Internet Statement 2019-01

 

 

Zur Dieselkampagne in größeren Zusammenhängen

Betrogene gutgläubige Dieselfahrer werden zu „deutschen Klimakillern“ umgedeutet. In der Presse1 titelt man mittlerweile: „Die Deutschen - Betrogene in der Diesel-Affäre oder Klimakiller im SUV?“

 

 

Wassili Gerhard  09.01.2019

An diesem ersten Januar wurde nun die gesamte Innenstadt von Stuttgart für ältere Diesel gesperrt, auch wenn es zunächst noch viele Ausnahmen dabei geben soll. Diesel werden mittlerweile allgemein als Fahrzeuge ohne Zukunft dargestellt. 2013 hieß das noch ganz anders, da stellte man noch die Anforderung, die Dieselfahrzeuge müßten weniger CO2 und Feinstaub2 ausstoßen. Das wurde dann eigentlich auch mit der neuesten Norm Euro 6 erfüllt, so daß die Diesel-PKW zeitweilig als die umweltfreundlichsten Fahrzeuge erschienen, mit wenig Kraftstoffverbrauch und wenig Abgas. Aber das interessiert nun nicht mehr.

 

Im Oktober 2013 noch hatte selbst Anton Hofreiter, Autoexperte bei den Grünen, die folgenden Anforderungen an die Weiterentwicklung der Dieselfahrzeuge formuliert, wodurch sie „zukunftsfähig“ würden:

„Die entscheidende Maßnahme für die ökologische Modernisierung und damit auch für die mittel- und langristige Zukunftsfähigmachung der Autoindustrie sind die sogenannten CO2-Grenzwerte, die gleichzeitig dafür sorgen, daß die Autoindustrie zukunftsfähig wird und gleichzeitig nicht unsere Lebensgrundlagen zerstört.“ (Rede Toni Hofreiter - BDK Berlin Oktober 2013 https://www.youtube.com/watch?v=QZwqN7EU6R0)

Jetzt sind es plötzlich Fahrzeuge ohne Zukunft? Die ganze Entwicklung, die da reingesteckt wurde, soll völlig vertane Zeit und Mittel sein? Nun, die Grünen sitzen zwar derzeit nicht in der Bundesregierung, aber was von ihnen dazu verlautbart wird, hat leider hierzulande großes Gewicht. Die grüne Stoßrichtung ist mittlerweile in maßgeblichen Kreisen der Bourgeoisie, vor allem des großen Geldkapitals, der sogenannten Finanzinvestoren ganz offen übernommen worden. Die „Klimapolitik“ ist grüne Politik im Quadrat. Die Grünen können sich derzeit ein Stück zurücklehnen und andere die Zuchtmeister geben lassen, weil unter Merkel von Bundesregierung und Justiz ihre Richtung wie eine Staatsreligion durchgesetzt wird. Billionen an Investitionen sollen mit staatlicher Absicherung investiert werden in eine Umwandlung vor allem der Städte in sogenannte „klimafreundliche Global Cities“. Energetische Sanierung der Häuser wird weiter massiv gefördert, das Programm „Eine Million E-Autos bis 2020“ ist immer noch gültig. Der Individualverkehr, wie wir ihn heute kennen, soll abgeschafft werden. Darum geht es eigentlich. Jetzt geht man einen Schritt dabei weiter und bläst überhaupt zur Abschaffung der Dieselfahrzeuge, was angesichts der Rate im gewerblichen Verkehr auch riesige Investitionen und Verschrottung und Abschreibung dort verheißt. Das ist in Investorenkreisen, wo Anlagen für Billionen von Euros/Dollars gesucht werden, ein heiß erwartetes Zukunftsszenario. Passend dazu gab es gerade anläßlich der Verhandlungen in Kattowitz einen Aufruf von 414 Großinvestoren aus aller Welt, die Zusammen ein Geldvermögen von 32 Billionen Dollar verwalten, den „verstärkten Kampf gegen den Klimawandel“ zu führen:

Die Globale Umstellung auf saubere Energie ist im Gange, aber die Regierungen müssen noch viel mehr tun, um den Übergang zu niedrigen CO2-Emissionen zu beschleunigen und die Widerstandsfähigkeit unserer Wirtschaft, der Gesellschaft und des Finanzsystems gegenüber Klimarisiken zu verbessern.“ (So gibt es der Tagesspiegel vom 11.12.2018 wieder)

Auch wenn eine schwarz-grüne Bundesregierung (mit arithmetrisch notwendigen FDP-Beisitzern) nach der letzten Bundestagswahl nicht zustande gekommen ist, sieht es weiter danach aus, daß Schwarz-Grün für die CDU-Führung bzw. Merkel immer noch die angestrebte Wunschkoalition ist. AKK bedeutet da wohl auch keinen grundsätzlichen Kurswechsel. In Baden-Württemberg und Hessen versteht man sich ja anscheinend auch nicht so schlecht in den schwarz-grünen Koalitionen und demonstriert stetig Einigkeit. Auf der anderen Seite schreibt Kretschmann über eine „konservative Wende“ und Al-Wazir lobt die „grünen, nachhaltigen Finanzinvestoren“. Da findet zusammen, was zusammengehört.

 

 

Was schert sie ihr Geschwätz von Gestern, da waren sie schon immer großzügig. Der Aufhänger, daß bei der Umsetzung der Feinstaub- und CO2-Verringerung die NOx-Grenzwerte als Folge davon sogar eher verschlechtert wurden, wird nun von den Betrügern gegen die Betrogenen gerichtet. Daß mit den bekannten elektronischen Tricks verschleiert werden sollte, daß die NOx-Werte eventuell sogar noch stiegen, statt das Problem mit weiteren aufwendigen, noch weiter verteuernden Maßnahmen, die auch Nachteile haben, zu beseitigen, kann auch den Behörden hierzulande nicht verborgen geblieben sein. Nun ja, diese Autos sollten ja auch international verkauft werden, und die Fahrleistungen wie der Preis sind da wichtig. Und die Bedeutung der internationalen Märkte übersteigt bei weitem die des deutschen Inlandmarktes.

 

Welche Übereinkünfte im Hintergrund dabei mit Politik und Behörden getroffen wurden, bleibt bisher unbekannt, läßt sich höchstens erahnen. Es war sicher nicht zufällig in den USA, daß man den Betrug mit den Abschaltvorrichtungen dann ans Licht brachte, wo ja sowieso unter Trump der deutsche Autoimport ins Visier genommen wurde. Was für einen Ausstoß die eigenen Produkte haben, die riesigen SUVs etc., wird in bekannter Manier einfach mal ausgeblendet. Die Lobeshymnen der deutschen Autohersteller, deren Diesel in punkto Kraftstoffverbrauch und Schadstoffausstoß wirklich zur Weltspitze gehören, die aber trotzdem noch meinen, ohne zusätzlichen Betrug nicht auskommen zu können, wurden genau auf den Prüfstand gestellt. Mit den Abgaswerten wurden immerhin ganz explizit Kunden geworben.

