Internet Statement 2014-05

 


Die Petition in Baden-Württemberg gegen „Schulunterricht unter der Ideologie des Regenbogens“

Wassili Gerhard   09.02.2014    

In Baden-Württemberg startete kürzlich eine Initiative eine Online-Petition gegen die Einführung des Themas „Sexuelle Vielfalt“ im Schulunterricht, und zwar fächerübergreifend und schon bei Kindern. Das Motto hieß: „Zukunft – Verantwortung – Lernen: Kein Bildungsplan 2015 unter der Ideologie des Regenbogens“. Rund 200.000 Unterstützer fand die Online-Petition innerhalb einer relativ kurzen Zeit, davon viele auch von außerhalb Baden-Württembergs. Es gibt offenbar auch andernorts ein Bedürfnis, solchen Initiativen Unterstützung zu bekunden. Dies wird in den Medien wenig behandelt, und wenn, dann bisweilen in einer Weise, daß da angeblich einige Katholiken und Ewiggestrige die neue Welt nicht mehr verstünden oder „homophobe“ Menschen den armen Schwulen, „Transgender“ usw. ihre ihnen zustehenden Rechte nicht gönnten usw. Das wird nicht selten so dargestellt, obwohl die Initiatoren dieser Kampagne sich darauf beschränkt hatten, diese Themenstellung nicht schon Kindern präsentieren zu wollen und ihnen quasi nicht schon gleich alle diversen Spielarten der Sexualität vorstellen zu wollen, was ja bei nüchterner Betrachtung mit Diskriminierung von irgendwem nichts zu tun hat. Da gibt es Formulierungen in dem geplanten Bil-dungsplan, die ganz klar zeigen, wie den Schülern schon früh eine ganz bestimmte Ideologie einge-trichtert werden soll, so beispielsweise:

„Schülerinnen und Schüler reflektieren ihre eigenen Bedürfnisse, ihr Körperbild, ihre sexuelle Orientierung und ihr Verhalten in Bezug auf die von der Umwelt geprägten Vorstellungen und treffen selbstbestimmte Konsumentscheidungen.“ (Zitiert in einem Artikel im Tagesspiegel vom 7.2.2014)

Da guckt doch der „Genderismus“ zwischen den Zeilen hervor, der das natürliche Geschlecht zu einer Fiktion erklärt, einer „von der Umwelt geprägten Vorstellung“, die angeblich patriarchalen Ursprungs sei. In einem anderen Artikel in der gleichen Zeitung vom 13.01.2014, der für den Lehrplanentwurf Stellung nimmt, wird zustimmend zum Entwurf ausgeführt:

«Als mögliche Fächer nennt der Entwurf unter anderem Deutsch, Religion, Ethik und Geschichte. Im Sachunterricht, in Biologie, Sport, aber auch in Naturwissenschaften und Fremdsprachen sollen Kinder und Jugendliche auch lernen „sich selbst als Persönlichkeit wahrzunehmen und zu entfalten“. Dazu gehört es beim Thema Identitätsentwicklung etwa, eigene Stärken zu entdecken oder über die „Vielfalt in der sexuellen Identität (Hetero-, Homo-, Bise-xualität; Transsexuelle, Transgender und Intersexuelle)“ Bescheid zu wissen, andere sexuelle Identitäten als die eigene zu respektieren.»

In der „Zeit“ vom 16. Januar 2014 findet sich der Satz zur Beschreibung der Intention des Bildungsplans:

«Die Schüler sollten möglichst früh und beiläufig vermittelt bekommen, dass es neben der Heterosexualität auch andere, gleichberechtigte Formen der Sexualität gibt, dass Schwule, Lesben, Bisexuelle, Transgender, Transsexuelle und Intersexuelle nichts Absonderliches sind.»

Nein, Männer die in Frauenkleidern herumlaufen und darauf bestehen, eine Frau zu sein, sind natürlich überhaupt nicht absonderlich, um da mal ein Beispiel herauszugreifen, solche abwegigen Empfindungen, das etwa seltsam zu finden, sollte man Kindern natürlich möglichst früh abgewöhnen. -- Und da soll man keine Befürchtungen haben, was für eine Beeinflussung da stattfindet in einem Alter, wo die Kinder noch auf der Suche nach ihrer eigenen sexuellen Identität sind? (Als ob das bisherige Maß an derartiger Propaganda und die Überflutung mit Pornographie nicht schon schlimm genug sind.) Da wäre eine Orientierung für die Kinder angebracht, die sie gerade vor Verirrungen schützt und nicht das Signal sendet: „Auf was immer ihr euch einlaßt, das ist schon in Ordnung so.“ Dagegen richtet sich die Initiative in Baden-Württemberg, und das verdient Unterstützung.

