Internet Statement 2022-55

 

 

Zur aktuellen Fluchtbewegung aus der Ukraine

 

Maria Weiß  13.03.2022

 

Wenn man etwas kritisiert, dann muß man zugleich auch versuchen, etwas anderes, etwas Neues aufzubauen, sonst wird die Kritik, so berechtigt sie auch sein mag, leicht von Kräften ausgenutzt, die man gar nicht wollte, die man gar nicht schätzt. Die Konterrevolution ist immer bereit, solche Erhebungen für ihre eigenen Zwecke auszunutzen, und man kommt nur dagegen an, wenn man mit Härte und Unerbittlichkeit die eigenen Vorstellungen zu verwirklichen versucht. Das ist ein Problem aller Revolutionen und Aufstände, aber letztendlich hat der Fortschritt der Menschheit bewiesen, daß sich die Weiterentwicklung der Gesellschaft letztendlich durchgesetzt hat.

Letzteres gilt im Großen. Aber wie sieht es im Kleinen, in Einzelnen aus? Nehmen wir das gegenwärtige Beispiel der Ukraine. Dort wollen viele Menschen offenbar ein anderes, ein in ihren Vorstellungen besseres Leben erreichen. Deshalb sind sie aufgestanden. Aber welche Vorstellungen davon haben sie eigentlich? Was wollen sie erreichen? Ist es der sogenannte Westen, der ihnen vorschwebt, mitsamt seinem brutalen System der Ausbeutung der vielen Staaten der dritten Welt, mittels derer diese ihre eigenen proletarischen Kontrahenten zu bestechen trachten? Schwer vorstellbar, daß Derartiges jemandem als Vorbild vorschwebt, welcher eine bessere Gesellschaft anstrebt. Was aber ist es dann, was die Ukrainer gegenwärtig auf die Straße treibt? Daß sie die bisherige Gesellschaftsformation in der Ukraine nicht besonders schätzen, das liegt auf der Hand, sonst würden sie nicht zu Millionen auf die Straße gehen oder gar fliehen. Aber was ist es eigentlich, was sie kritisieren? Das wäre interessant zu erfahren, zumal es im so genannten Westen, in den diese Menschen gegenwärtig Millionenfach flüchten, auch eine ganze Menge zu kritisieren gibt. Was erhofft man sich denn davon, hierher zu fliehen? Darüber ist leider so gut wie gar nichts zu erfahren. Sollte man aber erfahren können. Vielleicht gibt es ja eine Form gemeinsamer Kritik, welche die Menschen sowohl in der Ukraine als auch hierzulande miteinander verbindet. Das wäre dann wirklich ein Fortschritt, wenn man sich auf beiden Seiten in dieser Hinsicht zusammenfinden könnte. Auch im sogenannten Westen ist nicht alles Gold, was zu glänzen vorgibt. Auch hier gibt es skrupellose Ausbeutung von Menschen durch diejenigen, welche die Mittel dafür besitzen. Demokratie für die breiten Massen steht auch hierzulande mehr oder minder auf dem Papier. Aber das ist vielleicht etwas, was die ganzen Millionen Flüchtlinge dann erst einmal erfahren werden, wenn sie eine Zeit lang hier leben. Sie werden merken, daß die Gesellschaft hierzulande auch nicht so viel anders tickt, als bei ihnen in der Ukraine. Aber dann ist es vielleicht zu spät um zu einem gemeinsamen Zusammenschluß zu kommen, weil es dann wieder einmal Krieg gibt – wie gehabt.

Das System der Ausbeutung und Unterdrückung hat sich inzwischen nahezu auf der ganzen Welt wieder erneut etabliert, auch in den Staaten des ehemaligen sogenannten Ostblocks, zu dem die Ukraine lange Zeit gehört hat. Auch da ist eine erneute Revolution der Massen unabdingbar, um eine bessere Gesellschaftsform zu erreichen oder auch wieder zu erreichen. Das sollten die Menschen berücksichtigen, welche jetzt zu Millionen aus der Ukraine zu fliehen trachten, um anderswo, im sogenannten Westen, ein besseres Leben zu erlangen. Das ist aber eine sehr zweifelhafte Angelegenheit, welche eigentlich nur die ausgebeuteten und unterdrückten Schichten in beiden Teilen schwächt. Wenn einem etwas nicht gefällt und man es ändern will, dann ist Flucht wohl der angebliche Ausweg, welcher am allerwenigsten Erfolg verspricht. Viel effektiver wäre es, in beiden Teilen Europas Widerstand gegen die unzulänglichen Verhältnisse zu entwickeln. Auch im sogenannten Westen gibt es Elend und Armut. Vor allem aber lebt dieser sogenannte Westen von der skrupellosen Ausbeutung der sogenannten Dritten Welt und hat dadurch die Möglichkeit, der eigenen Bevölkerung ein paar Brocken davon abzuwerfen, um den Widerstand zu verringern. Ist ein solches System wirklich eines, was den Menschen aus der Ukraine einen wirklichen sozialen Fortschritt verspricht? Das sollte sich jeder mal durch den Kopf gehen lassen, der nun hierher mit der Hoffnung auf ein besseres Leben geflohen ist oder dieses noch vor hat.

Flucht vor einem Widerspruch ist zumeist die schlechteste aller Lösungen. Weitaus erfolgversprechender ist der eigene Widerstand gegen die unzulänglichen Verhältnisse im eigenen Land. Auf dieser Grundlage ist es dann auch möglich, sich mit anderen Menschen aus anderen Staaten, denen es ähnlich schlecht geht, zu verbinden und gemeinsam für ein besseres Leben zu kämpfen. Flieht man aber aus den eigenen miesen Verhältnissen und sucht anderswo ein besseres Leben zu erlangen, ohne dafür gekämpft zu haben, dann ist das zumeist etwas, was andere Menschen zu bezahlen haben, einem selbst aber – wenn überhaupt – nun sehr bescheidene Vorteile bringt. Ausgebeutete und unterdrückte Menschen gibt es milliardenfach auf der ganzen Welt. Wohin kämen wir, wenn diese alle in die Staaten, deren herrschende Schichten von ihrer Ausbeutung leben, fliehen würden? Flucht ist kein Ausweg, dieser kann nur durch eigenen Widerstand und Kampf erlangt werden.

 

 

 

 

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