Internet Statement 2009-02

 

Gasstreit eskaliert

Gasprom dreht Europa den Gashahn zu !

Uwe Müller   7.1.2009      

Der seit Monaten schwelende und sich seit der Jahreswende rapide verschärfende Gasstreit zwischen Rußland und der Ukraine hat vorgestern zum völligen Ausbleiben der durch die Ukraine laufenden russischen Gaslieferungen nach Europa geführt. Nachdem Gasprom schon an Neujahr die Lieferungen für die Ukraine wegen der geplatzten Verhandlungen in erpresserischer Weise gestoppt hat, hat Gasprom nun auch noch die Einspeisung in die nach Europa führenden ukrainischen Pipelines unter dem Vorwand, die Ukraine würde für Europa bestimmtes Gas stehlen und abzwacken, zunächst massiv gedrosselt und schließlich völlig abgestellt. Nach anfänglichen Schuldzuweisungen an die Ukraine hat Gasprom das mittlerweile offiziell zugegeben.

Seit der Nacht zum 6. Januar kommt nun gar kein Gas mehr über die Ukraine in Europa an, der Gashahn ist zugedreht. Das ist ungeheuerlich, die nahezu alljährliche Gaserpressung durch Gasprom hat eine neue Qualität erreicht. Ohne mit der Wimper zu zucken, werden 100.000-de bereits jetzt schon zum Frieren verdammt und täglich werden es mehr. Auch Produktion muß teilweise schon heruntergefahren werden.

Während die deutschen Gasversorger und Wirtschaftsminister Glos die hiesige Bevölkerung mit der Angabe beruhigen, daß Deutschland riesige Gasvorräte für 80 Tage hat und zudem die Lieferungen aus Norwegen und den Niederlanden noch gesteigert werden könnten, sind etliche europäische Länder durch diesen Lieferstopp bereits massiv und unmittelbar betroffen.

Besonders hart und unmittelbar trifft es die ost- und südosteuropäischen Länder. In Bulgarien waren bereits vorgestern zwei Städte schon gänzlich ohne Gasversorgung, die betroffenen Menschen frieren in ungeheizten Wohnungen, Gas muß rationiert werden. Auch die Slowakei mußte schon den Gasnotstand ausrufen und auch Serbien ist stark betroffen. Weitere Länder wie Rumänien, die Türkei, Griechenland, Bosnien und auch Österreich sitzen urplötzlich ohne oder mit viel zu wenig Gas da und kommen, je nach Größe ihrer Vorratsspeicher, früher oder später in schwere Bredouille.

Wer es bislang nicht wahrhaben wollte, dem wird nun endlich eines in aller Deutlichkeit klargemacht: die russische Gaserpressung richtet sich nicht bloß gegen die Transitländer Ukraine oder gegen Weißrußland. Sie richtet sich gegen alle Länder in Europa, die von Russlands Gas mehr oder weniger abhängig sind. Und sie wird immer rücksichtsloser und dreister, je mehr Rußland von der ökonomischen Krise betroffen ist und in dem Maße, wie die Öl- und damit auch die Gaspreise herunter gehen. Parallel dazu laufen auch die Versuche insbesondere Rußlands, ein Gaskartell, eine Art OPEC der Gasförderländer, zu kreieren, um die Gaspreise so hoch wie möglich zu gestalten.


Warum platzten die Preisverhandlungen?

Schon seit Monaten liefen die Verhandlungen zwischen Rußland und der Ukraine über neue Preise und Transitgebühren, und im Oktober hatte man sich auf Regierungsebene eigentlich schon auf einen direkten Liefervertrag beider Länder (ohne Zwischenhändler wie die dubiose RosUkrenergo, die vor 3 Jahren bei der Beilegung des Gasstreits damals installiert worden war) und einen Preiskorridor zwischen 201 und 235 Dollar pro 1000 Kubikmeter sowie auch auf eine Erhöhung der Transitgebühren geeinigt. Angedacht war dabei auch eine allmähliche, über 3 Jahre laufende Anpassung an den "normalen" Gaspreis. Denn bislang bezahlte die Ukraine 175 Dollar pro 1000 Kubikmeter, was doch erheblich unter den derzeitigen Preisen liegt, die Westeuropa fürs russische Gas bezahlen muß.

Im Dezember verlangte Gasprom dann aber zuerst die volle Bezahlung aller Rückstände (Zahlung für Nov. und Dez.) sowie von ihr erhobene Mahngebühren. Am 25.12. schon drohte der russische Präsident Medwedew ganz unverblümt mit 100%-igem Lieferstopp, sollte die Ukraine nicht ihre gesamten Zahlungsrückstände über rund 1,4 Mrd Euro bezahlen. Obwohl die schwer von der Weltwirtschaftskrise gebeutelte Ukraine die Rückstände bezahlt hat, kam es dennoch nicht zur Einigung, weil Gasprom einerseits noch Mahngebühren einfordert und wohl auch, weil Gasprom nun plötzlich 250 Dollar verlangte und zudem eine Erhöhung der Transitkosten ablehnte.