Aber das scheint gerade das zu sein, was Anstoß erregt, daß sie nämlich womöglich erst einmal den Kindern die Sexualität so erklären wollen, wie sie eben auch gezeugt worden sind: durch die sexuelle Beziehung und im Idealfall auch Liebesbeziehung zwischen Mann und Frau, erst einmal dazu ein natürliches Verhältnis vermitteln wollen. Das ist aber scheinbar in den Augen mancher Leute eine Untat, denn hier wird ja angeblich eine „Spielart“ der Sexualität herausgehoben und damit andere „Spielarten“ diskriminiert, die Rechte von Minderheiten werden angeblich verletzt. Das kommt dann daher im Gewande eines „Aufklärertums“, das angeblich aus den Fehlern der Vergangenheit, aus der Verfolgung von Minderheiten im „Dritten Reich“, gelernt habe. Das ist allerdings auch ein ziemlich schweres Geschütz, denn wer will schon als Verteidiger der üblen Methoden des „Dritten Reiches“ hingestellt werden, was auch sicher viele Menschen, die ähnlicher Meinung sind wie die Initiatoren der oben erwähnten Kampagne, davon abhält ihre diesbezügliche Meinung in der Öffentlichkeit zu vertreten. (Und dabei waren geschlechtliche Verirrungen und ihre Befürworter auch in rechten Bewegungen der Vergangenheit keineswegs selten, gerade in sogenannten „Männerbünden“ wie der SA grassierte beispielsweise die Homosexualität bisweilen ganz offen, aber um in populistischer Manier Anhang zu gewinnen, treten solche Kräfte gerne gegenüber der breiten Öffentlichkeit als Saubermänner auf) Um so mehr muß man den Mut von immerhin 700 Menschen (laut „Mainpost“) anerkennen, die an einer Demonstration für dieses Anliegen teilnahmen und dafür Schikanen und Schmähungen von Gegendemonstranten ausgesetzt wurden, die ihrerseits natürlich mit dem Rückenwind der Medien agieren konnten, die schließlich sogar zum Abbruch der Demonstration führten.

Hier werden einmal Minderheiten auf eine andere Weise instrumentalisiert. Das ist sozusagen das Gegenteil der Sündenbockmethode. Aber immer geht es darum, die Mehrheit zu manipulieren.

Was geht denn in dieser Gesellschaft eigentlich vor, daß besorgte Eltern an den Pranger gestellt werden, die ihren Kindern ein natürliches Verhältnis zu Sexualität nahebringen wollen, während diejenigen als die rechtschaffenen Bürger hingestellt werden, die den Kindern alle möglichen Verirrungen der Geschlechtlichkeit als gleichwertig darstellen wollen. Dabei gibt es solche Bestrebungen keinesfalls nur bei der rot-grünen Landesregierung in Baden-Württemberg. Berlin und NRW sind schon vorher auf diesem Gebiet vorgeprescht. Hier ein offizielles Berliner Zitat:

„Die Gesellschaft gibt bisher überwiegend heterosexuelle Leitbilder vor. Die Entwicklung der sexuellen Identität von Kindern und Jugendlichen, die sich lesbisch, schwul oder bisexuell entwickeln, wird dadurch erschwert. Deshalb ist es wichtig, gleichgeschlechtliche Lebensweisen in ihrer Vielfalt darzustellen und altersgemäß zu vermitteln. Lehrkräfte müssen Jugendliche in ihrer Identitätsfindung und ggf. in ihrem Coming-out unterstützen und dafür sorgen, dass eine diskriminierungsfreie Atmosphäre herrscht.“    (aus: Unterrichtsmaterial - sexuelle Vielfalt, LISUM, Bildungsserver Berlin-Brandenburg, Was ist sexuelle Vielfalt?)


Was sind die Hintergründe für solche Erscheinungen?

