zehntausenden subjektiv revolutionär gesonnenen jungen Menschen mit der Arbeiterbewegung entgegengewirkt. Bei der Verlagerung der Betriebe wurden zunächst vor allem die ausländischen Arbeiter freigesetzt und massenweise wieder in ihre Herkunftsländer zurück geschickt. Als dann die Freisetzung auch großer Teile der einheimischen Arbeiter in der Form einer „strukturellen Arbeitslosigkeit“ deutlich wurde, war ein wichtiger Vorteil für die Arbeiterbewegung unterhöhlt, die Verbundenheit einer wachsenden Klasse mit einer wachsenden und sich entwickelnden Industrie, weil das Wachstum und die Entwicklung nun vor allem anderswo stattfanden und die Industrie im Inland seitdem schrumpft.

Anm. 15  Siehe Richard Stöss, Parteienhandbuch, Sonderausgabe 1986, Band 1 AUD bis CDU, Seite 320, Anmerkung 21.

Anm. 16  Haußleitner 1905 -1989, ließ (laut Wikipedia) 1957 über seine Tätigkeit in der Weimarer Republik folgendes sehr Aufschlußreiches veröffentlichen:

„In den bürgerkriegsähnlichen Zuständen jener Jahre hielt es ihn nicht zu Hause. Die großen ‚Deutschen Tage‘ in Nordbayern sahen ihn als einen der jungen Vorkämpfer der nationalen Bewegung jener Jahre, und der Zusammenbruch des 9. November 1923 [Hitler-Ludendorff-Putsch] trafen den damals Achtzehnjährigen bis ins Herz. (…) Er hat damals eines gelernt: Man muss nüchtern bleiben, und man muss die Feindstärke richtig beurteilen, wenn man dauernde Ergebnisse im politischen Kampfe erzielen will.“ (Richard Stöss: Parteien-Handbuch: die Parteien der Bundesrepublik Deutschland, 1945–1980. Band 1 AUD bis EFP. Westdeutscher Verlag, 1983, S. 878. - Fettdruck von mir, Angaben nach Wikipedia)

Und so ist seine Beteiligung an der Gründung der Grünen ganz sicher nicht als Abkehr von seiner rechten Gesinung zu werten. Im Juni 1980 trat er nach Enthüllungen des Fernsehmagazins Monitor über seine Vergangenheit als Grünen-Vorsitzender zurück, nicht ohne dafür zu sorgen, daß der bayerische AUD-Landesvorsitzende Dieter Burgmann sein Nachfolger wurde.

Anm. 17  Die sogenannte KPD, aus der KPD (AO) hervorgegangen, schrieb dazu im Januar 1980:

„Es wäre doch vielmehr darum gegangen, den linken, sozialistischen und kommunistischen Flügel in der grünen Bewegung und Partei zu akzeptieren und ihm einen legitimen Aktionsspielraum einzuräumen. Dazu hätte es jedoch der bewußten Einsicht auf beiden Seiten bedurft. Wir bedauern, daß dieses Ergebnis nicht erreicht werden konnte, und das wahrlich nicht nur unseretwegen, sondern vor allem deshalb, weil auch eine grüne Bewegung oder Partei in der BRD auf längere Sicht keine Chance hat, eine grundlegende Alternative zu werden, wenn sie nicht das gesamte antikapitalistische Potential in der BRD zusammenschließt.“ (http://www.trend.infopartisan.net/trd0105/t240105.html )

So weit war diese Agentur der Bourgeoisie schon gesunken, daß sie die Einheit mit Rechten propagierte.

Anm. 18  Hartmut Dicke schrieb über die Jugend- und Studentenbewegung:

„Ende der sechziger Jahre reifte in der Jugend die Reflexion des vergangenen Geschehens heran. Auch aus Gründen der sich entwickelnden Widersprüche zwischen diesem neuen erstarkenden Westdeutschland und den USA kam es zu heftigen politischen Debatten, zur Initiierung einer Studentenbewegung, die bezeichnenderweise zunächst von West-Berlin ausging und die die herrschenden politischen Ordnungen in Frage stellte. Dazu kommen soziale Unruhen um solche Fragen wie Notstandsgesetze, Fahrpreiserhöhungen, und als eine erste Überproduktionskrise im Jahre 1967 eintritt, kommt auch noch zum ersten Mal das Bewußtsein der Krisenhaftigkeit des Kapitalismus hinzu. Das Jahr 1968 wird ein Scheidejahr, weil hier erstmalig große Massen der Jugend den politischen Kampf auf die Tagesordnung setzten, den man in der alten Bundesrepublik zunächst völlig unter den Teppich gekehrt hatte - alles schien vorher “wohlgeordnet”. Und sehr schnell griffen diese neuen Kräfte den Marxismus auf, der schon für tot gehalten worden war, und zwar genau an jenen Komponenten, darunter der alten Arbeiterbewegung in Deutschland einschließlich des Kampfes der KPD vor 1933, deren historisches Bewußtsein alsbald wieder in die Köpfe dieser neuen Bewegung hineinkam, sowie auch Impulsen, die aus der DDR kamen, wie auch Impulsen, die von China aus in Form von Lehren Mao Zedongs kamen.

Das Bewußtsein über die Ausbeutung der Dritten Welt machte klar, daß die Gesetze des Marxismus, auch das der Verelendung und der immer größeren Ausweitung der Lohnarbeit, sehr wohl stimmten und die Gebrechen des Kapitalismus nicht etwa durch Reformen überwunden werden können. Innerhalb einer sehr kurzen Frist kam es daher zu einer Wiederbelebung eines unversöhnlichen, radikalen Marxismus, der sich aus allen bisherigen bedeutenden Lehren der Arbeiterbewegung speiste.“ (Aus: Hartmut Dicke "Die Frage der politischen Entwicklung in Deutschland, die Klassenfrage und die nationale Frage")

Auch heute will man wieder den politischen Kampf völlig unter den Teppich kehren als etwas, was nur von Rechts kommen könne, wozu die Grünen ihren Beitrag leisten. Das Zielt nicht zuletzt auf die Unterdrückung des Klassenkampfes überhaupt. Obwohl sie natürlich so flexibel und pragmatisch sind, auch einzelne in ihren Reihen vorweisen zu können, die da scheinbar Ausnahmen darstellen, die man aber für ihre Feigenblattfunktion kritisieren muß.

Anm. 19  Der grüne Fraktionsvorsitzende Anton Hofreiter scheint sich da sehr sicher zu fühlen, wenn er bei einer Darstellung der Geschichte der „Ökologiebewegung“ in einer Grundsatzrede erst vom neunzehnten Jahrhundert spricht, wo man mit „klassischem Objektschutz“ angefangen habe (also die damalige Naturschutzbewegung, die das damals nicht selten als „Bewahrung des Volkscharakters“ oder gar der „Volksseele“ bezeichnete, was bei ihm natürlich vornehm übergangen wird) und dann gleich in die 1970er Jahre springt: „... Dann in den siebziger Jahren ist einem bewußt geworden...“ Das ganze Kapitel der Verstrickung mit den Rechten und unter der Naziherrschaft fällt weg. Das würde man keinem nicht grünen Verein, keinem Großunternehmen so durchgehen lassen. (siehe Rede Toni Hofreiter - BDK Berlin Oktober 2013 https://www.youtube.com/watch?v=QZwqN7EU6R0 entsprechende Passage etwa ab min. 8:39.   

 

 

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