 

Nun gehört Betrug im Kapitalismus zum Handwerk, die Grenze zwischen „normaler“ Übervorteilung des Geschäftspartners und kriminellem Betrug ist fließend. Wer glaubt zum Beispiel die Verbrauchswertangaben sämtlicher Autohersteller oder die angebliche Heizkostenersparnis bei der „Energetischen Sanierung“ von Wohnungen, oder die Bilder in der Werbung, wie die Zutaten taufrisch vom Acker in die natürliche Tütensuppe kommen, wobei jede Tomate extra geschminkt wird, damit sie den irrealen Klischees eines Naturproduktes der Städter heute entspricht, usw.? Betrogen wird dreist auf allen Ebenen. Aber das wird jetzt als anscheinend von den Betrügern selbst als willkommener Anlaß genommen, hierzulande ausgerechnet zur Hatz auf die Betrogenen zu blasen. Und das geht bisher durch, weil es in die grüne Agenda paßt.

 

Aber man will natürlich auch nicht, daß wir hier nicht doch noch eine Gegenbewegung wie die „Gelben Westen“ bekommen. Das wäre aber eigentlich längst fällig. Das ist doch nicht weniger ein Anlaß, als was dort am Anfang stand, die Verteuerung des Dieselkraftstoffs durch „Ökosteuer“, wie überhaupt Verteuerung des Autofahrens durch höhere Steuern. Das ist doch etwas ganz Ähnliches wie die Dieselschweinereien hier. Zur Beschwichtigung wird hierzulande ein Eiertanz nach bekanntem Muster veranstaltet, um den Anschein von Bemühen im Sinne der betrogenen Autobesitzer zu erwecken und immer wieder Hoffnung zu wecken, daß es doch nicht so schlimm kommt, bis dann irgendwann einfach genügend Fakten geschaffen sind. Das ist eine erprobte Methode. So werden meistens hierzulande Verschlechterungen eingeführt. Ein staatlich geförderter Verein, insbesondere vom Umweltministerium, wo man sowieso längst am liebsten die Daumenschrauben bei der sogenannten Klimapolitik anlegen würde, die „Deutsche Umwelthilfe“, und die Justiz leiten derweil die harten Maßnahmen ein und die Politiker waschen ihre Hände scheinheilig in Unschuld. Wie heißt es in einem alten Lied zur Zeit der Novemberrevolution: „Machen wir nen kleinen Kompromiß“ und “...die Regierung säuselt ja so hold.“ So hätte man es gern.

 

Auch in Stuttgart, wo der katholische Grüne Kretschmann regiert, werden bei den Fahrverboten in der gesamten “Umweltzone“ (kreative Sprachschöpfung für eine Innenstadt) ab diesen Januar erst einmal noch jede Mengen Ausnahmen mit eingebaut, auch in Hamburg wurde Ähnliches bekannt, selbst Besucher eines Anwohners dürfen erst einmal mit den verbotenen Dieseln in das Sperrgebiet. Man setzt anscheinend auf die allmähliche Gewöhnung, um dann auf dem Weg weiter zu gehen. Schon wird die Ausdehnung auch auf ältere Benziner verlangt. Auf Bundesebene jagte eine Zeit lang ein Dieselgipfel den anderen, aber die bringen auch nicht mehr als vergangene Bildungsgipfel für die Bildung gebracht haben (wer erinnert sich noch an „Bildung als Chefsache“? Trotzdem erhöht sich die Rate derer, die ohne Abschluß von der Schule abgehen.) Es heißt dann: „Wir geben eine Milliarde für die Verhinderung der Fahrverbote aus“, aber wieviel davon sind Ausgaben, die sowieso angestanden haben, z.B. Ersatz für alte kommunale Fahrzeuge, die außerdem noch die Automobilindustrie subventionieren? Wenn dann dadurch wirklich in weniger Orten Fahrverbote greifen sollten, wie es jetzt heißt, worauf später niemand festgenagelt werden kann, ist das in den verbliebenen Orten trotzdem der Einstieg in eine neue Stufe des Vorgehens gegen Autofahrer, werden wieder neue Fakten geschaffen. Es zeichnet sich schon ab, wer die Begünstigten sind und wer die Zeche zahlen soll. Leider sind die Deutschen weniger schnell auf den Barrikaden als die Franzosen.

 

Wen trifft es vor allem?

 

Es geht am meisten gegen jene Teile der Bevölkerung, die noch Jobs haben, mit denen man noch irgendwie über die Runden kommen kann, die vielleicht mit Berufstätigkeit beider Eltern noch Kinder großziehen. Sie werden gern zum „Mittelstand“ gezählt, was bei vielen schon etwas hochtrabend klingt. Die davon am schlimmsten dran sind, müssen schon mit einem Verdienst nur wenig oberhalb von Hartz IV auskommen. Die werden zunehmend aus den immer teureren Städten gedrängt und pendeln zur Arbeit, können ihren Alltag ohne Auto häufig schwer meistern. Dieselfahrzeuge spielen beim Pendeln wegen der niedrigen Spritkosten und der hohen Kilometerleistung eine wichtige Rolle. Kaum einer redet übrigens davon, daß dies eine Schicht ist, in der Angst vor Abstieg und Verarmung herrscht. Die schrumpft nämlich auch in diesem Land und fühlt sich auf einem absteigenden Ast. Das ist ein nicht unwichtiger Faktor bei den zu wenigen Kindern in diesem Land.

 

Und viele von denen, die gerade so knapsen, nutzen die alten gebrauchten Autos, von denen es immer mehr gibt, weil die Lebensdauer zugenommen hat, wo man gegen Ende ihrer Laufzeit sogar schon für weniger Geld als für ein hippes neues Fahrrad noch ein funktionierendes Fahrzeug bekommt, längst abgezahlt und mit wenig oder gar keinen Schulden zu erwerben, wenn sie alt genug sind. Gute Diesel können heute über zwanzig Jahre alt werden und eine halbe Million Kilometer laufen. Die sind oft unverzichtbar für jene, die sich mit nicht so hohem Einkommen irgendwie durchwurschteln. Das muß aber dem Finanzsektor beispielsweise ein Graus sein, denn da schlummert brachliegendes Kapital in beträchtlicher Höhe, das dem Finanzsektor nicht zur Verfügung steht, der schließlich tendenziell alles Geldvermögen bei sich konzentrieren will und dafür renditebringende Anlagen sucht. Das muß aus deren Sicht aufhören.