Fangen wir ganz einfach an: Die Sexualität, auf Deutsch bedeutet das Geschlechtlichkeit, ist eine natürliche Eigenschaft des Menschen, da er sich eben geschlechtlich fortpflanzt, durch den Geschlechtsakt zwischen Mann und Frau. Solche einfachen Grundtatsachen muß man heute leider schon feststellen, vielleicht darf man das bald ja nicht mehr, weil das gleichgeschlechtliche Paare diskriminiert? Die geschlechtliche Betätigung ist ein starkes Grundbedürfnis des Menschen und die Befriedigung dieses Bedürfnisses erzeugt sehr angenehme Empfindungen. Das hat er mit denjenigen Tieren gemeinsam, die sich ebenfalls geschlechtlich fortpflanzen, denn diese Fortpflanzung muß unbedingt stattfinden, auch wenn dem einzelnen Lebewesen der Sinn dieser Betätigung vielleicht nicht klar ist. So wird das eben auch getan, um sich die schönen Empfindungen zu verschaffen, die damit verbunden sind, das ist sozusagen eine List der Natur. Das findet man so auch beim Menschen, und das ist auch in Ordnung, in dieser Hinsicht sind wir eben auch Lebewesen aus Fleisch und Blut und vom Tierreich nicht durch Abgründe getrennt. Das ist die natürliche Grundlage. Es fällt auf, daß Menschen, die sonst immer als die Sachwalter der Natur auftreten, auf diesem Gebiet die natürliche Grundlage mißachten.

Aber wir sind eben auch mit der Fähigkeit zur Reflexion unserer Handlungen und zur rationalen Handlung ausgestattet, sollten uns jedenfalls nicht nur blind von Trieben lenken lassen, und so geht es beim Menschen eben darüber hinaus. Der Mensch reflektiert eben auch, was er tut. Es werden gesellschaftliche Regeln aufgestellt. Es entwickelte sich eine Kultur des Miteinanders und der Rollenteilung der Geschlechter, der gemeinsamen Sorge für die Kinder, die keinesfalls nur patriarchale Willkür beinhaltet. In der jüdische Religion hat man da z.B. besonders frühzeitig eine Ethik entwickelt, die die geschlechtliche Betätigung eben nicht von der Fortpflanzung völlig loslöste, so z.B. Blutsverwandte und Kinder ausdrücklich für geschlechtlich tabu erklärte, aber auch Menschen gleichen Geschlechts, und strenge Regeln aufstellte. Sie betont dabei die Wichtigkeit der liebevollen Verbindung zwischen Mann und Frau. Hartmut Dicke schreibt dazu in seiner Schrift „Über die Herkunft des Judentums“:

„Hier wurde eine neue Sittlichkeit, ein höheres Verhältnis zur Sexualität entwickelt, ein höherer Anspruch des Menschen an sich selbst, was ein wesentliches Element des Zusammenhaltes der kommenden Gesellschaften bilden wird.“

Das war damals auch auf der Tagesordnung, weil im Zuge der Zivilisationsentwicklung die Sexualität nicht mehr in jedem Fall so ganz natürlich nebenbei ablief, sondern auch bewußt rein als Quelle der Verschaffung von Genuß genutzt wurde, weil z.B. Angehörige privilegierter Klassen über Mittel verfügten, sich immer neue Ausschweifungen auszudenken und auch zu praktizieren, die vor nichts und niemand haltmachten. (So wie auch im heutigen Kapitalismus die sexuelle Betätigung für den, der das nötige Kleingeld besitzt, in jeder Variation als Ware verfügbar ist. Das schafft im Einzelfall möglicherweise Überdruß und das Bedürfnis nach etwas Ausgefallenem, um die Sache weniger langweilig zu machen. Derweil wird für den einfachen weniger begüterten Menschen eine ganz normale Paarbeziehung etwas, was immer schwerer zu verwirklichen ist.)

Diese Sexualethik hat über das Christentum, das aus der jüdischen Religion hervorging, auch unsere kulturelle Entwicklung mit beeinflußt. Das hat natürlich nicht ausschließlich gute Seiten gehabt, es gab auch die Kombination mit Strömungen der Lustfeindlichkeit oder solchen, die den Armen das Recht auf Sexualität aberkannten oder solchen, die die Frauen herabgesetzt haben, da auch auf diesem Gebiet widerstreitende gesellschaftliche Interessen hineingewirkt haben. Aber einen gewissen Kern, der vernünftig ist und bewahrt zu werden verdient, in dem eben auch ein Stück jahrtausendelanger Erfahrung der Menschheit steckt, gibt es darin durchaus. Die völlige Verwerfung und Rückkehr zu archaischen Vorbildern, wie das in ultrarechten und esoterischen Kreisen bisweilen gefordert wurde und wird, ist radikal abzulehnen, wie auch die aktuellen Bestrebungen, einen normalen Umgang der Geschlechter mit einem Wust von Verirrungen zuzuschütten. (Anmerkung 1) Das wäre ein gewaltiger Rückschritt. Schließlich hat das Verhältnis beider Geschlechter zueinander auch einen grundlegenden Einfluß überhaupt auf die gesellschaftliche Entwicklung, ohne einen Zusammenhalt der Geschlechter kann es auch keinen Zusammenhalt der Gesellschaft geben.

