Internet Statement 2006-48

 

Die neue Aggression Israels gegen die Palästinenser im Gazastreifen und den Libanon muß völlig eindeutig verurteilt, gestoppt und zurückgeschlagen werden


Walter Grobe, 15.07.2006         

Am 28. Juni überfiel Israel den Gazastreifen, den es erst kurz zuvor nach langer Besatzung widerwillig geräumt hatte, und errichtete ein umfassendes System erpresserischer Gewalt gegen die Zivilbevölkerung Gazas. Sofort wurde das einzige Elektrizitätswerk zerstört, alle Lieferwege für Nahrungsmittel und Treibstoffe unter Kontrolle genommen und die Bevölkerung von eineinhalb Millionen unter die permanente Drohung mit Hunger und Seuchen gesetzt. Eine Militäraktion nach der anderen in das Gebiet hinein hat inzwischen Dutzende von Toten unter der Zivilbevölkerung gefordert. Die Rechtfertigung der israelischen Regierung, es gehe um die Befreiung eines ihrer Soldaten, ist der blanke Hohn.

Mit dem umfassenden Angriff auf den Libanon am 12.7. setzt Israel nun diese Methodik in noch viel größerem Maßstab fort. Wieder soll eine Entführung, diesmal von zwei Soldaten, eine Aktion rechtfertigen, die von Anfang an als regelrechter Krieg gegen einen ganzen Staat, die Zerstörung von dessen Infrastruktur und die Erpressung der gesamten Bevölkerung durch eine umfassende Blockade angelegt ist. Die Pläne dafür existieren längst. Selbst die westlichen Zeitungen, die sich im allgemeinen mit Kritik an Israel zurückhalten, melden, daß die zivile Infrastruktur des Libanon, Elektrizitätswerke, der Flughafen Beirut und alle wesentlichen Verkehrswege, darunter die Straßenkreuzungen Beiruts, unter immer neuen Bombardements liegen und bereits Milliardenschäden angerichtet wurden. Die Zivilbevölkerung hat in wenigen Tagen Dutzende, vielleicht schon mehr als hundert Opfer zu beklagen und muß um die elementare Versorgung fürchten.

Nur Politiker wie die Führung der USA, deren Mentalität sowieso durch imperialistisches militärisches Verbrechertum und die Methodik, ganze Nationen und Länder durch Bomben. Hunger und Besatzung zu erpressen, entscheidend geprägt ist, und die von Anfang an den wichtigsten internationalen Rückhalt Israels gebildet hat, wagen es noch, diese Akte zu rechtfertigen, aber sie sind fast die einzigen. In ihrem Anhang hört man vielleicht noch Merkel und Steinmeier verkniffen etwas von „Selbstverteidigungsrecht“ murmeln, zwei Vertreter, die es niemals fertigbringen werden, gegenüber der Ultrareaktion ein klares Wort zu sagen. Aber viele Staaten, darunter Frankreich, die finnische EU-Ratspräsidentschaft und 10 Mitglieder des UN-Sicherheitsrates haben bereits die Unverhältnismäßigkeit des israelischen Vorgehens deutlich festgestellt.  

Was hat es mit dieser sog. Selbstverteidigung auf sich? Die Entführungsfälle sind als Rechtfertigung absolut lächerlich. Entführungen hat es im Konflikt Israels mit den Palästinensern und der Hizbullah im Libanon immer wieder gegeben, und Israel war in früheren Fällen auch zum Gefangenenaustausch bereit, so in großem Umfang Anfang 2004, als 400 Palästinenser sowie weitere arabische Gefangene frei kamen. Das gehört zum Kleinkrieg. Was war eigentlich unberechtigt an der Forderung aus Gaza, im Tausch gegen einen Soldaten wenigstens eine größere Zahl jugendliche und weibliche palästinensische Gefangene aus den israelischen Lagern herauszugeben? 8- 10.000 Palästinenser, heißt es, sitzen dort ein, in vielen Fällen nur, weil sie angeblich einmal einen Stein geworfen haben gegen eine Macht, die sie weiter und weiter von ihrem Land verdrängt und als rechtlose Masse behandelt. Israel ist der wirkliche Geiselnehmer, im Maßstab von zehntausenden Fällen.