 

Auch die Autoindustrie fände eine quasi neue Verschrottungsprämie als Konjunkturprogramm nicht schlecht, eine Verschrottung ohne Prämie natürlich auch. Im Grunde reiht sich die Dieselkampagne passend in den Trend gegen die Massenmotorisierung ein, wie sie bisher existiert hat, überhaupt gegen die viel zu vielen älteren Autos. Das läuft auf massenweise quasi Enteignung hinaus und Zerstörung von Werten. Das trifft aber dann weniger die Betuchten mit den großen SUV, auch wenn immer das Klischee des Dieselfahrers mit dem dicken SUV aufgebaut wird. Für die besser Betuchten macht man Umtauschprämien zum Umstieg auf neuere Modelle, und die können sich überhaupt alle paar Jahre einen neuen Neuwagen leisten und kommen am Besten weg.

 

Also weg mit den billigen privaten Kisten. Außerdem müssen die ja sowieso irgendwie weg, wenn wir bald nur noch KI-gesteuerte E-Mobile haben sollen oder in nicht mal zwei Jahren die versprochenen eine Million E-Autos auf den Straßen sein sollen. Das soll schließlich eines der großen neuen Anlagefelder für den Finanzsektor werden. E-Autos sind sowieso in Hinsicht Finanzen etwas ganz Anderes. Nach ungefähr acht Jahren ist der Akku fällig zum Austausch, und ein Neuer ist dann teurer als der Restwert des Fahrzeuges. Da kann man besser gleich ein neues kaufen. So stellt es sich jedenfalls beim gegenwärtigen technischen Stand dar. Und das Recycling ist dann auch noch die Frage und wer das bezahlt. Jedenfalls ist das Modell mit den günstigen Gebrauchtwagen passé. Eine private Anschaffung ist überhaupt nur noch für wirklich finanzstarke Eigentümer sinnvoll. (E-Autos waren schon am Anfang der Entwicklung bekannt, aber auch da nicht für eine Massenmotorisierung geeignet.) So stellt es sich jedenfalls aus heutiger Sicht dar. Leasing, ein Finanzprodukt, bietet sich eventuell mehr an. Und nach manchen Szenarien sollen die vielen privaten Autos durch ein System selbstfahrender E-Autos ersetzt werden, die per App geordert werden und per KI gesteuert sind, eventuell über das Internet miteinander kommunizieren.

 

Das ist auf jeden Fall ein Riesengeschäft, das viele Neuinvestitionenen erfordert. Da werden zur Schaffung der entsprechenden öffentlichen Meinung auch Professoren vorgeschickt, die sich nicht zu schade sind, im Sinne der Rechtfertigung abstruse Äußerungen zu machen wie: die Privilegierung der Autofahrer müsse aufhören.
Bitte? Die Autofahrer zahlen jährlich mehr als 50 Milliarden Steuern dafür, daß sie überhaupt mit dem Auto fahren können, die ärmeren mit den älteren Kisten zahlen dabei auch noch verhältnismäßig mehr. Aber geht das etwa in den Straßenbau? Gleichzeitig verfallen Brücken und Straßen haben immer mehr Schlaglöcher, das Problem der fehlenden Parkplätze wird noch mutwillig verschärft als Maßnahme der Vergrämung. Trotzdem sollen sie am besten noch einmal für die Benutzung der Straßen, die sie selbst finanzieren, zur Kasse gebeten werden, was diese gleichen Professoren fordern, die selbst vom Steuerzahler alimentiert werden, damit sie solchen Stuß erzählen können, (was in diesem Falle mal wirklich eine ungerechtfertigte Privilegierung darstellt).
Das Bild vom Autofahrer als Melkkuh trifft es eher. Wenig verschleiert wird das Autofahren für Normalverdiener und noch schlechter Bezahlte zu teuer gemacht. Gleichzeitig werden noch Radfahrer gegen Autofahrer aufgehetzt, ihnen den Platz auf der Straße möglichst streitig zu machen und diese angeblichen privillegierten Umweltsünder zusätzlich auszubremsen. Vereine wie Changing Cities, ein Name wie er heute auch als Label einer internationalen Investorenvereinigung tauglich wäre und die weitergehenden Ziele dahinter verrät, befassen sich relativ professionell mit der Organisierung solcher Kampagnen.

 

Eine ähnliche Propagandistin ist auch die Tagesspiegel-Autorin Andrea Dernbach. Ihre Methode ist, einfach hemmungslos drauflos zu verunglimpfen, weil sie darauf vertraut, daß bei den Grünen und grün Beeinflußten alle Behauptungen akzeptiert werden, die in die eigene Ideologie passen, ohne sie groß zu überprüfen. Das verknüpft sich in diesem Fall zusätzlich mit einer Haßbeziehung zur eigenen Nation. So sagt sie als angebliches Gegenargument zum Thema Automobile unter der Überschrift „Die verhängnisvolle Liebe der Deutschen zum Auto“:

„Es war einmal eine große Liebe. Und sie war auch eine besonders treue. Ihr diamantenes Jubiläum hat sie hinter sich, die Liebe der Deutschen zum Auto. Sie begann in den Jahren des Wirtschaftswunders, jahrzehntelang war für sie kein Preis zu hoch. Dass sie in den letzten Jahren bröckelt, dass sich immer mehr Menschen gegen Lärm, Gestank und Dauerstau auflehnen, auf Rad und öffentlichen Verkehr umsteigen und zu Fuß gehen: Bisher hat das politisch noch nicht zum Umsteuern geführt. Der Bundesverkehrswegeplan bleibt der größte und doch am wenigsten diskutierte Investitionshaushalt im Land, weiter verschwindet Landschaft rasant unterm Beton für Autobahnen und Ortsumgehungen.

Hier haben wir eine schöne Anhäufung von autofeindlichen Klischees auf wenig Raum. Natürlich geht es außerdem noch um „die Deutschen“. Bei den Angehörigen einer anderen Nation würde sie diese Verallgemeinerung im Ausdruck zurückweisen, aber von „den Deutschen“ muß sie sich unbedingt zuerst einmal abgrenzen, obwohl das Thema Auto gar kein spezifisch deutsches ist. Die anderen, die sie als Gegenbeispiel nennt, sind dagegen einfach „immer mehr Menschen“. Die Deutschen, das sind doch die mit dem Nazitum in den Genen, zu denen sie nicht gehören will, das steht bei ihr im Grunde ständig zwischen den Zeilen. Wie bei Schellnhuber beginnt das Übel mit den „Jahren des Wirtschaftswunders“, also mit dem Ende des größten Mangels nach dem Zweiten Weltkrieg, mit der Einführung einer mehr „amerikanischen“ Kapitalismusvariante. Das ist quasi der Sündenfall. Na klar, dieses Volk hätte ihrer Meinung nach wohl weiter mit Mangel bestraft werden müssen. Das ging aber wegen des Kalten Krieges dann nicht mehr. Bei Schellnhuber ist der Sündenfall die „Amerikanisierung“, der die alten Tugenden zerstört habe. Beide sind sich aber anscheinend darin einig, daß der Mangel vorher besser war. Eine ähnliche Art von Übereinkunft zwischen unterschiedlichen Richtungen stand auch am Anfang der Grünen.