Am Neujahrstag machte Rußland bzw. Gasprom die Drohung wahr und drehte der Ukraine kurzerhand das Gas ab! Die Liefermenge wurde um den für die Ukraine vorgesehenen Anteil reduziert. Zudem wurde die Preisforderung nun auf sage und schreibe 415 Dollar, und 3 Tage später gar auf 450 Dollar angehoben!

Verhandlungen sehen anders aus. Das sind Erpressermethoden, wie sie im Buche stehen und wie sie von Gasprom ja nicht zum ersten Mal angewandt werden.

Europa kann die Ukraine nicht im Regen stehen lassen und so tun, als ginge es das alles nichts an. Die Erpressungspolitik seitens Gasprom und Rußland muß zurückgewiesen und attackiert werden.

Man rechnet heutzutage ja fast schon mit Gasstreit zum Jahresende/beginn. Und dieses Mal geht Gasprom noch weiter als bisher schon. Mit brutaler Rücksichtslosigkeit nimmt Rußland und Gasprom in Kauf, daß etliche Länder Europas, die zwingend auf ihre Gaslieferungen angewiesen sind, in größte Probleme geraten, genügend Gas für die Bevölkerung zum Heizen und Kochen und für die Industrie zur Stromerzeugung und für die Produktion zur Verfügung zu stellen.

 

Schluß mit Gaserpressung!
Europa braucht eine fortschrittliche Energiepolitik auf Basis der Atomkraft

Dieser Konflikt zeigt erneut in aller Schärfe, daß die europäischen Länder, am besten Europa insgesamt, bestrebt sein müssen, von der allzu großen Abhängigkeit von russischem Gas, und von Gas überhaupt, weg zu kommen.

Die seit längerem geplante Nabucco-Pipeline direkt vom kaspischen Meer nach Europa wäre eine Möglichkeit, sie kommt aber bislang nicht wirklich in die Gänge. Des weiteren wird die vermehrte Umstellung auf verflüssigtes Gas vorgeschlagen. Auch das wäre eine Möglichkeit, verstärkt andere Gasförderländer einzubinden. Zudem ist es weit flexibler handhabbar als durch feste Röhren zu lieferndes Gas, ist dafür aber auch teurer und aufwendiger. Die prinzipielle Abhängigkeit vom Gas bliebe in beiden Fällen jedoch unberührt.

Es geht aber nicht nur um Gas.

Es geht ganz generell um Energiesicherheit inklusive billiger Energie im Überfluß - das muß das Ziel eines jeden Landes zur Bewahrung seiner Unabhängigkeit und zur Förderung der ökonomischen und technischen Entwicklung sein.

Und hier kommt man um die Kernenergie, die modernste und billigste Art Energie zu erzeugen, nicht herum.

Frankreich weiß das nur zu gut, es praktiziert eine solche Energiepolitik erfolgreich seit Jahrzehnten. Nicht zufällig auch wird die die große Testanlage zur Erforschung und Nutzung der Kernfusion (ITER) in Frankreich gebaut.

Auch etliche Industrie- und aufstrebende Länder haben in den letzten Jahren der Kernenergie zu einer regelrechten Renaissance verholfen. Selbst kleine Länder wie die drei baltischen haben beschlossen, gemeinsam ein Kernkraftwerk zu bauen, um von den Gas- und Öllieferungen unabhängiger zu werden. Einzig und alleine Deutschland ist in der Frage völlig borniert und isoliert - und das hat seine Gründe, wie wir schon in unzähligen Artikeln und Analysen dargelegt haben.

Während Frankreich also aus guten Gründen vorwiegend auf die moderne und billige Atomkraft setzt, hat sich Deutschland bekanntermaßen im Gegenteil dazu verstiegen, aus der Atomkraft gänzlich auszusteigen und noch völlig intakte und sichere Atommeiler abzuschalten und zu verschrotten. Der glatte ökonomische Wahnsinn. Eine Energiepolitik, die man nicht anders als liquidatorisch und wahnwitzig bezeichnen kann und die das Land ungemein niederdrückt und in Abhängigkeit von importiertem Öl, Gas und selbst Kohle hält. Einer der Hauptbetreiber des Atomausstiegs, Ex-Kanzler Schröder, ist nicht zufällig kurz nach seiner Abwahl direkt in die Dienste von Gasprom gewechselt.