Aber heute haben wir eben die Herrschaft einer Klasse, die sich eine Welt ohne ihre Herrschaft nicht vorstellen kann und danach nur noch den Weltuntergang sieht. Deshalb sind die extremsten Vertreter dieser Klasse und ihr Anhang eben auch gegen ein weiteres Wachstum der Menschheit, denn das erfordert eben eine Weiterentwicklung der Produktivkräfte, der Wissenschaft und Technik und damit auch letztlich der Gesellschaft, wenn es nicht in die Barbarei und den Kampf um die Ressourcen führen soll. Es wird auch schon seit langem ungeniert gegenüber anderen Völkern propagiert, wo die Masse der Menschen sich mit ihrer Armut nicht abfinden will, daß Armut durch Bevölkerungsreduzierung zu bekämpfen ist.

Solche Konzepte passen aus der Sicht von Ultra-Reaktionären auch auf eine Gesellschaft, die durch Deindustrialisierung einen Teil der eigenen Bevölkerung in die Dauerarbeitslosigkeit schiebt. Und deshalb wollen besonders rechte reaktionäre Vertreter auch die Sexualität mit aller Gewalt von der Fortpflanzung, von ihrer natürlichen Grundlage trennen. Der Sexualtrieb ist zu tief in den Menschen verankert, als daß man ihn austreiben könnte, aber man versucht ihn stattdessen eben auf ein falsches Gleis zu bringen, daß es nur noch um das Erzielen von Lustgefühl geht, nur noch diese physiologische Seite in den Vordergrund zu stellen, daraus eine Art „Genußmittel“ zu machen. Das Kinder-Bekommen soll gleichzeitig zu etwas gemacht werden, was Armen eben nicht zusteht, quasi ein Luxusgut, das man sich leisten können muß. Das steht so z.B. auch relativ offen in den Büchern von Sarrazin, der die Abschaffung von Familienbeihilfen fordert, wenn er auch die sogenannte „Homoehe“ nicht propagiert, und da kann er sich auch auf angelsächsischen Vordenker berufen. Und das wollen sie den Kindern hier, sowieso mittlerweile schon viel zu wenige, am liebsten in Zukunft schon von klein auf einhämmern, um die Zerstörung des Potentials für tiefgreifende soziale Veränderungen unserer Gesellschaft verschärft weiterzutreiben. Daher kommt der Fanatismus, mit dem von manchen politischen Kräften auf die Initiative in Baden-Württemberg eingeprügelt wird.

Mit besonderer Schuld belädt sich hier ein leider nicht so kleiner Teil der sogenannten „Linken“ in diesem Lande, indem sie in diesem Konflikt auf der falschen Seite stehen und zusehen, wie Rechte alter Machart sich in diesen Fragen profilieren, weil ihnen das Feld hier überlassen wird. Das gilt auch für Frankreich, wo man die Menschen, die sich die neue (Anti-)Familienpolitik nicht gefallen lassen wollen, regelrecht in die Arme von Rechten treibt, um sie besser diffamieren zu können. Soetwas ist ein weiteres ungeheures Verbrechen in diesem Zusammenhang.

 


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Anmerkung 1:    Manch einer mag sich nicht über den vollen Umfang des reaktionären Schmutzes klar sein, der auf die Bevölkerung hier zurollt. Ich möchte hier einmal Schriften von Hartmut Dicke empfehlen. In der Schrift „Über die Aufwertung der Homosexualität und wofür der Staat verantwortlich ist -- Das Beispiel des Rosa von Praunheim“ wird unter der Überschrift „Päderastie und noch weitergehende Sachen im Hintergrund“ dieser offiziell gefeierte „Vorkämpfer der Schwulenbefreiung“ zitiert: "Wir müssen auch Knabenliebhaber, Lederleute und Transvestiten unter uns akzeptieren.” (S.139 seiner Selbstbiographie von 1993). Und das ist nicht etwa eine einmalige Entgleisung, keineswegs. In den Schriften diese hierzulande offiziell hochgefeierten und mit öffentlichen Geldern geförderten Reaktionärs wimmelt es von reaktionärem, perversem Schmutz, der für den normalen Leser teilweise schwer erträglich ist, sogar von Beschönigung perverser Morde. In einer zweiteiligen Artikelserie hat sich Hartmut Dicke 2001 mit diesem Ultrareaktionär, der uns meist als Linker verkauft werden soll, exemplarisch auseinandergesetzt: „Der Fall Rosa von Praunheim - an Hand von Selbstzeugnissen und Erläuterungen aus seinem Umfeld“.

 

 

 

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