 

Die Liebe zum Auto bröckelt? Nein, es hat eher ökonomische Gründe, it’s the economy, stupid. Ein Führerschein kostet heute Tausende, Autos kosten viel mehr, als sich die Meisten leisten können. Ich habe noch erlebt, daß der Führerschein in vier Wochen gemacht werden konnte und ein Schüler mit einem Ferienjob das Geld dafür zusammen bekam. Ein alter Käfer war billig zu haben und vieles in Eigenregie zu reparieren, das ist vorbei. Viele der Jungen leben heute in prekären Verhältnissen und wollen keine so hohen laufenden Kosten, wie sie mit einem Auto verbunden sind, besonders wenn auf Kredit gekauft. So wie nachweislich viele eigene auch Kinder wollen, aber den Wunsch verschieben, bis es zu spät ist, wird auch die „Familienkutsche“ mit verschoben. Es gibt weniger Optimismus was die zu erwartende Entwicklung betrifft, Existenzsorgen, der sogenannte Mittelstand hat Angst vor Abstieg. Eine feindliche Verkehrspolitik behindert vorsätzlich den Autoverkehr. Das hat mit Liebe oder Nichtliebe weniger zu tun. Wer heute noch das Geld für ein Auto zusammenkratzen muß, der hegt und pflegt es meist immer noch.

 

Vom Verkehrswegeplan, den die Autorin so hervorhebt (macht sich doch gut, weil das grüne Reizwort Verkehr3 darin vorkommt), macht der Straßenverkehr allenfalls 49% aus, der sich im Übrigen dann noch in privaten PKW-Verkehr und Güterverehr, ÖPNV, Fußgänger- und Radverkehr teilt. Geld für die Behinderung des Autoverkehrs steckt auch mit drin. Auch wenn Einsatzwagen schnell zu einem Ort müssen, nutzen sie dieses Straßennetz, das ist einfach ein wichtiges Stück Zivilisation und wird nicht einmal genügend instandgehalten. 42% des Verkehrswegeplans betreffen das Schienennetz und 9% die Wasserstraßen. 2018 hat das Ministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur einen Anteil am den Ausgaben des Bundeshaushalts von 8,2%. Aber immer schön das Klischee aufrecht erhalten, das gilt doch hierzulande mehr als die Realität. Der Bundesverkehrswegeplan ist ein Langzeitplan bis 2030, wo sich die Summen dann auch auf über zehn Jahre verteilen. (https://www.bmvi.de/DE/Themen/Mobilitaet/Infrastrukturplanung-Investitionen/Bundesverkehrswegeplan-2030/bundesverkehrswegeplan-2030.html)

 

Sie wettert weiter: „Weiter verschwindet Landschaft rasant unter Beton.“ Mit Fakten hat das wenig zu tun:

· Laut Umweltbundesamt besteht die Gesamtfläche des Landes zu (im Folgenden gerundete Zahlen)

· 50% aus landwirtschaftlich genutzten Flächen,

· 30% Wäldern,

· 14 % Siedlungs- und Verkehrsflächen, wovon die Straßen und Parkplätze noch einmal der kleinere Teil sind.


Der Rest sind 3% sonstige Flächen (Moore, Tagebaue usw.) und 2% Seen und Kanäle. (Struktur der Flächennutzung, 25.04.2018)

 

In diesem Stil geht es weiter. Wichtig ist nicht die Realität, sondern das Klischee der eigenen Ideologie. „Immer mehr Menschen“ (da sind es Menschen und keine Deutschen) begehren angeblich gegen das Auto auf, dabei sind es vor allem die üblichen Verdächtigen, die schon wie Profis so etwas routiniert anleiern. Der Führerschein mit 18 sei angeblich nicht mehr nötig als Statussymbol. Gegen Internet und Handys wird gleich mal mit gewettert, Steigerung der Rückständigkeit. Es lebe das abgeschlossene Gebirgsdorf ohne Internet! Aber man meint ja auf einer starken Welle mitzuschwimmen, wo man sich solche Freiheiten einfach nehmen kann und keiner darangeht, den Unsinn auseinander zu nehmen. Es ist doch bezeichnend, das solche Positionen, Positionen einer fundamentalistischen Parallelgesellschaft, bisweilen prominenten Raum in der Presse bekommen. Das deutsche klischeegläubige Spießertum ist heute grün!

 

Man sollte sich auch merken, was manche hohe Politiker bisweilen so von sich geben. Merkel sagte zum Beispiel 2017 in einer Rede in Argentinien:

„Wir werden in 20 Jahren nur noch mit Sondererlaubnis selbständig Auto fahren dürfen“ (z.B. Die Welt, 06.09.2017)

 Was soll dann mit den Autos von heute sein? 20 Jahre, das ist mittlerweile ein kürzerer Zeitraum als manches lange Autoleben, insbesondere bei Dieseln. Und die Umwandlung ist schon im Gange: Gegenwärtig bastelt man an der gesetzlichen und versicherungstechnischen Grundlage für selbstfahrende Autos und ist damit in der praktischen Erprobung, und auch die Dringlichkeit des Ausbaus des 5G-Mobilfunknetzes wird insbesondere mit den Erfordernissen autonom fahrender Fahrzeuge begründet, für die auf allen Straßen lückenloser Internetempfang gebraucht wird. Und wer heute einen älteren Gebrauchtwagen fährt, weil der billiger ist, der wird sich nicht ein solches neues Fahrzeug leisten können.