Daß die viel zu teuren, zudem mit Milliarden geförderten sog. alternativen Energien keinen Ersatz für die durch den Ausstieg aus der Kernenergie verlorenen Strommengen darstellen, ist ein Fakt, der hierzulande schlichtweg geleugnet und niedergeschrien wird. Nicht zufällig verschiebt sich der Tenor bei Energiefragen daher immer mehr auf das "Energiesparen", was nichts anderes heißt, als die Energiepreise immer weiter in die Höhe zu treiben und die Massen immer weiter herunterzudrücken. Und noch schlimmer. Deutschland begnügt sich nicht damit, die eigene Energiebasis auszuhöhlen und zu untergraben, es versucht diese Politik auch innerhalb der EU durchzudrücken.

Wenn Bulgariens Staatspräsident Parwanow nun vorgestern angekündigt hat, wegen der Gasknappheit nun die beiden beim EU-Beitritt abgeschalteten Reaktorblöcke des KKW in Kosloduj wieder anfahren zu wollen, dann hat er damit völlig recht. Aus den gleichen Gründen erwägt auch der slowakische Ministerpräsident Robert Fico die Wiederinbetriebnahme des stillgelegten Atomkraftwerks Jaslovske Bohunice. Richtig so! Vorausgesetzt natürlich, die entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen werden eingehalten.

Wie kam die EU überhaupt dazu, diese Abschaltungen einzufordern!?

 

Interessante Aussagen von Putin und Schröder

Nun gibt es gerade hierzulande mehr oder weniger gewichtige "Experten", die den ganzen Konflikt grade andersherum sehen. Für diese gilt es als ausgemacht, daß Rußland und Gasprom die "Guten" und die Transitländer Weißrußland und Ukraine die "Bösen" im nahezu alljährlichen Gasstreit sind. So z.B. WinGas-Chef König:

"Die Versorgungssicherheit Europas mit Erdgas könne jedoch durch den Bau der Ostseepipeline Nordstream weiter erhöht werden. 'Der Gasstreit mit der Ukraine ist seit Jahren ein energiepolitischer Dauerbrenner. Um die Abhängigkeit von den Transitländern zu reduzieren, benötigt Europa transitunabhängige Versorgungswege', sagte WINGAS-Geschäftsführer König weiter: 'Hierzu zählt vor allem die Nordstream. Ihre Realisierung verringert das Transitrisiko nachhaltig. Wer die energiepolitische Unabhängigkeit Europas fordert, muss daher ja zur Nordstream sagen.'" wingas.de

Alle Gaserpressung und Lieferprobleme rühren also nach König von den Transitländern her. Man ahnt es schon fast: WinGas ist zu je 50% Tochter von Gasprom und BASF Wintershall. "Wes' Brot ich eß - des' Lied ich sing." kann man da nur sagen.

Kaum sind diese Sätze geschrieben, kommt die Meldung, daß Ex-Kanzler Schröder, Chef der Gasprom-Tochter Nord Stream, in Petersburg mit Putin zusammen getroffen ist, wo sich beide quasi genüßlich die Hände rieben über die gemeinsame Erpressungspolitik und deren erhoffte Ergebnisse schon mal vorab bejubeln:

"Putin betonte, dass der aktuelle Energie-Konflikt mit der Ukraine das Vorhaben der Ostseepipeline beflügelt habe. 'Unsere europäischen Partner sind heute von der Notwendigkeit dieses Projektes überzeugt und davon, dass es bald umgesetzt wird,' sagte Putin." ntv 7.1.09

Wenn sich die beiden Gasprom-Herrschaften da mal nicht zu früh gefreut haben...

 



   

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Gasstreit zwischen Rußland und der Ukraine!
IS 2005-99 - 28.12.2005

Die schnelle „Beendigung“ des ukrainisch-russischen Gasstreites
IS 2006-02 - 6.1.2006

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Jetzt die Gaspreiserpressung gegenüber Weißrußland IS 2006-105  - 28.12.06

Der nächste Akt von Putin und Gasprom gegenüber Weißrußland
IS 2006-106 - 28.12.2006

...mehr dazu in der Rubrik von 2006/07:
Weißrußland wehrt sich gegen Energieerpressung durch Rußland

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Energie-Mißwirtschaft in Rußland und Deutschland - Frappierende Parallelen
IS 2006-96-5.11.2006

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IS 2008-27 - 22.7.08

Her mit dem billigen Strom - hier wie anderswo! Maria Weiß 09.07.08 

Über Lobbyismus -
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Hartmut Dicke 22.1.08

Rußland errichtet 30 neue Kernkraftwerke
Hartmut Dicke 14.9.07

Die CDU – voll beteiligt an der Destruktion der Kernenergie in der Bundesrepublik Deutschland: Der Fall der Hanauer Nuklearbetriebe
Walter Grobe,  Jun 2006

 

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Die Bedeutung des sog. Konsenses über die Stillegung der Kernenergie
Memorandum von Hartmut Dicke

7. Juli 2000

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zur Frage der Kernenergie