Und die Raketenangriffe auf israelische Siedlungen? Im Verhältnis zu den permanenten militärischen und polizeilichen Übergriffen Israels auf die palästinensische Bevölkerung und auch zur Kriegführung, die die libanesische Bevölkerung schon mehrfach erlebt hat, handelt es sich dabei höchstens um Nadelstiche. Mehrere Millionen Menschen im Umkreis Israels leben seit Jahrzehnten unter permanenter militärischer Erpressung, unter immer wieder vorkommenden militärischen Überfällen und undercover-Aktionen mit Todesopfern unter der Zivilbevölkerung, Entführungen und Inhaftierungen Unschuldiger. Alles deshalb, weil sie sich nicht damit abfinden können, daß Israel große Teile Palästinas besetzt hält, was selbst nach dem Maßstab des Völkerrechts illegal ist, daß es immer weitere Stücke durch sog. Siedlungen in permanenten Besitz zu bringen versucht und sämtliche Verpflichtungen, die es gegenüber allen anderen Staaten einschließlich sogar der USA diplomatisch auf sich genommen hat, unterläuft, in die Länge zieht und bricht.

Nein, es handelt sich darum, daß dieser Staat Israel ohne den Terror nach außen und die Aneignung immer weiterer Territorien und den Bruch territorialer Verträge nicht existieren kann. Das ist sein Lebenselement und seine Existenzweise. Immer wieder war zu bemerken, wie sehr die israelische Politik auf Provokationen angewiesen ist, wie sehr ihr gewisse Vorgehensweisen der Gegenseite wie z.B. die abscheulichen Selbstmordattentate von Islamisten genutzt haben, wie Israel selbst die fundamentalistischen ultrareaktionären Richtungen begünstigt hat, um vor der internationalen Öffentlichkeit den Anschein der Selbstverteidigung auffrischen zu können, während es selbst der eigentliche Aggressor in der ganzen Region ist. Auch die nadelstichartigen Raketenangriffe, die es seit Jahren gibt, die militärisch bedeutungslos sind, gehören eher in die Kategorie einer vielleicht verzweifelten Bekundung von Widerstandswillen, und jedenfalls von Propagandamaterial für Israel, als in die einer ernsthaften Bedrohung Israel

Und es ist zu merkwürdig, wie Israel in den letzten Wochen auf den regelrechten offenen Krieg zurückgreift, genau in dem neuen Abschnitt der Entwicklung, wo auf der palästinensischen Seite auch die mittlerweile gewählte und regierungsverantwortliche Hamas versucht, auf einen Kurs des territorialen Kompromisses mit Israel und möglichster Beruhigung, der Zivilisierung der Auseinandersetzung zu gehen. Der erste Schritt Israels war die Verhaftung gerade dieser Regierung, während die sog. terroristischen Flügel - wie immer, möchte man sagen - angeblich von Israel nicht entscheidend zu treffen sind, von einzelnen Vertretern abgesehen.

Ähnliches gilt für das Verhältnis zum Libanon.

Nach den Zerstörungen des israelischen Krieges von 1982 und der allmählichen Wiederherstellung der Südgrenze zu Israel war der Libanon in den letzten Jahren zu einer relativen inneren Konsolidierung gekommen. Beirut hatte ökonomisch und kulturell sich erholt, die verschiedenen Volksgruppen des Libanon ließen sich nicht mehr in dem Maß wie früher gegeneinander ausspielen, und nachdem - dem Druck der USA und der EU entsprechend – nun vor kurzem die syrische Armee abgezogen und die Regierung noch „prowestlicher“ geworden war als zuvor, hätte man eigentlich mit einer weiteren Beruhigung auch des Verhältnisses zu Israel rechnen sollen. Die militärisch schwachen gelegentlichen Aktionen der Hizbullah im Südlibanon wie auch die jetzige Geiselnahme zweier israelischer Soldaten, können keineswegs einen Umsturz dieser Entwicklung bedeuten. Aber Israel stürzt sie um! Mit einem Großeinsatz einer Militärmaschinerie, die auf high-tech, tiefgehende geheimdienstliche Penetration der Gegenseiten, -zig Milliarden an Finanzhilfen der USA baut und in diesem Sinne ihresgleichen im ganzen Mittleren Osten nicht hat, fällt es nun auch über den Libanon her, und es gibt nur eine Erklärung: Israel will gar keine Konsolidierung in seinem Umkreis, es will gar keine Palästinenser und keine Staaten und Regierungen, die im Interesse einer eigenen friedlicheren Entwicklung auf Kompromisse mit Israel hinarbeiten! Israel versucht die palästinensische Bevölkerung auf einem Niveau des Vegetierens zu halten, es bombt auch im Libanon Infrastruktur und Wirtschaft zurück in ähnlichem Sinne, es vernichtet die Ansätze gerade solcher Kräfte, die sich vielleicht sagen mögen: ‚Um überhaupt unter unseren Völkern ein wirtschaftliches und soziales Fundament für eine modernere Entwicklung zu schaffen, laßt uns den Konflikt mit Israel zügeln, laßt uns versuchen, im Sinne der Versprechungen der UN, der EU und sogar der USA selbst zu territorialen Abkommen mit Israel zu kommen, selbst wenn wir dabei auf große Rechte verzichten.’ Genau das ist es, was Israel als Bedrohung empfindet, und damit spricht es sich selbst das Urteil.