 

Nun wird mancher dazu einwenden, das höre ich sozusagen schon, daß doch sowieso nicht jeder ein eigenes Auto braucht, wenn man ein selbstfahrendes Vehikel per Handy heranpfeifen kann, das einen da hinbringt, wo man will. Nun, das könnte vielleicht einmal so sein, wenn es eine andere Gesellschaftsform gibt, wo diese Autos dann allen gehören, also auch denen, die sie benutzen, und Gemeineigentum selbstverständlich geworden ist. Wem sollen diese E-Mobile wohl in der heutigen Gesellschaft gehören? Sie werden natürlich eine gute Anlage für die Finanzbranche sein, die dann von garantierten Renditen zu profitieren hofft, weil es ja dann um eine unverzichtbare öffentliche Einrichtung geht, in die sie investieren können. Und die werden sich genauso um das Gemeinwohl scheren wie heute, was sonst? Sie werden sicher nicht die größte Priorität darin sehen, allen die größtmögliche Mobilität zu ermöglichen, sondern denen, die auch das nötige Kleingeld dafür haben, dieses abzuknöpfen. Die Verfüger über das Kapital haben die sinnvollen gesellschaftlichen Tätigkeiten heute fast vollständig an bezahlte Manager abgegeben und befassen sich vor allem damit, wie sie aus ihrem Kapital mehr Kapital machen. Und wenn sie von der Rettung der Welt reden, dann denken sie an die Rettung ihrer gesellschaftlichen Stellung und ihres Kapitals, denn das Ende davon ist für sie das Gleiche. (Und wo dann die Fahrräder bleiben, wie die sich mit ihrer schweren Vorausberechenbarkeit mit den KI-gesteuerten Fahrzeugen vertragen, das wird man dann sehen.)

 

Und vergessen wir den Faktor Kontrolle nicht. Im Dezember kam die Meldung „E-Autos: VW, BMW, Daimler & Co. geben Peking Zugriff auf Standortdaten“ (Heise Newsticker 2.12.18):

„In China funken Elektroautos sensible Informationen nicht nur "nach Hause" zu den Herstellern, sondern diese übermitteln die meist personenbezogenen Daten auch an spezielle Auswertungszentren vor Ort. Bei diesen können sich wiederum die chinesischen Behörden bedienen. Über ein entsprechendes ausgeklügeltes Überwachungssystem berichtet die US-Nachrichtenagentur AP. An dem Programm beteiligen sich demnach mehr als 200 Autobauer, zu denen aus Deutschland VW, BMW und Daimler gehören sowie andere globale oder nationale Größen wie Tesla, Ford, General Motors, Nissan, Mitsubishi und das Startup Nio.“

Schöne neue Digitalwelt, das ist doch mal ein weiteres schönes Kontrollmittel. Wer den Spruch „Freie Fahrt für freie Bürger“ heute lächerlich macht, wird das vielleicht in der Zukunft noch mal bedauern. (außer den ganz verstockten Grünen vielleicht, die sich für etwas Besseres halten als die Mehrheit, auf die von ihnen aus ruhig draufgehauen werden kann.) Schon beim Mautsystem für die LKW vor einigen Jahren wurde eine viel teurere und mit mehr technischen Problemen verbundene Lösung gewählt als nötig - aber mit der kann man auch beliebige Bewegungsprofile machen und alle Kennzeichen speichern, was man aber angeblich niemals vorhabe4. Diese Möglichkeiten waren immerhin einige zusätzliche Milliarden und vielfältige Probleme wert, die erst einmal bei diesem komplexen neuen Problem auftraten. Vorstöße zur Nutzung der Möglichkeiten zur Kontrolle aller Autofahrer hat es natürlich bereits mehrfach gegeben, so wie auch aktuell wieder der Vorschlag kommt, bei Fahrverboten in den entsprechenden Bereichen alle Kennzeichen elektronisch zu erfassen um „Dieselsünder“ herausfischen zu können. Bisher kam das noch nicht durch, aber die selbstfahrenden Shuttles müßte man ganz sicher elektronisch überwachen, schon damit sie richtig abgerechnet werden können und nicht abhanden kommen.

 

Leider ist eine Traumtänzerei heute auch unter angeblichen Linken nicht selten, bei der man an einzelnen Dingen herumdoktern will, als ginge es wirklich ums Gemeinwohl, und die bestehende Gesellschaftsordnung, und was die dann voraussichtlich daraus machen, einfach ausblendet. Sie vergessen, daß man eine Revolution machen muß, wenn man eine herrschende Ausbeuterklasse dazu zwingen will, nicht mehr wie eine herrschende Ausbeuterklasse zu handeln. Am Ende wird man wohl diese Klasse eher stürzen können, als sie dazu zu bringen, sich nicht wie eine Ausbeuterklasse zu verhalten.

 

 

 

Eine grüne Propagandabroschüre über die „Neuerfindung der Autoindustrie“

 

Da gibt es eine Propagandabroschüre neueren Datums, die an die „Dieselkrise“ anknüpft und den Faden weiterspinnt, um die aktuelle Kampagne gegen den Individualverkehr weiterzuspinnen: „Taumelnde Giganten: Gelingt der Autoindustrie die Neuerfindung?“ von Weert Canzler und Andreas Knie, aus dem oekom verlag münchen - gesellschaft für ökologische kommunikation. Man beachte die Sorge vor allem um die Autoindustrie. Weert Canzler wird übrigens auch von Andrea Dernbach besonders gelobt.

 

Auffallend an der Broschüre ist, wie oft dort, entsprechend der gegenwärtigen Mode in den Sozialwissenschaften, von Narrativ zu lesen ist. Es sei ein Narrativ gewesen, dem Autofahrer ein Mehr an Freiheit zu versprechen, und das habe - man höre und staune - eine „Komplizenschaft von Autoindustrie, Staat und Autofahrern“ begründet. ( So wird es in der Broschüre eins ums andere Mal wiederholt, während doch die Kumpanei, wie wir schon gesehen haben, in der Realität so nicht läuft)

 

Es habe sogar ein „Programm zur Autoerziehung“ gegeben, das drei Teile gehabt habe:

· Erstens „ein Narrativ, das attraktiv und erstrebenswert erscheint und vor allen Dingen als erreichbar angesehen wird.“

· Zweitens ein Programm, „das vom Bau der Infrastruktur über die Regulierung der Nutzung des öffentlichen Raumes bis hin zur steuerlichen Unterstützung reicht...“

· Drittens „ein politischer und gesellschaftlicher Gestaltungswille“.
   
(Auf Seite 38 und 39 der Broschüre)

 

Seit dem Ende der 90er Jahre ist es offenbar gängige Mode in den offiziell gelehrten Gesellschaftswissenschaften, von Narrativen zu reden. Was ist das? Das ist auf eine Theorie eines gewissen Jean-François Lyotard zurückzuführen, ein Phänomenologe, also zu einer bestimmten philosophischen Schule gehörend. Die Theorie der Narrative stellt die Dinge nicht vom Kopf auf die Füße, sondern von den Füßen auf den Kopf. Die üblichen Überzeugungen, die überwiegend allgemein als wahr angenommen werden, konstituieren das Bewußtsein der Menschen zu bestimmten Fragen, ihre Überzeugungen. (Also letztlich erzeugen Überzeugungen Überzeugungen?) Mit der Infrage-Stellung der Narrative werde dann die bestehende Ordnung untergraben und die Möglichkeit einer neuen Ordnung geschaffen. (Also eine neue Überzeugung schafft eine neue Überzeugung) Auf welchem gesellschaftlichen Hintergrund die sogenannten Narrative entstehen, warum manche sich durchsetzen und andere, die durchgesetzt werden sollen, nicht, wie weit sie den realen Gegebenheiten entsprechen und sich deshalb eher durchsetzen als beliebige andere, das ist nicht der Gegenstand der Untersuchung.

 

Das ist wieder so ein Fall, wo die Zweiseitigkeit von allem, das „Eins teilt sich in Zwei“, genutzt wird, um eben die entscheidende Seite zur zweitrangigen zu machen und umgekehrt. Innerhalb eines Prozesses wechseln diese Seiten zeitweilig die Stellung im Prozeß, und da setzt diese Theorie an. Wenn die Aussage, daß ein Auto mehr persönliche Freiheit bringt, in der Zeit ihrer Entstehung eine reale Basis in den materiellen Möglichkeiten hatte, dann ist diese Aussage und ihre allgemeine Anerkennung als wahr anzusehen, eben eine in den Tatsachen begründete und sie richtig widerspiegelnde Aussage. Und dann kann diese Aussage auch ihre Wirkung entfalten, denn natürlich wirkt sie dann auch selbst. Lyotard behandelt eine solche Aussage als etwas, das einfach als ein Phänomen für sich genommen wird und eben einfach von den Menschen geglaubt wird und deshalb seine Bedeutung hat, oder eben irgendwann einfach nicht mehr geglaubt wird, ohne die Erklärung in den zugrunde liegenden Tatsachen zu suchen. Es bleibt eben auf der Ebene des Phänomens.

 

Das paßt eher zu der angelsächsischen philosophischen Schule des Pragmatismus, einer philosophischen Richtung, die in ihren Ursprung in dem Bestreben hatte, Wissenschaft und Religion zu vereinbaren, und deshalb das Wahrheitskriterium aufstellte: Was allgemein überwiegend geglaubt wird, das ist die Wahrheit. Man erkennt die Verwandtschaft. So sind denn religiöse Dogmen nach dieser Schule auch wahr, wenn sie überwiegend geglaubt werden. (Das gilt dann auch für grüne Klischees.) Nach dieser Logik müssen in manchen Schulen in bestimmten Bundesstaaten der USA biblische Schöpfungsgeschichte und Evolution gleichberechtigt dargestellt werden, kein Witz. Entsprechend dieser Philosophie muß man tatsächlich nur die Narrative ändern, um die Welt zu ändern, man muß nur erfolgreich die Trommel dafür rühren. Etwas Wahres ist dran, es betont die Rolle des aktiven Handelns, das natürlich ein wichtiger Faktor ist. Natürlich muß sich das Denken der Menschen ändern, wenn sie ihre Realität ändern sollen, es ist ein Wechselprozeß, aber das materiell Mögliche setzt den Rahmen, der aber auch wiederum nicht statisch ist und ständig neu ausgelotet werden muß.

 

Aber gehen wir wieder zurück zum angeblichen Narrativ vom Mehr an Freiheit durch das Auto, das angeblich den Menschen von der Industrie aufgeschwatzt wurde. Ein Klischee, das zu überprüfen wäre.

 

Vor über 100 Jahren waren Autos nur Luxusartikel für Reiche. Die gaben viel Geld dafür aus, sich Autos von Handwerkern bauen zu lassen, statt daß ihnen von einer Industrie ein Produkt „aufgeschwatzt“ wurde. Dann kommt die Serienproduktion ins Spiel, deren besonderer Pionier unzweifelhaft Henry Ford war, ein herausragender und eigensinniger Visionär, der aber auch später auf dem Gipfel des Erfolges politisch seine schwarze, reaktionäre Seite hatte. Henry Ford war mit der Landwirtschaft groß geworden, und dort wurden damals riesige Dampfmaschinen genutzt, dampfgetriebene Pflüge vor allem, um Handarbeit durch mechanisierte Arbeit zu ersetzen, also die Arbeit auch in der Landwirtschaft effektiver zu machen, aber nur wenige Firmen mit genügend Kapital konnten sich diese riesigen teuren Maschinen plus notwendige Bedienungsmannschaft leisten. (Erinnert irgendwie auch an die Anfangsgeschichte des Computers!) Die kleinen Farmer mußten einen Termin bei diesen Firmen machen, und wenn er zur ungünstigen Zeit lag, hatten sie Pech. Ford dachte darüber nach, wie solche schweren und in der Herstellung wie auch im Unterhalt sehr teuren Maschinen kleiner und erschwinglicher gemacht werden könnten5.

 

Aus seinen Experimenten zur Umsetzung dieses Vorhabens entstand schließlich in der Folge das Auto für breite Schichten, das durch Serienproduktion in der Fabrik erschwinglich und in großer Zahl hergestellt werden konnte. Die Zeit war sozusagen reif dafür, weil die materiellen Möglichkeiten dafür herangereift waren, Serienproduktion gab es vorher schon, aber ein Auto bestand aus einer ungeheuren Menge von Teilen. Es wurde bis dahin einzeln innerhalb von Monaten von einem Team hoch qualifizierter Handwerker in Handarbeit hergestellt, wobei jedes Teil durch Feilen an das jeweils nächste angepaßt werden mußten, damit das Ganze am Ende zusammen funktionierte, wobei dann jedes Auto am Ende ein Unikat war, das ein paar Zentimeter länger oder kürzer wurde. Es war eine große Ingenieursleistung notwendig, um eine solche komplexe Maschine aus in Serie produzierten Teilen mit angelernten Arbeitern montieren zu können. In der Serienproduktion mußte zum Beispiel dann bei einem Motor eine große Zahl verschiedener Stahlsorten eingesetzt werden, die bisweilen speziell für das jeweilige Teil entwickelt wurden. Es kamen schließlich robuste, gut funktionierende Autos dabei heraus, die sich sogar Arbeiter der Fabrik mit Hilfe von Kredit leisten konnten, statt nur die wenigen Allerreichsten, und die auch mit einfachen Mitteln repariert und gewartet werden konnten. Der Absatz der Autos übertraf schnell den Absatz der landwirtschaftlichen Fahrzeuge, wo nun auch Traktoren und ähnliches möglich wurden. So wurde mit einem billigeren Produkt mehr Gewinn gemacht und die Automobilfirmen wurden riesig. Aber einfach mit der Erfindung eines Narrativs und dem Beschwatzen der Menschen hat das wenig zu tun.