Dieser Staat, dessen Entstehung im Landraub und ungezählten Grausamkeiten der Vertreibung, Erniedrigung und Helotisierung von Millionen Menschen liegt, der nie etwas anderes als die Verewigung und Ausweitung dieser Verhältnisse angestrebt hat, der vom Wesen her unfähig ist, Nachbarn eine friedliche moderne Entwicklung zu erlauben, muß verschwinden. Es kann keine Rechtfertigung eines solchen Staates mittels des millionenfachen Massenmordes der deutschen Nazis an den Juden geben, schon einmal deswegen nicht, weil die Konzeption dieses Staates, dieses Rassismus und dieser auf den Imperialismus gestützten Versklavungsstrategie gegenüber den arabischen Völkern lange vor dem Entstehen des Nazifaschismus datiert. Sie wurzelt im gleichen ausbeuterischen, rassistischen und extrem kulturfeindlichen reaktionären ideologischen Sumpf des Imperialismus zu Ende des 19. Jahrhunderts, aus dem nach dem 1. Weltkrieg der Nazifaschismus entstanden ist, und immer wieder haben Zionismus wie Antisemitismus in ihrem Gehakel miteinander ihre jeweilige betrügerische Rechtfertigung gesucht. Die alte Einschätzung der früheren palästinensische Befreiungsbewegung, für die arabische wie die jüdische Bevölkerung des Raumes gebe es nur auf den Trümmern der zionistischen Räuberhöhle eine Zukunft, in einem modernen säkularen Staat, für den Religion wie ethnische Herkunft in der Politik nichts zu suchen haben, erweist sich gerade durch die jüngsten Angriffe erneut wieder als richtig.

Da derzeit unter den Palästinensern die islamistischen Strömungen das Sagen haben, die mit einem derartigen Ziel selbst unvereinbar sind, mag es mancher als utopisch ansehen. Aber diese werden sich abnutzen, und auch das palästinensische Volk und die arabischen Völker wollen voran in modernere Verhältnisse, nicht rückwärts.

Es ist auch daran zu erinnern, daß noch Mitte der siebziger Jahre Staaten und Parteien der revolutionären Arbeiterbewegung wie die Volksrepublik China unter Mao Zedong und viele kommunistische Parteien in der Welt nicht bereit waren, die zionistische Selbstrechtfertigung zu akzeptieren. Zusammen mit der großen Mehrheit der UNO-Vollversammlung, den aufstrebenden Staaten der Dritten Welt wurde damals Israel zurecht als rassistisches kolonialistisches Gebilde verurteilt, und erst der Umsturz des Sozialismus in China in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre und die damit einhergehenden schweren Brüche in der kommunistischen Bewegung auf der Welt führten auch zu einem roll-back dieses Beschlusses. Wenn die jetzige Entwicklung etwas Gutes hat, dann, daß diese Fragen erneut aufgeworfen werden müssen.
Von der Bundesregierung und der EU muß eine eindeutige Verurteilung des neuen israelischen Krieges und die Unterstützung der Angegriffenen verlangt werden. Und selbstverständlich geht auch an die Linken in unserem Land in diesem Zusammenhang die Aufforderung, zu Israels Untaten und ihren tiefen politischen Gründen Stellung zu nehmen. Diejenigen Kräfte innerhalb der hiesigen Linken, die dazu tendieren, Israel zu rechtfertigen oder zu beschönigen, z.B. indem man sich aus der eigenen Gegnerschaft zum Nazifaschismus heraus verpflichtet fühlt, Israel zu bejahen, verknüpfen die Dinge falsch. Rassismus, Zivilisationsfeindlichkeit und militärische Versklavung anderer Völker sind nicht nur da zu verurteilen, wo sie von der eigenen Bourgeoisie und einem eigenen Naziregime begangen werden, sondern auch da, wo sie von anderen Kräften zu verantworten sind.

 

 

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