 

Das traf sich auch mit dem Bedarf der Bourgeoisie, die Arbeiter mit Zugeständnissen zu beschwichtigen, oder wenigstens einen besser verdienenden Teil davon, und die wachsende Zahl von Büroangestellten. Es gab eine wachsende Zahl von Fabrikarbeitern, die oft zum vielzitierten Anhängsel der Maschine wurden. Das Fabrikproletariat organisierte sich in den entwickelten Ländern und verlangte auch an den Früchten der Vervielfachung der Produktivität teilzuhaben, die sie mit extensiver Fabrikarbeit ermöglichten. Teile der Arbeiterbewegung verbanden sich mit dem revolutionären Marxismus und stellten eine echte Herausforderung für die kapitalistische Ordnung dar. Man dachte der Bedrohung zu entkommen, indem man einen Teil der Arbeiter besser stellte, um sie so gegen eine Revolution beeinflussen zu können. So machte man eben auch das Zugeständnis, den besser verdienenden Arbeitern auch bessere Lebensbedingungen in ihrer Freizeit zuzugestehen. Auch das Auto hatte seine Bedeutung dabei. Es konnte wirklich das Leben mobiler und damit objektiv freier machen.

 

Man sollte aber auch der Vollständigkeit halber nicht außer Acht lassen: Gleichzeitig war Ford ein entschiedener Gegner von Gewerkschaften in seinen Betrieben und setzte Schlägertrupps gegen sie ein. Er unterstützte rechte Politiker, entwickelte antisemitische Tendenzen, unterstützte Hitler in Deutschland, was gar nicht so unlogisch ist, denn in Deutschland gab es eine besonders starke und disziplinierte revolutionäre Arbeiterbewegung in einem entwickelten kapitalistischen Land, deren Ausstrahlung man auch in den USA fürchtete. Gerade das Bestreben, die Klassenwidersprüche zu versöhnen, auch mit Zugeständnissen, kann gleichzeitig gepaart sein mit fanatischem Kampf gegen selbständige Bestrebungen der Arbeiter, die den Kapitalismus in Frage stellen. Ford mag sich dabei vielleicht sogar selbst als einen Wohltäter gesehen haben, der den Kapitalismus „menschlicher“ machte, was aus seiner Sicht gegen revolutionäre „Störenfriede“ verteidigt werden mußte.

 

Als hierzulande die Übernahme des „amerikanischen Modells“ mit einer größeren Arbeiteraristokratie nach dem Aderlaß der revolutionären Arbeiterbewegung durch den Nazifaschismus nicht verhinderte, daß der Marxismus wieder in der Jugend Fuß faßte, zuerst mehr in der intellektuellen Jugend, aber nicht ausschließlich, und die Angst vor einem erneuten Übergreifen auf die Arbeiterbewegung wuchs, schien schließlich die Verschiebung der Produktion in andere Länder der Ausweg zu sein. Ende der sechziger Jahre stellte sich die Lage so dar, auch wenn sich das mancher heute nicht mehr vorstellen kann.

 

Heute ist der Anteil des Industrieproletariats und seine Stellung hierzulande nicht mehr die gleiche, was ein wesentlicher Grund ist, manche Zugeständnisse wieder zurückzunehmen. Die Arbeiterklasse ist eben in diesem Land zur Zeit in einer ganz anderen Lage, und die frühere hier bestimmende Arbeiterklasse, die Massen, die aus den Fabriktoren strömten, ist geschrumpft, auch wenn manches an Industrie noch hier ist. Es heißt, daß der Eigenanteil, auch Fertigungstiefe genannt, an einem hier gefertigten Auto um die 30 Prozent beträgt, nach eher wohlwollender Rechnung. An einem Porsche Cayenne, einem Luxusgefährt für Reiche, beträgt er laut Wikipedia nur 10%. Der Rest kommt von Zulieferern und wiederum deren Zulieferen usw., die großenteils über die ganze Welt verstreut sind. Bei elektronischen Bauteilen ist es noch erheblich krasser. Hier wird vor allem zusammengesetzt. VW hat auch heute seine größte Fabrik nicht mehr in Deutschland, sondern in China, und dort ist auch der größte Zukunftsmarkt. Es heißt aktuell „VW muß chinesischer werden“. Ein Fahrrad Made in Germany besteht eventuell aus überwiegend in China gefertigten Teilen, die hier zusammengesetzt werden. Für fertige Fahrräder gibt es dagegen hohe Einfuhrzölle. Viele dieser Industriezweige, wo früher die hiesige untere Arbeiterklasse in Massen zu finden war, sind verlagert und haben woanders ihren Schwerpunkt. Das muß auch auf die materielle Lage zurückschlagen.

 

Wie erscheint es in diesem Licht, die angeblichen Narrative durch angeblich zeitgemäßere ersetzen zu wollen und die Tatsachen zu verdrehen und eine „Komplizenschaft zwischen Staat, Automobilkonzernen und Käufern“ quasi als neues Gegennarrativ zu konstruieren? Es geht nicht zuletzt um die Senkung des Lebensniveaus. Dafür wird in dem genannten Buch einfach aus Schwarz weiß gemacht und so auch plump eine angebliche „Privilegierung“ der PKW-Besitzer bei der Steuer behauptet, die nicht mehr zeitgemäß sei. Als angeblich schlagendes Beispiel wird angeführt, daß der Steuervorteil für Dieselkraftstoff zwischen 1990 und 2015 ca. 254 Milliarden Euro betragen habe. (Wobei dann trotzdem immer noch über die Hälfte des Dieselpreises aus Steuern besteht.) Wahnsinn, pro Jahr 10 Milliarden weniger Steuer für einen Kraftstoff, der wieder nicht vor allem für die Haßobjekte SUVs gewährt wird, wie es mal wieder heißt, sondern ursprünglich vor allem den ganzen gewerblichen und militärischen Verkehr antrieb, der begünstigt werden sollte. Nur daß eben die Diesel-PKW die Vorteile auch für Normalverbraucher nutzen. Übrigens ist der Dieselverbrauch der privaten Diesel insgesamt gesunken, während der gewerbliche Verbrauch um 21% gestiegen ist. Viele Unternehmen verlegen ja auch ihre Lagerhaltung mit „Just in Time“ auf die LKWs auf den Straßen und tragen so zu der Überlastung des Straßennetzes erheblich bei. Das paßt wieder nicht in das neue Narrativ. Ist aber Fakt, das Umweltbundesamt schreibt:

»Im gesamten Zeitraum 1995 bis 2016 verringerte sich so der Durchschnittsverbrauch [der privaten PKW] um 1,6 l pro 100 km (siehe Abb. „Durchschnittlicher Kraftstoffverbrauch von Pkw und Kombi“). Ein Grund dafür ist die verbesserte Gesamteffizienz der Fahrzeuge, die sowohl Motoren als auch Getriebe und Karosserie betrifft. Und seit 1999 nimmt der Anteil an Pkw mit Dieselmotor stark zu. Diese Pkw verbrauchen bei vergleichbaren Fahrzeugparametern weniger Kraftstoff.« (https://www.umweltbundesamt.de/daten/verkehr/kraftstoffe)

Der Spritverbrauch ist ja schließlich ein enormer Kostenfaktor, nach der Steuerlast. Insgesamt zahlen die Nutzer von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor immer noch über 50 Milliarden jährlich an Steuern und Abgaben, also in dem genannten Zeitraum 1990 bis 2015, wo es angeblich durch den Diesel eine Steuerermäßigung um 254 Milliarden gibt, zahlen sie geschätzt 1,25 Billionen Euro Steuern! Und das mal abgesehen davon, daß die meisten Autofahrer generell auch sonst noch als Steuerzahler allgemein die Straßen mit finanzieren, auf denen sie fahren. Woher kommt diese fast schon kriminelle Energie bei solchen Propagandisten, aus schwarz weiß zu machen? Es kommt aus dem Haß auf die moderne Entwicklung und die Zugeständnisse, die in der Vergangenheit gemacht werden mußten, wie wir vorher schon gesehen haben, und es dient der neuen Komplizenschaft zwischen Finanzinvestoren, Grünen, Staat und Automobilkonzernen, aus deren Sicht die alten Autos zu verschwinden haben, und deren Akteure alle zusammen die jetzigen, vor allem die ärmeren Autofahrer aufs Korn nehmen.

 

Die früheren Zugeständnisse sollen eben nicht zum normalen Niveau global werden, sondern wieder zurückgefahren werden. Die Armut soll konserviert werden und auch hier mehr durchschlagen. Dem dient auch die Klimakampagne, das zu rechtfertigen, auch international. Aber leider leben auch viele, die sich für links halten, in einer „grünen Blase“ und wollen das nicht merken. Wenn es in der Broschüre heißt, daß „die Bevölkerung in ihrer Vielfalt und Buntheit als produktive Ressource“ begriffen werden soll (S. 13), paßt das sehr gut dazu. Die hiesigen Autofirmen wollen auch selbst in einigen Jahren die zukünftigen selbstfahrenden Elektrofahrzeuge bauen. Aber das Geschäft wird sich ändern und eine Vielzahl von Start-Ups soll da Raum finden, die natürlich alle Kredit brauchen. Das soll wohl die „Neuerfindung der Autoindustrie“ sein, von der in dem Buch die Rede ist. Das wird mit den neuen künstlichen Narrativen vorbereitet.

 

Das glaubt man jedenfalls, weil man an die künstliche Manipulation durch Narrative glaubt und sich mit den wirklich ablaufenden Prozessen nur so weit auseinandersetzen will, wie es ins eigene Bild paßt. Die Wahrscheinlichkeit, daß sich die verschiedenen in Konkurrenz stehenden Kräfte um die Neuaufteilung der künftigen Profite in die Haare geraten, wie das schon viele Male der Fall war, und stattdessen ein großes Chaos und schließlich einen neuen großen Krieg vom Zaun brechen, das das kann auch dabei rauskommen. Die Rohstoffe für die neuen Batterien werden international immer stärker umkämpftsein und die Verfügung darüber wird eine sehr große Rolle für die Profite spielen. Und da kommen wir wieder zu der eigentlich wichtigsten Frage, daß nämlich die neuen enormen gesellschaftlichen Mittel auch eine gesellschaftliche Aneignung und Kontrolle erfordern und nicht eine auf den privaten Profit ausgerichtete private Aneignung. Und daß die Früchte allen zugute kommen müssen, auch international. Da muß man aber an die Wurzel des Systems gehen.

 

Die Betroffenen dieser Dieselkampagne sind auch teilweise noch Vertreter der alten Arbeiterklasse, das man hierzulande weitgehend weg haben will, weil das Proletariat der Herrschaft der Bourgeoisie in der Vergangenheit schon sehr gefährlich geworden ist, und die man in den alten Industrieländern schon erheblich dezimiert hat. Von dem sind hierzulande viele heute in Hartz IV, bzw. schon deren Nachkommen. Nach aktuellen Zahlen haben wir trotz angeblicher Rekordbeschäftigung, die sich nicht wenig aus arbeitenden Zugewanderten speist, gleichzeitig weit über drei Millionen ohne Arbeitsplatz, wenn man die statistischen Tricks rausrechnet. Die neuen Jobs sind großenteils schlecht bezahlte Jobs in der Dienstleistung, mit denen ein niedrigeres Lebensniveau verbunden ist. Unteres Proletariat glaubt man heute in der ganzen Welt genug rekrutieren zu können. Aber es geht weiterhin nicht ohne Proletariat. Das Proletariat braucht heute die internationale Aktion, um seine Interessen zur Geltung zu bringen.

 

 

 

 


1  Das Zitat stammt aus dem Berliner Tagesspiegel, der den Grünen recht nahe steht.

2  Auch die Feinstaub-Grenzwerte sind für Arbeitsstätten 200fach so hoch wie auf Straßen, wie auch dort, selbst wenn Schwerbeschädigte und Schwangere dort arbeiten, die NO2-Werte das Zigfache betragen dürfen. Also ist es wieder einmal recht zweifelhaft, wie die errechnet werden, wobei auf Straßen auch noch andere Quellen als Fahrzeuge eine erhebliche Rolle dabei spielen. Entweder spiegelt das die Brutalität gegenüber Arbeitenden wider, oder die Feinstaub- und NO2-Werte für Straßen sind jenseits realistischer Maßstäbe. Am ehesten gilt wohl beides bis zu einem gewissen Grade. Recht aufklärend ist dazu auch ein Filmbericht vom 7. Januar 2019:    https://www.daserste.de/information/reportage-dokumentation/dokus/videos/exclusiv-im-ersten-das-diesel-desaster-video-102.html

3  Dabei ist Verkehr unabdingbar für die Entwicklung des fortschrittlichen Denkens, oder geht es gerade um dessen Bekämpfung? Daß sich immer mehr Menschen gegenseitig kennen lernen und ihre Ansichten austauschen ist doch unabdingbar dafür, daß Vorurteile abgebaut werden, die ja oft gerade durch Isolierung voneinander und gegenseitiges Nichtkennen entstehen können. Abgeschlossene Dörfer oder „Kieze“ sind auch mit Kommunikation per Internet nicht Ideal. Persönliche Begegnung ist etwas Anderes als per Internet, außerdem auch weniger kontrollierbar.

4  Vielleicht kann ja ein befreundeter Geheimdienst die Daten anzweigen, der braucht sich hierzulande an kein Gesetz zu halten. Das wäre ja auch keine neue Methode.

5  Ford selbst spricht davon in seinen Lebenserinnerungen.

 

 

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